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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Novemberheft
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Glück, Gustav: Erwerbungen der Wiener Gemäldegalerie seit Kriegsbeginn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0095

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J. Friedländer verdanken, stammt wohl sicherlich noch
aus den letzten Jahrzehnten des fünfzehnten Jahrhunderts,
dessen frommen Geist es ausströmt, und steht dem etwas
größeren Bilde der Maria mit dem Kinde und zwei Engeln
im Germanischen Museum (bezeichnet und datiert 1499)
im Stile am nächsten. Neben Schongauers heiliger Familie
und Dürers kleiner Madonna aus dem Jahre 1503 hat
das Bildchen in der Galerie einen vortrefflichen Platz
gefunden und vertritt hier aufs Beste die Kunst des
schwäbischen Meisters, von dessen großem Sohne die
Sammlung schon von Alters her eine Reihe von Haupt-
werken besitzt.

In eine ganz andere Welt, in die niederländische der
zweiten Hälfte des sech-
zehnten Jahrhunderts, führt
uns das interessante Porträt
eines Bildhauers, derin eigen-
tümlicher, vom Beschauer
fast abgewandter Haltung an
einem Wachsmedaillon bos-
siert. Durch den Vergleich
mit einer Medaille und durch
die Daten einer Inschrift, die
als Entstehungszeit des Bild-
nisses das Jahr 1564 angibt,
ist es möglich gewesen, in
der Person des Dargestellten
mit großer Wahrscheinlich-
keit den aus Mecheln stam-
menden, hauptsächlich in
Antwerpen, später auch in
Spanien und in Rom tätigen
Bildhauer Gugliel.mus
von den Broeck genannt
Paludanus nachzuwei-
sen, von dem uns nur eine
einzige Arbeit bekannt ge-
worden ist, die sich im
Österreichischen Museum für
Künst und Industrie in Wien
befindet: die merkwürdig

naturalistische Teracotta-
Statuette des geschundenen
heiligen Erasmus aus dem
Jahre 1569, eine höchst kunst-
fertige Muskelstudie. Der
Maler des Porträts ist nicht mit Sicherheit fest-
zustellen, jedenfalls ist es ein Antwerpener, der dem
bekannten und seltenen Bildnismaler Willem Key nahe
steht; nach dem Wortlaut der Inschrift wäre aber auch
denkbar, daß es sich um ein Selbstporträt des Bildhauers
handelt, von dessen malerischer Tätigkeit wir freilich
keinerlei Kunde haben.

Ebenfalls der vlämischen Schule, wenn auch einem
vorgerückteren Stile, gehören zwei vortreffliche kleine
Landschaften mit Staffage von der Hand von Rubens
bekanntem Mitarbeiter Jan Brueghel d. Ä., dem
sogenannten Sammtbrueghel, an. Dieser im Kleinen
große Meister war bisher in der Gemäldegalerie durch

eine Reihe von figürlichen Darstellungen, teils religiösen,
teils profanen Inhaltes, Blumenstücken und reinen Land-
schaften vortrefflich vertreten; doch fehlten noch die für
seine Kunst sehr bezeichnenden staffierten Land-
schaften, an denen z. B. die Dresdner und die Münchner
Galerien besonders reich sind.

Die besten neuen Stücke, die aus der vor
einigen Jahren aufgelösten bekannten Sammlung des

Herrn Carl von Hollitscher in Berlin stammen,

runden die Vorstellung von seinem Stil ab und
sind ausgezeichnete Beispiele dieser Art: in dem einen
blicken wir auf eine links von einem Wirtshaus, rechts
von einer Windmühle begrenzten Dorfstraße mit Reitern,

Bauersleuten verschiedenen
Geschlechts und Alters, Reise-
und Lastwagen, Haustiere,
wie Pferde, Kühe, Schweine,
Hühner, Gänse usw.; im
Hintergrund ein reizvoller
Ausblick auf die bläuliche
Ferne. Es ist eines der
frühesten Beispiele der an-
heimelnden Poesie der Straße,
die in der holländischen Kunst
des siebzehnten Jahrhunderts
ein höchst beliebter Vorwurf
gewesen ist. Ähnliches und
doch reizvoll Verschiedenes
bietet das mit dem Namen
des Künstlers und der Jahres-
zahl 1603 versehene Gegen-
stück: eine vielleicht noch

anmutigere Aussicht über eine
mit hohen Bäumen be-
wachsene Anhöhe, von der ein
Bauerngefährt herab und dem
Beschauer entgegen fährt,
dazu ein Reiter und rastende
und wartende Landleute, da-
hinter eine im Dunst der
Morgensonne wallende, weite
blaue Talferne — das Ganze
ausgezeichnet durch den
mit feinstem Geschmack
gewählten Naturausschnitt
und, ebenso wie das
mit liebevollster Feinheit durch-

Verhältnismäßig groß ist die Bereicherung der Ab-
teilung holländischer Gemälde des siebzehnten Jahr-
hunderts, die ja bekanntlich infolge der historischen
Entstehung der Wiener Galerie in der Zahl nicht sehr
beträchtlich, wenn auch an künstlerischem Wert nicht
arm ist. Als Vermächtnis des bekannten Wiener Kunst-
sammlers Ludwig Lobmeyr ist ein Werk des hervor-
ragenden Landschaftsmalers Salomon Ruisdael,
des Onkels des berühmteren Jakob Ruisdael, in die Samm-
lung gelangt, in der Salomon bisher nur durch eine
interessante Jugendarbeit, eine Winterlandschaft mit reicher

Hans Holbein d. Ä., Maria mit dem Kinde.

Wien, Gemäldegalerie.

andere Bildchen
geführt.

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