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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [2]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0232

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Hermann Struck Bildnis Einsteins (Probedruck)

Aus Strucks „Die Kunst des Radierens“

Paul Cassirer, Berlin

William Morris ausgehenden Buchdruckkunster-
neuerung kennzeichnen. 1888 darf man das Anfangsjahr
des Revival of printing nennen. Im Kataloge der von
der „Arts and Crafts Exhibition Society“ im Herbste
dieses Jahres veranstalteten Ausstellung, wurde die Kunst
im Buchdruck von Emery Walker programmatisch
behandelt. Und 1888 und 1890 wurden dann unter
dessen und Morris Leitung drei Bücher von der Chiswick
Press gedruckt, als die ersten Proben der wiederbelebten
großen Kunst der Wiegendruckzeit, ein Werk in der
Buchdruckform zu gestalten und nicht bloß herzurichten.

Die Buchdruckerfindung hatte, obschon die Buch-
handschrift noch lange das unmittelbare Vorbild der
Wiegendruckzeit gewesen war, allmählich die Buch-
schreibekunst verloren gehen lassen, wenigstens mit ihrer
hauptsächlichen Zweckbestimmung der Buchvervielfälti-
gung. William Morris, der von neuem an diese für das
gedruckte Buch notwendige Tradition anknüpfte, hat nicht
nur als Kenner und Sammler alter Handschriften sein
Auge geübt, er hat auch die Handfertigkeiten der alten
Buchschreiber sich zu eigen gemacht und sich schon
viele Jahre in der Buchkalligraphie und Buchminiatur
geübt, als er seinen Plan einer Buchdruckerei verwirk-
lichte. Und auch dieser Plan entstand nicht aus dem
zufälligen Bedürfnis, über eine Privatpresse verfügen oder
„Vorzugsausgaben“ herstellen zu können, sondern stand
in den engsten Beziehungen zu dem Gesamtschaffen und
der Weltanschauung des Mannes, dessen Leistungen nach
seinem vollständigen Werk, nicht lediglich nach seinen

Druckerzeugnissen, eingeschätzt werden wollen. Woran
zu erinnern ist, weil eine allzu einseitige Beurteilung
der Druckerei, die sich Morris 1891 als Keim scott
Press in seinem Keimscott House No. 15 Upper Mall,
Hammersmith gründete, leicht Mißverständnisse veran-
lassen würde. Vorher hatte Morris schon eine ganze
Reihe von Experimenten gemacht, mit den vorhandenen
buchgewerblichen Einrichtungen des Handels auszu-
kommen und erst als diese mißlangen (einzelne der derart
entstandenen Bücher sind von Morris niemals veröffent-
licht worden) ging er noch wenige Jahre vor seinem
Tode daran, sich eine Druckerei großmöglichster Leistungs-
fähigkeit zu schaffen. Die Privatpresse war ihm also
keineswegs das Ideal sondern ein Notbehelf und die Be-
deutung, die sie im allgemeinen bis dahin auch in Eng-
land hatte, die einer nicht für den Handel arbeitenden
Druckerei, beabsichtigte er nicht ihr zu geben. Er hat auch
seinen Drucken gar nicht die Merkmale von für einen
engeren, erwählten Kreis hergestellten Privatdrucken ver-
leihen wollen, sondern sie bekamen manche dieser Merk-
male durch die notwendige Art ihrer Herstellung. Wenn
daher jetzt in Deutschland mit der Bezeichnuug Privat-
druck und Privatpresse auch da sehr gern Ausgaben em-
pfohlen werden, wo diese weder eigentliche Privatdrucke
noch in einer Presse entstanden sind, so biaucht man sich
für ihre Beurteilung nur zu vergegenwärtigen, was denn
eigentlich Morris mit dem in England selbstverständlich
sehr viel geläufigeren Namen einer Presse bezeichnen
wollte: nämlich eine Buchdruckerei, deren Einrichtung
auf Höchstleistungen der Kunst im Buchdruck ausgeht
und die deshalb, nur deshalb, sich nicht ohne weiteres
den auf anderen ökonomischen und technischen Grund-
lagen aufgebauten Buchdruckereibetrieben einfügen kann,
sondern von ihnen getrennt bleibt. Ob die Einrichtungen
einer solchen Presse mit denen eines anderen Buch-
druckereibetriebes räumlich verbunden sind (zum Bei-
spiel verfügen ja größere Buchdruckereien auch über
gute Handpressen) oder nicht, ist für ihre Leistungs-
fähigkeit nicht bestimmend. Vielmehr noch als auf die
mechanischen Hilfsmittel und die in der Presse verwen-
deten Druckschriften, Druckfarben und Druckstoffe kommt
es auf die Geschicklichkeit und die Gesinnung der für
eine Presse arbeitenden Werkleute an. Sie sind es, auf
denen die Leistungsfähigkeit der Presse letzten Endes
beruht und insofern ist auch der für Abzüge von Griffel-
kunstblättern leichter verständliche Künstlerdrucknamen
mit Recht auf diejenigen Buchdrucke zu übertragen, die
ihn nach ihrer Entstehung und ihren Gehalt verdienen.
Aber nur auf diese und ausschließlich auf diese.

Die Keimscott Press, die drei verschiedene von Morris
entworfene Druckschriften einführte (eine Gotisch in zwei
Graden, die „Troy Type“, gezeichnet für den Neudruck
von Caxtons Recuyell of the Histories of Troy und die
„Chaucer Type“ für die große Chaucer-Ausgabe und
dazu die weit weniger gelungene Antiqua „Golden Type“
für den Neudruck von Caxtons Golden Legend) hat in
den sieben Jahren von ihrer Begründung bis zu ihrer mit
Morris Tod (1896) erfolgten Auflösung (1898) 57 Bücher
hergestellt, unter denen die in den gotischen Schriften

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