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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [3]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0256

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Keimscott Press das Beispiel des Pergamentdrucks. Das
war ein Druckstoff, der einen eigenen Sinn hatte, weil
er Dauerhaftigkeit und Schönheit verband. Allerdings
auch ein Druckstoff, dessen Behandlung die mühevollste
Sorgfalt verlangte, weil das Pergament sich nur ganz
vorsichtig feuchten läßt und die zähflüssige Druckfarbe
nicht leicht aufnimmt. Freilich bestehen zwischen Perga-
mentdruck und Pergamentdruck die allergrößten Ver-
schiedenheiten und die Bezeichnung oder gar der hohe
Preis eines Pergamentdruckes rechtfertigen noch nicht
sein Lob. Man muß schon Pergamentdrucke wie die-
jenigen der Keimscott und der Doves Press prüfen, um
zu verstehen, wie ein ausgesuchtes edles Material be-
handelt sein soll, um mit dem Namen eines Pergament-
druckes auch dessen Wertschätzung wirklich zu verdienen.

DieHandpresse kann, was der Druckarbeit nützt, bessere
und dickflüssigere Druckfarben gebrauchen als die Ma-
schinenpresse. Allerdings ist dann auch die Druckarbeit
erschwert und verlangt eine weitgehende Aufmerksamkeit
der Pressenhandhabung. Ähnliches gilt auch für die
Benutzung verschiedener Druckfarben nebeneinander, von
denen neben dem altbewährten Rot besonders Blau und
Gold Verwendung gefunden haben. Wie bereits erwähnt
wurde, hat Lucien Pissarro in seinen farbig angelegten
Drucken eine graue Druckfarbe zur Steigerung ihrer
koloristischen Effekte verwertet und damit allerdings
bereits einen Weg betreten, der ihn die Morristradition
als eine Schwarz-Weißkunst aufgeben ließ.

Daß die Druckschrift in ihrem Ursprünge und in
ihrem Wesen auf die Schreibschrift und nicht auf die
Linienfeinheit der gestochenen Schrift zurückführt, ist
bereits einmal erwähnt worden. Es sei jedoch nochmals
hervorgehoben, um anzudeuten, daß nicht jede die Druck-
schriftformen annehmende schöne Schriftzeichnung nun
auch schon damit eine brauchbare schöne Druckschrift
ist. Wenn sich jedoch der geschriebene Buchstabe sinn-
gemäß in die Letter verwandeln muß, wofern er als Druck-
schrift dienen soll, so braucht er deshalb doch nicht für
eine Buchdruckvervielfältigung ganz und gar aufgegeben
zu werden. Zwar kannte das achtzehnte Jahrhundert hier
nur die Möglichkeiten einer gestochenen Schrift (und die
Schreibschriften nachahmenden Druckbuchstaben sind
vereinzelte Versuche von Kuriositätswert geblieben.) Aber
seit dem neunzehnten Jahrhundert gibt es auch (Bild-)
Buchdruckverfahren und dazu Steindruckverfahren, die
es gestatten, kalligraphierte Seiten als solche wiederzu-
geben. Verfahren, die noch nicht recht ausgenutzt wurden,
die aber für Bücher geringen Umfangs und für die Ver-
bindung von Bild und Schrift mancherlei Zukunfts-
hoffnungen gestatten. Der Buchschmuck, also die Aus-
schmückung der Buchstaben und des Satzbildes durch
Ornamentik, wird immer eine Angelegenheit seines Ur-
hebers sein und des Werkes, das er so ausstattet. Der
Zeichner, der das Buchbild gibt, sollte auch stets, soweit
sie nach der Anlage des Buchwerks berechtigt erscheint,
die Buchschmuckausstattung, das dekorierte Titelblatt,
die Initialenornamentik entwerfen. Anders ist ein ein-
heitliches Druckkunstwerk unmöglich. Bei einem Unbe-
teiligten bestellter Buchschmuck, und mag er noch so

schön ausfallen, wird niemals einen geringen Druck in
einen schönem wandeln und er wird auch niemals ein
Werk, in dessen Entstehung und Fortführung er fremd
hineinkommt, schmücken können. Will man an einem
Beispiel die unnachahmliche Buchschmuckkunst von
Morris kennen lernen, so nehme man die nach der
Caxton-Ausgabe von 1481 gedruckte History of Godefroy
of Bologne (1893) zur Hand, die wohl einen Höhepunkt
dieser Art von Buchausstattung kennzeichnet.

Das Bild im Buche hat Morris selbst noch dem Buch-
schmuck ein- und untergeordnet, illustrierte Bücher hat
er in seinen Drucken auch da, wo sich ihr Buchschmuck
ausdehnt, nicht liefern wollen. Ebenso haben seine
Nachfolger, soweit sie dem Bilde im Buche ein eigenes
Recht zugestanden haben, darauf geachtet, daß es buch-
mäßig erschien, im Buchdruckverfahren (also vor allem
im Holzschnitt) wiedergeben wurde, und in den Rahmen
des Satzbildes sich restlos einfügte. Allein Pissarro nimmt
auch darin eine Sonderstellung ein, doch sind seine
Drucke häufig mehr Bilder mit Text als Bilder zum Text,
das heißt, seine Bücher sind schon ikonographisch und
nicht mehr typographisch komponiert, die Kunst im Buch-
druck ist in ihnen zur Anwendung der Bilddruckkunst
auf der Buchdruckerpresse geworden.

Am Ende sei noch kurz ein Umstand vermerkt, dessen
Verzweigungen sich an dieser Stelle nicht weiter verfolgen
lassen, der aber, seit dem die Keimscott Press Ruhm gewann,
sehr viel dazu beigetragen hat, die Absichten der Buchkunst-
bewegungen zu stören und zu verfälschen. Nachdem näm-
lich Buchkunstwerte als solche Anerkennung und Absatz
gefunden hatten, bemächtigten sich die Plagiatoren rasch
der aussichtsreichen Geschäfte. Man begann jetzt die
geschäftsmässige Herstellung „künstlerisch“ gedruckter
Bücher und gründete Firmen unter Pressenamen. Und
da man nicht im Stande war, die echten Werte zu er-
kennen, die in den zum Muster genommenen Druck-
werken steckten, begnügte man sich mit äußerlichen
Nachahmungen. Davon wird bei der Erörterung der
Buchkunstentwicklung in Deutschland noch ausführlicher
die Rede sein, hier genüge der kurze Hinweis, daß auch
in England und besonders in den Vereinigten Staaten
von Amerika dergleichen Plagiate fast häufiger geworden
sind als ihre Vorbilder.

Natürlich konnten die kurzen Andeutungen über die
Triebkräfte der Buchkunstbewegung in England und über
die Art ihrer Begründung durch ein Verbinden der ästhe-
tischen und technischen Elemente zur Hervorbringung der
Buchzweckmäßigkeit nicht alles zusammenstellen, was
darüber notwendigerweise zu sagen wäre. Und weiterhin
wird zuzugeben sein, daß der Revival of Printing in Eng-
land insofern einseitig geblieben ist, als es vor allem die
ästhetischen Elemente aus ihren technischen Voraus-
setzungen entwickelte, als es dem Bilde neben dem Worte
im Buche den jenem gebührenden Rang versagte. Aber
das eine haben die englischen Pressen, wenigstens die
führenden von ihnen, erreicht, sie haben gezeigt, daß es
eine ausschließlich auf die Buchdruckkunst gegründete
Buchschönheit gibt und daß man, wenn man diese Schön-
heit sucht, nirgends darauf verzichten kann, die Ursachen

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