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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Schmitz, Hermann: Deutsche Lackmalereien der Biedermeierzeit, [1]: die Manufaktur von Stobwasser in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0141

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Abb. 11. Bildnis Christian Heinrich Stobwassers.

Bes. Herr Hans Stobwasser.

nach Berlin gebracht haben. Guerin zog auch mehrere
der besten Arbeiter aus Braunschweig nach Berlin.
Ihren großen Aufschwung nahm die Berliner Anstalt aber
erst, als Johann Heinrich Stobwasser sie auf
Veranlassung des Ministers von Struensee im Jahre 1797 —
nach dem Tode Gu6rins und des älteren Chevalier —
übernahm. Also im Jahre der Thronbesteigung Friedrich
Wilhelm III. und der Königin Luise, das gewissermaßen
überhaupt den Beginn der Blütezeit des bürgerlichen
Klassizismus in der Berliner Kunst bezeichnet. Fast die
Hälfte der Braunschweiger Arbeiter wurden nach Berlin
übersiedelt, nicht nur Lackierer, auch Klempner, Zinn-
gießer und Maler. Im Kriegsjahre 1806 hatte die Fabrik
bereits über 60 Arbeiter, eine Malerschule, eine solche
für Verzierungen und Vergoldungen, eine Anstalt für
Herstellung von Weißblecharbeiten. Ihre Erzeugnisse —
Platten, Ofenschirme und Dosen fanden die Bewunde-
rung der französischen Offiziere und wurden ebenso wie
die Berliner Eisengüsse als Proben mit nach Paris ge-
nommen.

Im Jahre 1810 trat Joh. Heinrich Stobwasser die
Fabriken in Braunschweig und Berlin an seinen Sohn
Christian Heinrich ab. Dieser war nach einer
gründlichen Erziehung in der Herrenhuter Anstalt Klein-
velcke im Jahre 1804 in England gewesen und seit dem
Jahre 1808 bereits mit der Führung der Geschäfte betraut
worden. Mit ihm beginnt die Blütezeit der Berliner
Fabrik. Sie legt sich nun vor allem auf die Herstellung
feinerer Kunstarbeiten, und überläßt die einfacheren
Gebrauchswaren dem Braunschweiger Mutterhaus. Nicht
allein Zimmerschmuck und Gerät aller Art wurden erzeugt,
auch größere Arbeiten wurden gewagt; so ist uns be-
schrieben ein schöner Bettschirm mit fünf Flügeln, An-
sichten des Vesuvs und Allegorien auf den Schlaf dar-
stellend in Lackmalerei für das Kgl. Schloß von der
Königin Luise bestellt, ferner ein Kaminschirm von drei

nach Berlin gezogen und als königlichen Lackierer privi-
legiert; er wies ihm ein Wohn- und Fabrikhaus und eine
jährliche Pension von 600 Thalern an. Der König, der
wie es scheint, den Joh. Heinr. Stobwasser selbst nach
Berlin hatte ziehen wollen, wie er ja in den Jahren nach
dem Hubertusburger Frieden Künstler aller Art, vor-
nehmlich Tischler nach Berlin berief, erteilte dem Guerin
im Jahre 1773 ein Privileg. Guerin erhielt die Konzession
zur Etablierung einer „Lacquirfabrique allhier auf seine
Kosten nach Englischer (!) Art auf Papiermache en petit
volume als Tische, Consoles, Spiegelrahme, Toilettes,
Tabattieres und dergleichen.“ Es wird ihm gestattet, in
Lack zu malen „nicht nur auf jede Tischlerarbeit, sondern
auch auf Kupfer, Eisen, Leder und Holz, mit einem von
dem Entrepreneur selbst zu präparierenden feinen Eng-
lischen (!) Lack, welcher so wenig durch Feuer als
Wasser aufgelöst werden kann.“ In seiner Fabrik soll er
„die sonst in Braunschweig, Frankreich und England an-
gefertigte Arbeit“ herstellen. Der König läßt ihm

150 Reichsthaler Mietbeihilfe aus der Manufakturkasse
zahlen. Er gestattet ihm ausländische Ouvriers heran-
zuziehen, auch Künstler und Gesellen zu engagieren,
ohne gebunden zu sein, sie von den Berliner Gewerken
zu nehmen, da er dargetan, daß er zu verschiedenen
Arbeiten, besonders zu der Drechslerarbeit keine Arbeiter
bei den Gewerken finden könne. Guerin erhielt die
Stelle eines zweiten Hoflackierers mit einer Pension von
300 Thalern und teilte sich, wie es heißt, mit Chevalier
in den Arbeiten der Kgl. Schlösser, wo sie vornehmlich
Paneele zu lackieren hatten.*) Gu6rins Frau, die
Schwester Joh. Heinrich Stobwassers, soll eine sehr ge-
naue Kenntnis im Lackieren und in der Herstellung aller
Lackarbeiten, worin sie von Jugend auf geübt war, mit

*) Vgl. zum Folgenden auch: Heinrich Weber, der vater-
ländische Gewerbefreund Berlin 1820, 2. Bd.

Abb. 5. Vase aus dem
Musterbuch von Stobwasser.

Abb. 6. Teekanne aus dem
Musterbuch von Stobwasser.

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