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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Flensburger Kunstbrief / Die Ausfuhr von Kunstwerken ins besetzte Gebiet / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Schweizerische Kunstchronik / Der Sammlermarkt in Schweden / Vom römischen Kunsthandel / Französische Kunst in Kopenhagen / Neues von den Londoner Galerien / Aus dem Pariser Kunstleben / Die Schönheitswerte der Postmarken / Der Kampf um das Staatliche Bauhaus in Weimar / Aus der Kunstschriftstellerwelt / Künstlertod / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Neues vom Kunstantiquariat / Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0238

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Kuntlausffeüu ngeru

Bcctin.

Diese L e h m b r u c k - Ausstellung bei Cassirer gibt
einen klaren Begriff von dem Gesamtwerk des so früh Dahin-
geschiedenen. Wilhelm Lehmbruck ist am Wege gestorben, mitten
in der Entwicklung, mitten im Sehnen nach neuen Zielen. Noch
war ihm in der Plastik die reichste Vollendung versagt geblieben,
aber es ist doch alles, was seinen Händen und seinem Geiste
erwuchs, in stärkstem Heranreifen gewesen, in sommerlichem
Blühen. Nur in seiner Graphik samt und sonders ist eine
meisterliche Ausgeglichenheit. Er bringt wenig Variationen —
fast immer bloß Köpfe und Akte — aber fast jedes Blatt hat
etwas wie beseelten Rhythmus, verinnerlichte Verzückung. Und
wunderbar weich sind seine Linien. Manchmal silbrig, wie hin-
gehaucht, wie traumhaft. In der Zeichnung nicht minder als in
der Radierung.

Und seine Plastik? Er schuf in einer Art Keuschheit, in
einer Art Scheu vor der eigenen Künstlerschaft. Die ätherische
„Knieende“ von 1911 ist zweifellos ein Hauptwerk. Aber ein Jahr
vorher war in Paris ein weiblicher Torso entstanden, der auf mich
viel künstlerischer wirkt. Und im Relief „Die drei Frauen“ ist
der Ausdruck schärfsten bildhauerischen Sehens. Freilich: Ein-
flüsse aus alten und neuen Kunstwelten sind hier in allem fühlbar.
Bald ist es die Antike, die ihn reizt — siehe die stehende weib-
liche Figur — bald die Renaissance — siehe das Relief Mutter
und Kind — bald die neue französische Plastik. Überall aber
ist wie ein Bangen um die eigene Kraft. Seine „Gestaltungen“
sind oft, wie es sein Biograph Paul Westheim nennt, „unwirklich
in ihrem Emporgeistern über alles gegebene Maß hinaus, in der
häufigen Übersteigerung auch einzelner Teile, aber sie sind nie-
mals unwahrscheinlich“. Und ein kostbares Wort hat der Münchner
Kurt Pfister über Lehmbruck gesagt: „Ein Einzelner, ein Ver-
einzelter hat an der Kathedrale der Zeit, die es nicht gibt, gebaut.
Sein Werk mußte Bruchstück bleiben. Aber es zählt unter die
Bruchstücke, die nicht vergessen werden.“

Bei Nicolai hängen neben Canon und Menzel, Corinth
und Slevogt Arbeiten des westpreußischen Malers Adolf
S c h 1 a w i n g. Das ist einer, der alles malen kann. Und alle.
Springt von Hodler zu Bracht, von Bracht zu Othon Frieß. Und
ist behaglich-dekorativ bis in die Fingerspitzen. Aber neben allen
diesen mit gefügiger Routine kombinierten Akten und Landschaften
fällt ein Kirschblüten-Stilleben auf, das voll ist von vibrierender
Naturechtheit. Hier gibt er Eigenstes.

Adolph Donath.

*

Bei Amsler und Ruthardt stellt die junge Wiener
Graphikerin Klara Ebstein kollektiv aus. Wir kommen auf
diese Ausstellung noch zurück.

*

In der Gemälde-Galerie Gelb ist eine Kollektion von
Waldemar S e w o h 1 - Berlin ausgestellt.

*

Das Künstlerhaus hat jetzt im Februar eine Tierbilder-
Ausstellung (Brandes Freese u. a.). Daneben stehen Kollektionen
von Hans Kloß-Potsdam und Klara Zülzer.

Cbemnit%

Die Kunsthütte veranstaltet im Mai eine große Aus-
stellung von Bildern und Plastiken. Die Verhandlungen über
diese Ausstellung, die im Albert-Museum stattfinden soll, sind
mit dem Deutschen Künstlerbund geführt worden. Anmeldungen
erfolgen bis zum 15. März, Einsendungen bis zum 1. April.

