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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Novemberheft
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Müller, Egon: Gefälschte Spitzwegs in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0120

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mir zum Mindesten recht eigenartig und grob vorkamen.
Als nun nach einigen Tagen trotz meines Hinweises, der
gefälschte „Uhde“ als echt, für 2900.— Mark versteigert
wurde, sprach ich mit einer Hamburger auf dem Kunstge-
biet sehr gut beschlagenen Persönlichkeit, die mir vor
allem mitteilte, daß die beiden „Spitzwegs“, (Aus alter
Zeit für 10.000.—, die beiden Lerchen für 11.000.— Mark
versteigert) ebenfalls mit Bestimmtheit Fälschungen seien,
und daß nachgemachte Spitzweg-Bilder, von bestimmter
Seite in größerer Anzahl angeboten würden. Ich hielt es
nun für angebracht, dieser Angelegenheit auf den Grund
zu gehen, einerseits um den soliden Kunsthandel vor
ungerechter Diskreditierung zu bewahren, andererseits um
nicht nur den Schwindlern das Handwerk zu legen, son-
dern auch um gutgläubige Private vor größeren Verlusten
zu schützen. So fand ich nach ziemlicher Arbeit, im
Laufe eines Vierteljahres, nicht weniger als 16 falsche
„Spitzwegs“, zu denen in letzter Zeit noch einige hinzu-
gekommen sind. Meine Mutmaßungen über die Täter-
schaft erhielt ich jedoch auf das Eklatanteste von einem
angesehenen Hamburger Kunsthändler bestätigt. Diesem
war durch eine Mittelsperson ein „Spitzweg“, von einem
Porträtmaler und Restaurator B. für 45.000 Mark an-
geboten worden, der eine Variation zum Ständchen dar-
stellte und von einem Bekannten für verdächtig gehalten
wurde. Nun wollte es der Zufall, daß der Besitzer eines
guten Hamburger Lokales in das Geschäft kommt und
das Bild als Spitzweg angeboten erhält. Der aber ist auf
das Höchste verwundert: „Was, das soll ein Spitzweg
sein ? Das ist ja mein Bild, welches ich von dem Maler
Pr. vor ein paar Wochen für 300.— Mark gekauft habe.
Das Stück ist erst in meiner Wohnung trocken geworden
und wurde von mir wegen des scharfen Firnisgeruches
zurückgegeben. Drehen Sie es um! Die Rückseite ist dunkel
gebeizt (dies sind fast alle gefälschten Bilder, um das
neue Holz alt aussehen zu lassen), an der einen Seite
sind Kratzstellen und eine abgerissene Etiquette ist eben-
falls vorhanden“. Diese Angaben stimmten! Dann wurde
noch festgestellt, daß das Bild vor einigen Wochen die
Signatur des Malers Pr. getragen hatte, während es jetzt
das Handzeichen Spitzwegs aufwies. — Das Bild wurde
auffallend dringlich zurückgefordert und an den Restau-
rator B. mit dem Bemerken zurückgegeben, es sei zu teuer.

Inzwischen hatte ich mich mit der Direktion der
Hamburger Kunsthalle in Verbindung gesetzt, die
meine früheren Feststellungen als richtig bestätigte, nachdem
ich möglichst viele der geschädigten Spitzweg-Besitzer ver-
anlaßt hatte, ihre Bilder dort einzureichen. Nun fand
sich auch das unter Bedauern schon verloren gegebene
„Ständchen“ wieder ein, denn dieses war in der Zwischen-
zeit, Herrn von M. (Hochfeudal, Monokel, Chrysanteme,
Gönner des Restaurators B.) einem Wandsbecker Herrn
für 55.000 Mark angeboten worden, der schließlich
zum Ankauf Lust bekam, als der Preis um nicht weniger
als 30.000 Mark, also auf einen Betrag von 25.000
Mark ermäßigt war. Um aber sicher zu gehen, war
dieser Herr so vorsichtig, sich das Bild für einen Tag
zur Ansicht auszubitten, und wandte sich durch einen
glücklichen Zufall zwecks Begutachtung an den oben er-

