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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [2]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0231

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der Buchdruckfabrikation bis zu allen ihren technischen
Grenzen anzudeuten) eine ausgezeichnete Pflegestätte
fand. Er begann 1797 die Ausgabe illustrierter Bücher
und hat in der Ausführung der (durch Bewick zu ihrer
alten Gebrauchsgüte wieder erneuten) Buchholzschnitte
einen wohlverdienten Ruf erworben. Da er seit 1811
selbst den nach Chiswick verlegten Teil seiner Druckerei
leitete, ist diese als Chiswick Press am bekanntesten
geworden. Sein 1795 geborener Neffe, Charles Whit-
tingham der jüngere, war von 1810 bis 1828 bei seinem
Onkel tätig gewesen. Als er dann eine eigene Buch-
druckerei eröffnete, konnte er, insbesondere auch durch
seine Verbindung mit dem Verleger William Pickering,
ihr einen raschen Aufschwung geben. 1840 erbte der
jüngere Whittingham die Chiswick Press, für die er be-
reits vier Jahre später Bestrebungen einleitete, durch eine
Druckschrifterneuerung die Druckgüte zu heben. Er
hatte erkannt, daß der Buchpomp, den Baskerville, später
Bodoni und die Didotdruckerei zu entfalten gelehrt hatten,
auch eine Schriftüberfeinerung veranlaßt hatte, die der
Gebrauchsgüte, der Lesbarkeit, widersprach. Um glän-
zende Buchseiten zu erhalten, überlichtete man sie und
die „eleganten“, großen und schlanken Buchstaben sollten
aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sich doch auch wieder
auf engerem Raum zusammenschließen. Der Anlaß eines
Auftrages gab die Gelegenheit zur Anwendung der alten,
derberen, rundlicheren Schrift und die beste der Caslon-
schen Druckschriften, die jetzt sogenannte old faced type
bewährte sich vorzüglich. Daneben suchte der jüngere
Whittingham die alten Zierbuchstaben wieder einzuführen,
indem er nach französischen Vorlagen des sechzehnten
Jahrhunderts Initialen schneiden ließ, deren Anwendung
freilich ihnen angemessene Schriften voraussetzte und
deshalb durchaus nicht immer glückte. Jedenfalls aber
hatte die Chiswick Press um 1850 das Verdienst, außer
der exakten Typographie auch die typographische Aesthetik
zu pflegen und ihre dahingehenden Versuche dürfen,
obschon sie nicht zur Vollendung führten, Anerkennung
finden. Man berücksichtige weiterhin, daß das englische
Durchschnittsbuch jener Tage trotz aller geschäftsmäßigen
Nüchternheit immerhin das Buch als Gebrauchsgegen-
stand auf einer gewissen Höhe seiner Leistungsfähigkeit
zu halten versuchte. Gewohnheiten wie diejenigen des
einfachen Leinen-Verleger-Bandes, der nicht höher hinaus
wollte als es ihm seine technischen Möglichkeiten zu-
ließen und der bloß ein vorläufig lesefertiges Buch zu
liefern strebte, wobei dann der unbeschnitten in die
Decke gehängte Buchblock mit der Erhaltung des Papier-
randes auch die Spiegelwirkung wenigstens nicht verdarb,
trugen ihrerseits ebenfalls einiges dazu bei, daß wenig-
stens das bessere englische Buch des neunzehnten Jahr-
hunderts korrekt blieb, obschon es nicht als Beispiel der
Kunst im Buchdruck gedacht und hingenommen wurde.
Daß diese merkantile Leistungsfähigkeit aber die Lösung
höherer künstlerischer Aufgaben nicht bezwingen konnte,
beweisen die in den sechziger Jahren ausgegebenen, daher
als The S i x t i e s berühmten Bücher mit ihren von her-
vorragenden Zeichnern gelieferten Holzschnitten. Auch
bei ihnen ist, wie bei ihren französischen und deutschen

Vorläufern aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts Xylo-
graphie und Typographie noch zu keiner engerer Ver-
bindung gelangt. Daß jedoch entgegen jener sich auch
in England ausbreitenden Entwicklung der Holzschneide-
kunst, die die malerischen Töne wollte und damit dem
Buche den Holzschnitt entfremdete, eine andere Richtung
dank den neuerfundenen Bildbuchdruckverfahren sich
durchsetzen konnte, die die Federzeichnung vervielfältigten
und damit deutlich die Handschrift des Künstlers in das
Buch hineinbrachten, wäre freilich auch für die Kunst im
Buchdruck wesentlich geworden, wenn diese Richtung
ihr zielbewußt zugelenkt hätte. Aber sie suchte ganz
andere Wege, nämlich diejenigen, die zu einem „volks-
tümlichen“ Buchschmuck zu führen schienen. Und so
ist Aubrey Beardsleys Schwarz-Weiß-Werk nur
die anregungsreiche Schöpfung eines genialen Illustrators
geblieben, ohne dem Buchbild Englands im neunzehnten
Jahrhundert einen Höhepunkt zu bestimmen. Allerdings
darf man auch die Geschicklichkeit, die Glätte solcher
Federzeichnungen und ihrer Strichätzungswiedergabe nicht
unterschätzen wollen. Sie sind für viele, auch wissen-
schaftliche Schriftgattungen, ein vorzügliches Mittel, das
billige und zweckmäßige Buchbild mit den Forderungen
der Buchschönheit in Einklang zu bringen, ein Mittel,
dessen richtige Anwendung erheblich beachtenswerter er-
scheint als die Anwendung des Wortes „Originalgraphik“
in Druckvermerken und Voranzeigen.

Der Privatdruck, daß heißt die Herstellung einer
Buchauflage, die von ihrem Herausgeber verteilt, aber
nicht im Handel veröffentlicht wurde, hatte im achtzehnten
Jahrhundert die vornehme Mode der eigenen Buch-
druckerei, der Privatpresse, aufkommen lassen. So hatte
Horace Walpole, ohne damit die Buchdruckkunst als
solche fördern zu wollen, auf seinem Landsitze Stawberry
Hill eine berühmte Privatpresse errichtet und im kleineren
Maßstabe wurden derartige Privatpressen von Buch-
freunden auch noch in der ersten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts in den Dienst ihrer literarischen Bestrebungen
gestellt. Solche Beispiele bestimmten die Buchdrucklieb-
haberei des Rev. C. H. 0. Daniel vom Worcester
College in Oxford und führten ihn 1851, 1852, 1856 dazu,
sich als Drucker zu versuchen. Er setzte diese Beschäf-
tigungen mit neuen Versuchen 1874, 1877 und 1880 fort,
bis er dann seit 1881, nachdem eine richtige Buchdruck-
presse aufgestellt war, die Folge der Veröffentlichungen
der Daniel Press durch eine lange Reihe kleiner
Drucke vermehrte. Aber diese Ausgaben der Daniel
Press haben einen weit höheren literarischen (und Rari-
täts-) als typographischen Wert, und die Verdienste Daniels
um die Buchdruckunst beschränken sich eigentlich auf
die Neueinführung (1877) der jetzt von der Clarendon
Press allgemein angewendeten Fell Type. Ebenso wie
die Daniel Press danach strebte, die Ehren ihres Druckes
nur vollwichtigen Werken zu geben, bemühte sich die
1886—1896 von Herbert P. Hör ne und Selwyn
Image herausgegebene Vierteljahresschrift TheHobby-
H o r s e , den gewichtigen Inhalt auch durch bewußte
Sorgfalt der Typographie zum Ausdruck zu bringen.
Versuche, deren Gesinnung sie als Vorstufen der von

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