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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [3]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0254

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menlar ist. Und hier-
aus ergibt sich weiter-
hin die Beachtung
des Verhältnisses der
bedruckten Seiten-
fläche zu der unbe-
druckten, das Verhält-
nis des Satzspiegels
zum „Rand“, zu den
Stegen, auf dessen
gründliche Berech-
nungen hier nicht ein-
gegangen werden soll.
Die Auffassung beider
Seiten eines aufge-
schlagenen Buches als
einer Einheit nötigt
dazu, die beiden Satz-

Schadow, Die Familie des Künstlers Spiegel (im Bundsteg)
Auktion der Doubietten aneinanderzubringen,

des Berliner Kupferstichkabinetts wovon dann wiederum

Amsler und Ruthardt, Berlin

die Abmessungen der
drei anderen weißen Randflächen zueinander mit-
bestimmt werden. So wird für jedes Buch aus der
Höhe seines Satzspiegels, aus der Länge seiner Zeilen
ein einheitlicher Maßstab abzuleiten sein, der der Träger
der Ebenmäßigkeit des Ganzen ist, auf dem die Harmonie
des Satzbildes beruht. Daß die beiden Seiten eines auf-
geschlagenen Buches im Bundsteg ihre Zusammenfassung
finden ist nicht allein eine ästhetische Forderung für den

Ausgleich des Satzspiegel, sondern auch eine praktisch-
typographische, un er anderem deshalb, weil die Bogen
eines Buches gebunden werden. Darin kann der Drucker
des zwanzigsten Jahrhunderts sehr viel genauer arbeiten
als der der Wiegendruckzeit. Und für die Buchhand-
habung sind breite Außenseiten und Fußränder wichtig,

wobei die letzteren als die am meisten in Anspruch ge-
nommenen am breitesten genommen werden, eine Regel,
die bereits die Buchhandschriften anwenden. Man hat

hier aus Vergleichungen zahlreicher alter und neuer Drucke
eine Formel finden wollen, die etwa angibt, daß der
Seitenrand vom Bundsteg zum Kopfsteg zu den Seiten-
stegen bis zum Fußsteg um 20% zunimmt, eine Formel,
die ihrerseits mit der Blattform und -große sowie deren
Satzspiegel sich ändert, die aber immerhin andeutet, daß
das breitrandige Buch kein Zufallserzeugnis ist, sondern
das Ergebnis von auf Beobachtungen begründeten Be-
rechnungen. Darauf wird gelegentlich einiger Bemerkungen
über die Großpapier- und Vorzugsausgaben noch einmal
zurückzukommen sein, in diesem Zusammenhänge kam
es lediglich auf den Hinweis an, daß auch hier die Kunst
im Buchdruck ein Ausfluß der Buchzweckbestimmung ist.
Noch ein anderes Element der Buchschönheit ist die Druck-
farbe. Diese ist abhängig von der Gestalt der Letter(n),
dem Abstand der Zeilen von einander, dem Zwischen-
raum zwischen den Wörtern, der Ausführung des Setzens
und des Drückens und schließlich nicht nur von der
Druckfarbe schlechthin sondern auch von deren Güte.
Die Druckseite entsteht aus einer großen Zahl kleiner

Abteilungen, deren jede aus einem Buchstaben oder aus
einer Weißfläche besteht. Das Auge begreift zwar jede
von ihnen als ein Ganzes, wenn aber die Letter durch
eine übermäßige Dicke und Dünne ihrer Linienführung
auseinandergerissen wird, dann ergibt sich daraus der
Eindruck von zwei nebeneinander selbständigen Seiten-
füllungen und ein ähnlicher Eindruck wird hervorgerufen,
sofern die Letter seitwärts zusammengedrängt wird, um
auf knappem Raum möglichst viele Worte zusammenzu-
bringen. Der Buchstabe einer Druckschrift soll also
möglichst den eigenen Raum ausfüllen, damit die Lettern
sich aneinanderschließen, da das Auge des Lesers nicht
den Einzelbuchstaben erfaßt, sondern das ganze Wort.
Hier liegt die Schwierigkeit, die eine Druckschrift über-
winden muß, wenn sie schön wirken soll, ihre Lettern
müssen ihren Platz so ausfüllen, daß das Gefühl eines
Mangels am Zusammenhang beim Leser nicht aufkommt.
Auch eine Trennung der Zeilen durch breite zwischen
sie geschobene Leerzeilen, durch einen übertriebenen
Zeilenabstand pflegt die Seitenschönheit zu vernichten;
selbst da, wo man mit dergleichen Gewohnheiten, wie
die Druckwerke der Bodonischule mit ihren „eleganten“
Typen, die Prachtentfaltung zum Ausdruck bringen möchte.
Im übrigen muß der Setzer sorgen, daß er ganz gleich-
lange, gleichmäßige Zeilen gewinnt und keine, in denen
unregelmäßige Zwischenräume zwischen den Buchstaben
und Wörtern dadurch entstehen, daß sie nicht genau an-
einandergereiht werden, der Drucker, daß seine Druck-
farbe schwarz, nicht blau- oder grauschwarz ist, daß die
Drucktiefe nicht nur eines Bogens sondern aller Bogen
eines Buches einheitlich bleibt, kurz, jede erreichbare
technische Präzision muß sich bei einer Höchstleistung
des Buchdrucks mit jener Werkmannstreue verbinden,
die überall die Qualitätsleistung wünscht, die nicht erst
seit dem Maschinenzeitalter von den Quantitätsrechnungen
im Buchgewerbe zurückgedrängt wurde, die aber doch
aus dem Gesichtspunkte der Schnellpressenschnelligkeit
und Setz- und Gießmaschinen-Richtigkeit für deren Er-
zeugnisse anders gewertet wurde. In diesen abweichenden
Wertungen, die sich auch künstlich nicht vollkommen
ausgleichen lassen, liegt der Widerspruch, den die Kunst
im Buchdruck, die William Morris neuerweckte, erregt hat
und erregt. Zwar verdanken wir ihr die vollkommenen,
für alle anderen beispielgebenden Bücher, aber diese
Bücher sind teilweise abweichend von den jetzt allgemein
üblichen Verfahren und ihren wirtschaftlichen Voraussetzun-
gen entstanden. Dagegen läßt sich freilich einwenden, daß —
technisch-theoretisch — ein Unterschied zwischen der
Hundert- und der Millionenauflage und deren Ausführung
bei einem Buchdruck nicht gegeben ist.

Lesbarkeit und Schönheit einer Schrift sind nicht ohne
weiteres dasselbe, weil jene insofern relativ ist, als sie auch
vom Leser abhängt. Der Einwand, eine schöne Schrift sei
unleserlich ist nicht ohne weiteres gerechtfertigt, da die
Gewöhnung des Lesers mitbestimmend ist und die Er-
ziehung zum Kunstgenuß, zur Auffassung einer Schönheit,
auch die Lesbarkeit einer schönen Schrift steigern könnte.
Aber es gibt auch von anderen, sicherer bestimmbaren
Maßstäben abhängige Grundlagen der Lesbarkeit. Der

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