wähnten Kunsthändler, der mich hiervon sofort benach-
richtigte. Das Bild wurde eiligst zur Kunsthalle geschafft,
wo aber am nächsten Tage der Herr von M. erschien
und gebieterisch sein Eigentum zurückforderte: „Fäl-
schung lächerlich — alter Familienbesitz —, ganz erst-
klassiges Stück!“ Ein juristischer Grund zur Zurückhal-
tung lag leider noch nicht vor; das Stück mußte wieder-
um ausgeliefert werden; aber von der Kunsthalle wurde
die Staatsanwaltschaft benachrichtigt. Jetzt suchten 2
Kriminalbeamte den Herrn „Baron“ auf (Angestellter
eines Warenhauses —, mäßige Geschäftsstraße, 2 Treppen
—, Chambre garni). Dieser war anfangs empört, wollte
das Bild schon zur Post gebracht haben, fand es aber
nach deutlichem Zureden in seinem Kleiderschrank und
der „Spitzweg“ wurde beschlagnahmt.

Jetzt liegt ein ausführliches Geständnis über alle
Einzelheiten und die inneren Zusammenhänge der Ange-
legenheit vor, welches erschreckend weite Kreise zieht
und das ich, ohne der Staatsanwaltschaft vorzugreifen, noch
nicht bekanntgeben kann.

Die Fälschungen sind für den Kenner ziemlich
leicht zu entdecken. Gewöhnlich ist auf dieser Nach-
ahmung eine Partie aus einem echten Spitzweg genau
kopiert, häufig unter Benutzung der farbigen Kunstblätter
von E. A. Seemann, wie zum Beispiel beim „Flötenkon-
zert“, welches gleich in drei Exemplaren auftauchte, der
blasende Biedermeier-Herr. Die Pinselführung ist nicht
ungeschickt, läßt aber die feine, sichere Behandlung
Spitzwegs vermissen; die Farbgebung ist zu plump und
besonders die blauen Tönungen sind mit einem über-
trieben grünlichen Einschlag gearbeitet, um der Farbe
ein altes Äußere zu geben. Bei vielen Stücken ist der
blanke, neue Firnis stumpf geschliffen und das völlig
frische Holz mit Beize angestrichen, denn Meister Spitz-
weg ist bereits 1885 gestorben, in welcher Zwischenzeit
das Holz nicht nur an der Oberseite schmutzig wird,
sondern auch im Innern, durch Austrocknen der Säfte,
eine mattere und allmählich dunklere Färbung erhält. Die
auffallend häufigen Angebote wurden manchmal mit den
augenblicklich hohen Preisen begründet, die Bilder
stammten oft aus altem Besitz einer hochadeligen Familie,
manchmal auch von einer entfernten Verwandten Spitz-
wegs. Die Sachen sind fast ausnahmslos von dem
Maler Pr. hergestellt, der sie aber mit seiner Signatur
für wenige hundert Mark oder noch geringeres Geld an
das Konsortium verkaufte. Der Vertrieb wurde dann
nach Änderung des Handzeichens, von dem Herrn von M„
dem Restaurator B., zwei Händlern und einer anderen
Firma besorgt. Auffallend echten Bildern gegenüber,
waren auch die sehr bedeutenden Preisreduzierungen.

Es steht noch nicht fest, wieviele Fälschungen außer
den bisher entdeckten etwa 10 Stücken, in den Verkehr
gebracht sind und bis zu welcher Höhe die Geschädigten
eine Rückzahlung erlangen können. Es zeigt sich aber
immer wieder, daß diejenigen, die Wert darauf legen,
eine gute Gemäldesammlung zu besitzen, nicht ohne den
Rat eines Sachverständigen einkaufen sollen, da die Ge-
fahr einer Täuschung oder Übervorteilung, sei sie vom
Verkäufer gewollt oder ungewollt, leider sehr erheblich ist.

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