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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [2]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0233

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gedruckten als die dem eigenen Geschmack ihres Her-
stellers gemäßen einen höheren Rang einnehmen. Alle
aber sind sie mit der größten Sorgfalt ausgeführt und
auch ihre Ausstattung mit Buchschmuck (die dann leider
späterhin die bedauerlichen Buchschmuckverirrungen ver-
anlaßt hat), mit Randleisten und Zierbuchstaben reiner
Schwarz-Weiß-Wirkung brachte mit einem Male die
längst verdorbene und vergessene Miniaturenkunst des
Buchdruckers wieder zu vollen Ehren. Das Hauptwerk
der Keimscott Press ist die berühmte Ausgabe von
Chaucers Werken (1896), ihr Gegenstück, eine Froissarf-
ausgabe ist nur mit den ersten 16 Seiten fertig geworden.
Nach Morris Tod ist sein Typenmaterial einer besonderen
Verwaltung unterstellt worden, während die von ihm be-
nutzten Holzschnittstöcke an das British Museum zur
Aufbewahrung übergeben wurden.

Aus den Beständen der geschlossenen Keimscott Press
erwarb C. R. Ashbee zwei Druckpressen und auch Druck-
schriften, soweit sie verkäuflich waren. Damit und mit einer
Caslon Type begründete er 1898 seine Essex House
Press, für die er noch 1901 seine „Endeavour Type“ und
1903 seine „Prayer Book Type“ zeichnete, ln der langen
Liste ihrer Veröffentlichungen stehen viele anerkennens-
werte Werke, aber keines von überragender Bedeutung
verzeichnet. Der Erbe der Morris-Überlieferung wurde
nicht die Essex House Press sondern dieDoves Press,
obschon ihre Drucke nicht durch Ähnlichkeit des Aus-
sehens, sondern durch die innere Gesinnung, die sie
hervorrief, der Keimscott Press verwandt waren Über-
blickt man das jetzt abgeschlossene Werk der Doves
Press, das kaum ein halbes Hundert Meisterwerke des
englischen und deutschen Schrifttums umfaßt und das
auch, allen Kriegsstimmungen zum Trotz, die Reihe der
deutschen Drucke, so wie sie von seinen Urhebern vor-
gesehen war, zum Abschluß brachte, dann darf man ihm
den Ruhm nicht versagen, für alle Zeiten eine Höchst-
leistung dessen geworden zu sein, was wir die Kunst im
Buchdruck in ihrer reinsten Gestaltung nennen können.
Einfach bis zur Einseitigkeit, allen Bild- und Buch-
schmuck verschmähend, von Eleganz und Popularität
gleich weit entfernt, ist die Doves Press eine vornehme
Werkstätte gewesen, in der kein Künstler herrschte,
sondern das Gebot des guten Werkstückes. Emery
Walker, der 1909 ausschied, und Cobden-Sande r-
s o n, der auch um die Einbandkunst hochverdiente
Buchkünstler, hatten für ihre Druckschrift diejenige des
venetianischen Meisterdruckers Jenson zum verbesserten
Vorbilde genommen; bereits ihr erster, 1901 veröffent-
licher Druck (Cornelii Taciti de Vita et Moribus Julii
Agricolae über) war ein Werk fast ohne Fehl und Tadel.
Ihm folgte die Bekenntnisschrift T. J. Cobden-Sandersons
zur aufrichtigen buchgewerblichen Arbeit (The Ideal Book
or Book Beautiful. A tract on Calligraphy, Printing and
Illustration, and on the Book Beautiful as a Whole. 1901),
dem sich, um wenigstens einige Hauptstücke anzuführen,
die schönsten Drucke des Paradieses Miltons (1902—1905),
der englischen Bibel (1903—1905), von Werken Goethes
(seit 1906) und Shakespeares (seit 1909) anschlossen,
die wir haben.

Lesser Ury Im Kaffee

Aus Strucks „Die Kunst des Radierens“

Paul Cassirer, Berlin

Die Erfolge der Keimscott Press bestimmten einen
Künstler, der sich schon vor ihrer Begründung als Buch-
künstler hervorgetan hatte, CharlesRicketts, Drucke
unter seiner Leitung zu veröffentlichen, die er als Aus-
gaben der Vale Press bezeichnete und für die er nach
alten venetianischen Vorbildern eine Schrift geschaffen
hatte, die von der Avon Schrift und der Kings Schrift
später ergänzte Vale Schrift. Alle von 1896 bis 1904 er-
schienenen Ausgaben der Vale Press sind unter seiner
Aufsicht von der Balantyne Press gedruckt worden.
Auch die meisten von ihm benutzten Holzschnittbilder
und Holzschnittbuchverzierungen sind von C. Ricketts
selbst ausgefürt worden. Ihre Stöcke wurden großen
Teils bei einem Brande der Balantyne Press vernichtet,
während nach der Auflösung der Vale Press deren Druck-
schriften und ihre Formen zerstört wurden. Ein anderer
Künstler, Lucien Pissarro, (Epping, Bedford Park,
dann Brook, Chiswick), hat anfangs für seine 1894 ge-
gründete Eragny Press ebenfalls Ricketts Schriften
benutzt und erst 1907 seine eigene „Brook“ Letter in
Gebrauch genommen. Seine Arbeiten sind dadurch aus-
gezeichnet, daß sie von ihren Entwürfen bis zu ihrer
Vollendung ganz und gar das Werk seiner eigenen Hand
sind, er hatte als Helferin nur seine Frau Esther. Eine
andere Eigenart der Eragny Press Drucke ist ihre Viel-
farbigkeit, die Benutzung der Farbenverschiedenheiten
zur Vervielfachung der typographischen Ausdrucksmittel.

(Fortsetzung folgt.)

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