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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Oktoberheft
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Engelmann, Max: Das Meisterstück eines Münchner Renaissance-Uhrmachers
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0077

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einnahmen für das schlossermeisterrecht“ ab;
1555-1570 wohnte er in der „Purckgasse“ und
zahlte 1555 28 Pfennig, 1556—62 52 Schilling,
1563—1570 2 Schilling 2 Pfennig, 1569 Mer für
seine Kinder 1 Schilling 5 Pfennig Steuern.

Des Meisters Initiale V. S. die an der Uhr ebenfalls
angebracht sind, können leicht Anlaß zur Verwechselung
mit seinem Zeitgenossen, Kollegen und Landsmann dem
Münchner Ulrich Schniep*) geben, der sie in ganz gleicher
Weise verwandte.

Das Kunstgewerbe der Renaissance suchte gern seine
Vorbilder in der Architektur.

Vor allem aber wurde die
Standuhr dieser Zeit den
Umrißlinien der Stadttore
und Kirchtürme nachgebildet.

Diese Vorbilder waren schon
insofern naheliegend, als es
um die Wende zum 16. Jahr-
hundert immer häufiger Brauch
wurde solche weithin sicht-
bare Gebäude mit öffentlichen
Uhren zu versehen. Um
diese Zeit treffen wir auch
zuerst die spiralig gewundene
Zugfeder als Kraftspender
in der Uhr an. Auf der
geraden Linie von der
mittelalterlichen, durch Ge-
wichtszug betriebenen Uhr
bis zum heutigen, der Voll-
endung immer näher kom-
menden Chronometer, hatte
aber gerade diese technische
Neuerung, einen bedeuten-
den Umwandlungsprozeß zu
Folge. Die Herstellung der
leicht transportfähigen und
überall aufstellbaren, in ihren
Ausmaßen nach der Klein-
heit hin kaum beschränkten
Uhr (Taschenuhrerfindung
um 1510) war möglich ge-
worden. Die schwere un-
transportable Gewichtswand-
uhr derGotik warüberwunden,
auch zugleich in ihrer strengen ernsteren Linienführung.
Handwerkstüchtigkeit und gestaltendes Talent vermochten
nunmehr Technik und Formensprache der Uhr zu einer
Harmonie zusammen zu fügen, die Gesinnung, Geist undZiel
der Bestrebungen ihrer Tage hochwertig zum Ausdruck
brachten. Ein trefflicher Zeuge dieser neuen Art und
Form ist Veit Schaufels Werk.

Leben und Tod, Tag und Nacht, das urewige Auf
und Ab ist sinnig im Schmuck der Uhr ausgedrückt.
Harpyen, die Sinngestalten der Vergänglichkeit, tragen

*) M. Engelmann: Ein Horologium des Ulrich Schniep in
München v. J. 1585 in: Aus Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift,
VII. Bd , Breslau 1919, S. 207.

die geschweift geformte Grundplatte; die in gefälligen
Rythmen geformte Gestalt der Wachsamkeit mit der
mahnenden Schelle in der Hand und dem Hahn zu
Füßen krönt als Triumph des gemessenen Lebens das
Werk. Wie flüssig hingeschrieben muten die ornamen-
talen Pflanzen- und Blumen-Gravuren an, welche die
verschiedenen Teilungen und Kreise umschmiegen. An
den Eckräumen der großen Zifferblätter sehen wir jene
pustenden Windengel wieder, die Peter Apian gern zur
Kennzeichnung der Himmelsrichtungen an seinen In-
strumentenentwlirfen verwandte. Der ornamentale Zierrat

des Kuppeldaches wird durch
die ausgesägten Durch-
brechungen, die vor allem
derSchallwirkungder darunter
befindlichen Stunden- und
Viertelstundenglocke dienten,
wirksamst gehoben.

In ihren Angaben ist die
Uhr ein lebendes Kompen-
dium der Zeit- und Kalen-
derrechnung ihrer Zeit. Das
große Zifferblatt der Vorder-
seite (Fig. 1) zeigt die so-
genannte halbe Uhr, indem sie
den Volltag in 2X12 Stunden
teilte. Diese Einteilung be-
zeichnete man auch als „Nürn-
berger Uhr“, während die
„große oder welsche Uhr“,
wie noch heute in Italien,
nach 24 fortlaufenden Stunden
rechnete. Innerhalb des
Zifferblattes liegen B Ringe
und eine mit Kreisausschnitt
versehene Scheibe, die ein
selbsttätiges Mondkalenda-
rium darstellen. An dem
schmalen äußersten dieser
drei Ringe las man den Zeit-
punkt ab, in dem die Mond-
bahn den Tierkreis schnitt.
Nach Norden hin, über die
Ekliptik kreuzend, durch-
schritt die Mondbahn den
aufsteigenden Knoten, für den
der Kalendermacher das Zeichen des Drachenkopfes hat
und daher an diesem Ringe mit Caput Draconis bezeichnet
ist. Der entgegengesetzte Punkt ist der absteigende
Knoten, der Drachenschwanz-Cauda Draconis, und die in
der Mitte liegenden Stellen, die beiden größten Ent-
fernungen der Mondbahn, nördlich und südlich von der
Ekliptik, sind nach dem Bauche des Drachen mit Venter
borealis und Venter australis bezeichnet. Der nach innen
nächstfolgende Ring des Tierkreises ergänzt diese Fest-
stellungen durch die Angaben des Tierkreisbildes.

Die Innenscheibe stellt die Phasen des Mondes und
demnach sein „Alter“, der Wirklichkeit entsprechend, dar.
Da damals gewisse Unregelmäßigkeiten des Mondlaufes

Abb. 2. Kalenderseite der Veit Schaufel-Uhr.

Sammlung Dr. Antoine-Feill, Hamburg.

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