Dcesderu

Wie aus Dresden gemeldet wird, ist vom sächsischen
Wirtschaftsministerium eine Ausstellung von P i li-
tt i t z e r Bildteppichen veranstaltet worden. Die Regierung
wollte ursprünglich im Schlosse zu Pillnitz eine staatliche Manu-

faktur für Bildwirkerei schaffen, kam jedoch von diesem Gedanken
ab, weil sich Professor Wislicenus und Fräulein Bibrowicz mit
ihren Bildteppich-Werkstätten in Pillnitz anzusiedeln gedenken.

Datttrißadh

Im Frühjahr veranstaltet die Stadt Darmstadt gemein-
sam mit der hessischen Regierung eine große Ausstellung
expressionistischer Kunst. Die Ausstellung, die Hof-
rat Stockhusen leiten wird, soll internationalen Cha-
rakter haben.

Düfleldottf.

Bei A. Bagel sieht man eine Serie Radierungen von
Heinrich Otto, Max Clarenbach, F. A. Weinzheimer.
Ein unter dem Titel „Neuzeitliche Graphik“ erschienener, reich
illustrierter Katalog orientiert über die Arbeiten dieser Künstler.

*

ln der Galerie Alfred Fl echt heim sind Ölgemälde und
Lithographien des jetzt in Düsseldorf lebenden Werner Heuser
ausgestellt.

Köln.

Aus Köln wird uns geschrieben: Der Kunstsalon Hermann
Abels zeigt jetzt das graphische Werk von Ernst O p p I e r.
Man kennt die wundervollen Blätter, in denen er das Russische
Ballet verewigte, kennt diese in Ton und Lichtspiel gleich meister-
lich wirkenden Radierungen, doch man weiß den Opplerschen
Darstellungen von der Kunst der Karsavina, des Fokin, des
Nijinsky doch immer noch neue Seiten abzugewinnen. Seine
Graphik hat in ihrer starken Bewegtheit etwas künstlerisch-
geistiges, etwas reizvoll-prickelndes. Auch in Köln wird sich der
Kreis der Freunde der Opplerschen Radierungen gewiß erweitern.

Mann beitn.

Im Kunstverein nimmt diesmal Franz He in-Leipzig
den größten Raum ein. Die Vielseitigkeit seiner Begabung wird
aus über fünfzig Werken, Ölgemälden und Aquarellen, deutlich.
Am stärksten ist die romantische Note in seinem fleißigen
Schaffen betont. Mannigfaltigkeit auch hier: dämmrige Wald-
gründe, verfallendes Gemäuer, Märchenbilder und mit besonderer
Vervollkommnung in Ausdruck und Farbentechnick „Kinder der
Tiefe“, Meerweibchen und Fische. Die geistige Ausnutzung der
Motive könnte gerade angesichts dieser Bilder eher Vergleiche
mit Böcklin als mit Schwind zulassen, doch dünkt mich die Kunst
Heins einer Betrachtungsweise würdig, die sich die Mühe nimmt,
den Gehalt und die Grenzen nur dieses Talents nachzuprüfen.
Wir stoßen dabei auf viele Bilder, die über die Freude an
spielerischer Befreiung gegenständlichen Ausdruckswillens hinaus-
weisen. Das sind Porträts, Interieurs und vor allem Landschaften
mit erschöpfender Wiedergabe eines Stimmungsgehalts, der sich
nur der Auffassung einer stark persönlichen Begabung offenbart,
ln der Gemäldeausstellung der Gebrüder Buck gibt der
heimische Maler W. Oertel Zeugnis von seiner eindrucks-
vollen, starken Kunst. Der Grundzug seines Schaffens ist
Farbe, die sich im Ausdruck mit Bewegung verbindet. Oertel
ist kein Epigone. Seine Malerplatte birgt Geheimnisse, vor
denen wir aber nur insofern fragend stehen, als wir nur
nicht so ohne weiteres hinter das Zustandekommen seiner
unbefangenen malerischen Wirkungen kommen können, diese
selbst jedoch in ihrem vollen Wert als Offenbarungen erkennen.
Wenn die bei Buck ausgestellten Bilder als Gesamtausdruck des
Schaffens Oertels betrachtet werden dürfen, so muß eins mit
überzeugender Deutlichkeit ins Auge springen: die Sicherheit der
Motiv-Wahl, die sich bewußt ihre Grenzen zieht. Nicht jeder
Künstler darf von Grenzen sprechen Der eine wird innerhalb
derselben sich selbst zu kopieren anfangen, und ein anderer wird
einen ewigen Kampf mit den Grenzen führen. Erst ein Dritter
wird die geniale Kraft haben, das zu leisten, was für die Kunst
Oertels charakteristisch ist: er wird innerhalb desselben Motiv-
bereiches den Ausdruck fortwährend zu ändern, ins Bestmöglichste

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