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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
DOI Artikel:
Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [3]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0255

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Abstand des Auges von der Buchseite und ähnliche hierher
gehörige Fragen, die von der Ophtalmologie beantwortet
werden, bestimmten die Buchstabengröße. Die Buch-
stabenform muß unverändert in ihren wesentlichen Formen
bleiben (man beobachte zum Beispiel, wie das Antiqua
D, P und U ineinander übergehen, wenn ihre Linien ver-
schoben werden). Der Buchstabe muß aber auch wiederum
mit seiner Eigenheit nicht hervortreten, sondern ver-
schwinden, um in der Wortbildung aufzugehen, da der
Leser Worte, nicht Buchstaben liest, die Letter muß also
restlose Verbindungen mit den anderen Lettern zulassen.
Ist eine Form derart, daß sie sich nicht unbemerkt an-
gliedert, dann wird die Schrift unleserlich, sie gestaltet
sich desto leserlicher, je mehr der Buchstabe den ihm
zukommenden Raum füllt. Da geben „Kleinigkeiten“ oft
den Ausschlag, wie etwa der Umstand, daß im allgemeinen
die Buchstaben vom Leser an ihrer oberen Hälfte erkannt
werden, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn
man die obere und dann die untere Hälfte einer Zeile
bedeckt. Das hängt auch mit der festen, sicheren Um-
rißlinie eines Buchstaben zusammen, die dem Auge des
Lesers keine Zweifel zumutet, kurz und gut, der Schrift-
künstler hat so viele praktische Rücksichten zu nehmen
(unter denen die auf die Bedürfnisse des Schriftgießers
nicht die geringste ist), daß eine gute, leicht lesbare
schöne Druckschrift garnicht als freie Phantasieschöpfung
entstehen kann sondern das Ergebnis der Entwicklung
eines glücklichen Grundgedanken zu sein pflegt. Auch
die altberühmten, die klassischen Druckschriften sind
nicht mit einem Male fertig geworden und es ist keines-
wegs für eine Druckschrift ohne weiteres eine Empfehlung,
daß sie neugezeichnet wurde. (Immer aber eine solche
für einen Druck, daß er mit neugegossenen und nicht
mit abgenutzten Lettern ausgeführt wurde.) Anlehnung
an bewährte und offenbar schöne alte Druckschriften
haben fast alle in der englischen Buchkunstbewegung
führenden Pressen versucht und die schöpfungsfreudige
Vielgestaltigkeit, die die deutsche Buchkunst der Gegen-
wart auf diesem Gebiete zeigt, fehlt ihnen.

Der Satz einer Buchdruckseite ist zwar eine mecha-
nische Tätigkeit, aber die Anwendung ihrer technischen
Regeln verlangt für die Kunst im Buchdruck viel Geschmack
und Überlegung, um deren Schwierigkeiten zu überwinden,
vorausgesetzt, daß die angewendete Druckschrift über-
haupt eine vollkommenere Ausgleichung des ganzen Satz-
bildes zuläßt. Zwar werden die Wörter und ihr Zwischen-
raum nach bestimmten Gesetzen angeordnet. Aber die
verschiedene Wortlänge zwingt zu einer ständigen Vor-
sicht, wenn das Zeilengleichmaß in der Satztönung auf-
rechterhalten bleiben soll. Die Wörter in den Zeilen-
reihen können so verlaufen, daß Dunkel und Hell im
Gleichgewicht stehen, es können aber auch Buchstaben
dazwischenkommen, die eine dunklere Zeile hervorbringen
oder die Zeile kann mit einem zu knappen Raum aus-
laufen, um das nächste Wort noch auf ihr unterzubringen,
Übelstände, die sich vervielfachen, wenn große und kleine
Buchstaben rasch wechseln, wenn der Satz überhaupt
nicht die Anordnung einer ununterbrochenen Zeilenreihe
hat. Da muß dann der Setzer prüfen und versuchen,

wie er mit den wider-
spenstigen Worten sei-
nes Textes fertig wird
und darin liegen die
hohen Anforderungen,
denen seine Geschick-
lichkeit und Kunst-
fertigkeitgenügen muß,
wenn sie die An-
sprüche, die an ein
kunstgerechtes Satz-
bild von künstlerischer
Wirkung gestellt wer-
den, befriedigen sollen.
Käme es lediglich da-
rauf an, die volle
Druckschriftschönheit

ohne Rücksicht auf die
nuujuu Bause, Friedrich der Große grüßend

Buchhandhabung zu Auktion der Doubletten

entfalten SO würden des Berliner Kupferstichkabinetts

’ Amsler und Ruthardt, Berlin

die Meister der Kunst

im Buchdruck wohl das Folioformat bevorzugen, und
hätten sie alle Freiheit, den Satz so zu gestalten, wie er
am schönsten wirkt, so würden sie wohl häufig wie ihre
alten Vorbilder den Spaltensatz wählen und zwei Kolumnen
auf eine Seite setzen. Aber die Willkür, mit der man
noch in der Wiegendruckzeit Abkürzungen anwenden,
Trennungen vornehmen konnte, ist nicht mehr zulässig
und deshalb erscheint beim Spaltensatz die Zeilenlänge
zu kurz. Mann müßte seinetwegen auf die Farbengleich-
mäßigkeit, auf die Geschlossenheit des Satzbildes ver-
zichten. Ein Beispiel, das darauf hinweist, wie sehr die
äußere Buchform von der inneren Buchgestaltung ab-
hängig ist und wie wenig geschickt, die unüberlegte Nach-
bildung eines alten schönen Druckes sein würde. Gerade
das Kolumnen-Problem hat Morris lange beschäftigt und
er hat es, so sehr er aus ästhetischen Gründen seine Lö-
sung auch für das schöne Buch der Gegenwart wünschte,
als eine Frage der Zweckmäßigkeit beurteilt, die nach
der Bestimmung eines gedruckten Buches zu lösen sei.

Da das Satzbild von der Druckfarbe und dem Druck-
stoff abhängt, ist deren Auswahl bestimmend für die Druck-
schönheit. Das Papier, der bevorzugte Druckstoff, kann
selbst starke Stoffreize haben und durch sie allein schon
wirken. Aber das ist nicht das, worauf es in erster
Linie ankommt. Vielmehr wird das Papier diejenigen
Eigenschaften zu entwickeln haben, die für die beste
Druckarbeit geeignet sind, der Satz muß auf ihm ohne
Fehl und Tadel stehen. In dieser Richtung gingen daher
die Bemühungen von Morris und seinen Nachfolgern, sich
beste Druckpapiere zu verschaffen. Wobei es auch über-
flüssig wurde, durch besondere „Vorzugsausgaben“ den
besonderen Papierreiz zum Gewinn der größten Buchan-
mut heranzuziehen. Gerade das Auflagenpapier sollte ja
die Druckerkunst bewähren. Morris hat seine Papiere
nach langwierigen Vorarbeiten hersteilen lassen und eine
hübsche Legende will wissen, daß er endlich den brauch-
barsten Druckstoff in alten deutschen Hemden gefunden
habe. An Stelle der Papiervorzugsausgaben gab die

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