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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Novemberheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [1]: Buchkunst und Liebhaberausgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0104

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sechzehnten Jahrhundert an die Stelle des Holzschnittes
tretend, dessen rasche ästhetische und technische Vergröbe-
rungen ihm jetzt eine bescheidenere Rolle als Buch-
schmuck und erläuternde Illustration zuwiesen, hatte auch
nur die Absichten, Buchbilder reinlichster Art zu liefern.

Sein Vorzug dafür war, abgesehen von der leichteren
Möglichkeit, Einzelheiten wiedergeben und das Bild aus-
dehnen zu können, vor allem der einer weiterreichenden
Druckfähigkeit der nachzuarbeitenden Platten. Ludwig XIV.
und die ihm nachahmenden Fürsten bedienten sich seiner
für jene großen Bilderwerke, die ihrer höfischen Reprä-
sentation dienen sollten und die mit verwandten umfang-
reichen Kupferstichwerken vielfach wissenschaftlicher Art
der von vornehmen wohlhabenden Buchfreunden aus-
gegebenen Liebhaberauflage ein neues Wirkungsfeld er-
schlossen. Auch diese Prachtwerke erschienen häufig
als Privatdrucke, nicht weil eine größere Auflage technisch
nicht herzustellen gewesen sein würde, sondern weil
man die Herstellungskosten nicht noch mehr vergrößern
wollte, vor allem aber, weil man die Bücher nur aus-
erwählten Empfängern überlassen, sie dem Handel, den
beliebigen Käufern, entziehen wollte. Als elegantestes
Buchschmuckmittel ist der Kupferstich für das Pariser
Rokokobuch, das bald überall es verbreiternde und es
meist auch vergröbernde Nachahmungen fand, der haupt-
sächlichste Träger einer Buchkunstzeit geworden, die in
ihren vornehmsten Schöpfungen durch das beabsichtigte
Zusammenklingen aller buchgewerblichen Leistungen von
der Arbeit des Papiermachers bis zu der des Buchbinders
eine Höhe erreichte, die man vorher für einen ganzen
Auflagendruck und seine geschäftsmäßige Verwertung
nicht gesucht hatte, die aber trotzalledem den Gegensatz
zwischen (Buch) Hoch- und (Kupferstich) Tiefdruck nicht
gänzlich ausgleichen konnte. Als Liebhaberauflagen ge-
plant und geschäftlich vorbereitet, sich an Kreise wen-
dend, deren feiner Kunstgeschmack geschult war, haben
die hervorragendsten livres ä figures schon in ihrer Ent-
stehungszeit mit Sammlern gerechnet (und die Sammler
späterer Zeit konnten an exceptionellen Exemplaren noch
andere Vorzüge des Sammlerstückes wie der Abstammung
aus bedeutendem Vorbesitz, den alten Maroquineinband, den
ein berühmter Buchbinder geschmückt und mit seinem
Namenschildchen gezeichnet hatte, hinzufügen). Man
begrenzte die Auflage, um allen Abzügen der Stiche eine
gewisse Abzugsgüte vorzubehalten, womit dann auch der
Reiz der Seltenheit verbunden wurde. Man gab den-
jenigen Exemplaren, denen die besten, frühesten Abzüge
der feinen Radierungen oder Stiche eingefügt waren, eine
sie hervorhebende Ausstattung, indem man sie auf aus-
gewählten Papieren hersteilen ließ, Herausgeber und
Künstler verbürgten sich wohl auch durch Namens-
unterschrift für die Exemplargüte, die Zählung der Ab-
züge, die früher schon ein Mittel gewesen war, um bei
Privatdrucken den Verbleib aller Exemplare bequem ver-
folgen zu können, durfte gleichfalls der Exemplarkenn-
zeichnung sinngemäß nutzbar gemacht werden. Und
schließlich verfielen die Sammler, nach dem Beispiel, das
ihnen die Blättersammlungen gaben, auch darauf, die
Ätzdrücke, die den Fortgang einer Radierung verfolgen

