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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Oktoberheft
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Engelmann, Max: Das Meisterstück eines Münchner Renaissance-Uhrmachers
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0078

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technisch, namentlich in dieser pianisphärischen Darbietung,
nicht nachgebildet werden konnten, war an eine mögliche
Nachstellung von Hand aus gedacht, wozu die auf-
gesetzten, zugleich den Himmel versinnlichenden sieben
Sterne als leichte Handhabe angebracht wurden. Die
beiden Zifferblätter unter diesem Hauptzifferblatt ergänzen
die Angaben des letzteren. Das rechte bietet zunächst
eine bessere Unterteilung der Stunde durch seinen
Minutenzeiger, sodann eine Vergleichmöglichkeit der ge-
nannten beiden Uhrenarten, der Nürnberger (römische
Zahlen) und der welschen Uhr durch zwei Ziffernringe,
also auch für jene Fälle und Länder dieser Stunden-
rechnung, die den Tagesbeginn von den wirklichen
Sonnenauf- und Untergängen abhängig machten. Der
Zeiger des linken kleineren Zifferblattes folgte dem
scheinbaren Lauf der Sonne durch den Tierkreis.

(Januar-I usw.) das linke den Wochentag an. Das über
dem Zifferblatt hängende Pendel ist leider eine spätere
Zutat, denn das Uhrpendel war zur Zeit Schaufels noch
lange nicht erfunden, doch kommen gerade derartige
„Verbesserungen“ der ursprünglichen Waaghemmung an
alten Werken sehr häufig vor.

Auf der linken Schmalseitenfläche der Uhr (Abb. 3
links) zeigt das obere Zifferblatt selbsttätig den Ablauf
des Stundenschlagwerkes an. Darunter findet sich ein
kreisförmiges Schema mit Zeiger zur Einstellung der
güldenen Zahl, nebst einer lateinischen Anweisung dazu:
Vom Jahre 1551 mit der güldenen Zahl XIII ausgehend,
sagt diese Anweisung und das Schema, daß dieses von
I—XIX laufende Kalenderelement in den Jahren 1570,
1589 und 1608 die gleiche Zahl XIII haben wird. Diesen
Angaben entspricht auf der Gegenseite (Abb. 3 rechts)

Die gegenüber liegende Seite der Uhr (Fig. 2) er-
weitert die astronomischen und Uhrangaben des Werkes
um einen selbständigen Kalender nach der damals
allein noch geltenden julianischen Zeit- und Festrechnung.
Alle zwei Monate mußte die Kalenderscheibe ausgewechselt
werden. Als Abiesemarke für den betreffenden Kalender-
tag diente offenbar die punktartige Erhebung in der
Umrahmungswulst linker Hand. Im Bilde findet man
die Scheibe für Januar-Februar eingesetzt. Außer der
Ordnungszahl des Kalendertages, des Sonntagsbuch-
stabens, der Namens- und Festtage (verschieden farbig)
und der entsprechenden Tierkreisbilder, trägt diese
Scheibe noch die Kalenderelemente der Römer: Calendae,
Nonae, Idus, Pridie u. s. f. deren Erläuterung hier zu
weit führen dürfte, deren Vorkommen an Renaissance-
uhren aber bereits selten ist, andernteils aber die Zu-
sammenhänge der Schaltungen dieses Werkes mit an-
tikem Erkennen gut illustriert. Das kleine Zifferblatt
links unten zeigte den betreffenden Zahlwert des Monats

oben das Schema in Kreisform für die zu bestimmenden
Sonntagsbuchsfaben mit der lateinischen Gebrauchs-
anweisung darunter, und inmitten von beiden, das Ziffer-
blatt für den Ablauf des Viertelstunden-Schlagwerkes.
Diese Seite ist herunterzuklappen (Abb. 3 Mitte) und
dann bietet sich eine Horizontalsonnenuhr mit Kompaß
und darüber eine Tafel mit den Polhöhenangaben von
38 europäischen Städten, die zur richtigen Einstellung
des schattenwerfenden Gnomons der Sonnenuhr nötig
waren, dar. In dieser Sonnenuhr trägt also die Uhr das
Mittel an sich selbst ihre Uhrzeiten gemäß jener großen,
uns allen heute noch maßgebenden Uhr am Himmel ein-
stellen zu können.

Es mag manchem auffallen, daß von den Kalender-
elementen ein wichtiges Glied fehlt, und zwar das der
Epakten. Sie waren im julianischen Kalender nicht
erforderlich und Gregor XIII. Bulle über seine Kalender-
reform, die uns die noch heute gültige gregorianische
Kalenderrechnung brachte, erschien erst 1582.

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