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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
DOI Artikel:
Braun, Edmund Wilhelm: Die Wiener Porzellane der Sammlung Karl Mayer in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0251

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seinen beliebtesten Formen, auf der Vorderseite eines
der dekorativen ostasiatischen Stillebenarrangements aus
Vasen und Blumen, umgeben von einer Umrahmung aus
Laub- und Bandelwerkfriesen, Palmetten und Gitterfel-
dern, alles in den leuchtenden Farben dieser Zeit, wäh-
rend die Rückseite schwarze, chinesische Stauden auf
grünem Grunde zieren, eine aparte Dekorationsweise, die
öfters auf Wiener Porzellanen vorkommt, z. B. auf der
aus der Sammlung Lanna (Katalog Lepke 11 Abb.) ins
Österreichische Museum übergegangenen Tasse. Zwei
gefällige Dreifingervasen, eine offenbar auf ein Delfter
Fayencevorbild zurückgehende Form (Abb. 2 H. 10 cm),
tragen auf der Laibung beiderseits je eine figurale Chinoi-
serie in Lila, Eisenrot, Grün, Blau und Gold, während
um die Mündung sich einfache bunte Barockornamente
ziehen. In der Form nahestehend diesen Vasen ist die
Fünffingervase des Bethnal Greenmuseums, die 1721 da-
tiert ist (abg. Folnesics-Braun S. 7); allerdings sind die
Mayer’schen Vasen wohl erst um 1730 anzusetzen.

In die früheste Zeit der kaiserlichen Verwaltungs-
periode, also etwa in die Jahre 1743—45 führen uns zwei
Paare von vasentragenden Figuren, die beide Meißner
Vorbildern der Kändlerperiode nachempfunden resp. nach-
gebildet sind. Da sind zunächst ein sitzender Bauer und
sein weibliches Gegenstück, welche den Deckel einer
neben ihnen stehenden eiförmigen Henkelvase mit orna-
mentiertem Ausguß öffnen. Das gefällige, anmutig sil-
houettierte Motiv, das voller Natürlichkeit und Zwang-
losigkeit ist, kommt wohl auf die Rechnung der Meißner
Vorbilder, in den Details der Modellierung im Ge-
sicht und an den Händen erkennen wir aber den Wiener
Modelleur, von dem eine Reihe anderer Arbeiten bekannt
sind. Die beiden Mayerschen Figuren (Abb. 3 u. 4 H.
19 cm) sind noch ohne Marke und tragen nur die ein-
geritzte Nr. 5, aber es gibt auch Exemplare der Modelle
in anderem Besitze, welche signiert sind, so eine be-
malte Replik des Mannes bei Dr. M. Bruck in Budapest
mit eingepreßter Marke und dem Modelleurzeichen I und
eine zweite gleichfalls bemalte bei Herrn Paul Ritter v.
Schöller in Wien (Katalog der Wiener Porzellanausstellung
im k. k. Österr. Museum 1904 Nr. 849). Wir haben in
den beiden Figuren sicher Personifikationen von Jahres-
zeiten zu erblicken, welche wohl konzentrisch auf eine

Platte mit Mittelaufsatz angeordnet zu denken sind, so
wie sie mit einem Meißner Aufsatz in Schloß Tiefurt er-
scheinen, dessen Gestalten mit den unsrigen viel Ähn-
lichkeit haben, wenn sie auch schon den reinen Rokoko-
stil zeigen, (abg. Beding, DieMeißnerPorzellane 1900 S.97).

Das zweite Paar von Figuren (Abb. 5 u. 6 H. 19 cm)
ist gleichfalls unbemalt. Einerseits ist es ein sitzender
Mann mit gekreuzten Beinen, der mit beiden Händen
eine auf dem rechten Knie aufliegende bauchige Schale
umfaßt und anderseits ein sitzendes Mädchen, die in
ähnlicher Haltung eine ovale Wanne trägt. Die Kändler-
vorbilder sind noch nachweisbar und zwar in der Samm-
lung des Grafen Vitztum zu Lichtenwalde (abg. Beding
a. a. O. S. 92).

Von diesen beiden letztgenannten Wiener Modellen
kenne ich noch eine Reihe anderer Ausformungen u. zw.
den Mann unbemalt im Gräfl. Blücher’schen Schlosse
Radun bei Troppau (mit eingepreßter Marke und I) und
im Österreichischen Museum zu Wien, die Frau gleich-
falls weiß an allen Orten, in Radun auch mit denselben
Signaturen. Die Mayer’schen Figuren sind noch ohne
Marken. Solche um einen durchbrochenen erhöhten
Mittelteil im Kreise angeordnete Figuren, stehend oder
sitzend als Träger von Vasen und Körben, waren um
die Mitte des 18. Jahrh. in der Porzellanplastik sehr be-
liebt. So gibt es in der herrlichen Sammlung des Herrn
Dr. Adolph List in Magdeburg einen imposanten Franken-
thaler Aufsatz mit Figuren von Putten und Männern im
orientalischen Nationalkostüm, die noch die Hannong’sche
Löwenmarke tragen und also aus der Zeit 1759—1762
stammen müssen.

Gleichfalls zu den beliebtesten Motiven der figürlichen
Porzellanplastik aus der Mitte des 18. Jahrh. zählen die
Tierhetzen, die zumeist nach Riedingerschen Vorbildern
modelliert in vielen Fabriken nachweisbar sind. Die
Mayer’sche Gruppe eines von einem Hunde angefallenen
Stieres ist wohl ein Werk J. J. Niedermayers, des ersten
bedeutenden Modellmeisters der Wiener Fabrik (Abb. 7.
H. 15 cm). Sie trägt schon die Blaumarke und eine
rote Malersignatur El. Auch hier scheinen Beeinflussun-
gen von Meißner Vorbildern vorzuliegen, denn ähnliche
Typen gibt es im Dresdner Schloß (abg. Beding a.
a. 0. S. 41). (Schluß folgt.)

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