ließen, die Künstlerdrucke, die womöglich noch Ände-
rungen oder Randeinfälle hatten, aus Kunstinteresse oder
Sammlerehrgeiz, der Vollständigkeit wegen, beizufügen.
Eine Übung, der nun die Stecher und Verleger auch
ihrerseits entgegen kamen, indem sie Folgen vor der
Schrift, womöglich mit aufgedeckten Stellen der galan-
testen Stiche, verkauften. So nahm damals die Lieb-
haberausgabe und in Verbindung mit ihr die Vorzugs-
ausgabe die Gestalt einer Luxusedition an. Aber doch
immer noch einer Luxusedition, deren Überfluß irgend-
welche Vorzüge des Druckwerkes veranlaßt hatte und
die Preishöhe aus der Werkgüte begründen konnte. Als-
dann ein Jahrhundert später die Luxusedition in Paris
von neuem ein buchgewerbliches Geschäft wurde, knüpfte
man zwar mühelos an die bewährte Tradition an, in-
dessen mehr äußerlich als aus inneren Bedürfnissen.
Bereits in der kurzen neuen Blütezeit des Buchholz-
schnittes, die in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr-
hunderts mit einem Tiefstände der Kunst im Buchdruck
zusammen gefallen war, hatte man wohl einige Abzüge
auf dem saugfähigen chinesischen Papier genommen und
damit die Holzschnittschärfe steigern wollen. Aber diese
kargen Vorzugsausgaben wendeten sich doch nur an einzelne
Kenner und wurden ohne rechtes technisches Verständnis
besorgt (wovon die Stockflecken in den meisten jetzt
sehr teueren Chinaexemplaren jener Bücher zeugen). Die
Drucker der Griffelkunstblätter der modernen seit den
achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in immer
größerer Zahl erscheinenden französischen Prachtwerke
steigerten seit den achtziger Jahren des neunzehnten Jahr-
hunderts die artistischen und technischen Vorzüge ihrer
Blätter weiter und weiter zu einem Raffinement, das
häufig hinreißend wirkt — solange die Betrachtung dem
Blatte allein und nicht auch seiner Buchbildeigenschaft
gilt. Denn um die Vereinheitlichung des Buchkunst-
werkes waren und sind die französischen Luxuseditionen
weit weniger besorgt gewesen und der Textdruck blieb
bei ihnen (mit wenigen rühmlichen Ausgaben) etwas
nebensächliches. An und für sich anständig, von guter
Tradition, aber durchaus nicht von dem Bestreben ge-
leitet, den Bestandteil des Buchbildes als das zu ver-
werten, was er seiner Absicht nach sein sollte, ein
Buchteil. Der vorwiegend graphischen Orientierung, die
Bildermuseen in Buchform herstellte, entsprach die ge-
schäftsmäßig nüchterne Auflagenteilung, die buchgewerb-
liche Gründe wenig bestimmten, wenn sie auch, dank
der ausgebildeten graphischen Drucktechnik, die Vorzugs-
ausgaben noch mit wirklichen Vorzügen ausstatteten.

Die allerersten Ausgaben, auf einem besonders kostbaren
Papier, erhielten die meisten Beigaben, Handzeichnungen,
schon im Hinblick auf die Ausgabenhöhe hergestellte
Künstler- und Zustandsdrucke, Andrucke der Holzschnitte,
Abzüge in verschiedenen Farben usw. usw., in allmählichen
Abstufungen der teuersten Vorzugsausgaben bis zu der
gewöhnlichen Auflage mit der einfachen, einmaligen
Bilderfolge. Alles das, was früher den Sammler gereizt
hatte, aus den zufälligen Ergebnissen der allmählichen
buchgewerblichen und buchkünstlerischen Entstehung
eines von ihm als schön geschätzten Buches mühsam

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