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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Aprilheft
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Der Kupferstichsammler Davidsohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0292

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Stiche mit der Lupe auf einige Striche oder Punkte hin,
das Studium der Oeuvre-Kataloge, wo die Kennzeichen
der „Zustände" umständlich beschrieben sind, mag uns
befremdlich, gelegentlich sogar närrisch Vorkommen.
Aber im rechten Geist geübt, führt diese emsige Be-
trachtungsweise in die Tiefe und zur Kunst. Die Fest-
stellung des „Zustandes“ wird in vielen Fällen ein un-
trügliches Zeugnis bieten für die Entstehungszeit des
Abdrucks und das Urteil über die Druckqualität erleich-
tern. Darüber hinaus vermag das Nebeneinander mehrerer
„Zustände“ von
einer Platte manch-
mal einen Einblick
in die Entstehungs-
geschichte des Wer-
kes und die Arbeits-
weise des Autors
zu gewähren, wie
er sonst nirgends
und auf keine an-
dere Weise zu er-
langen ist. Die
Schrittspur des Mei-
sters ist uns damit
bewahrt. Wirlernen,
wie er begann,
weiterging und ans
Ziel kam. Offen
liegt vor uns, wo-
mit er unzufrieden
war, was er und
wie er korrigierte.

Zuweilen gilt es
vor den Zuständen
von einer Platte die
Entscheidung zu
treffen, wo die Ar-
beit des Meisters
aufhört, und die
entstehenden Zu-
taten beginnen, mit
denen spätere Be-
sitzer derDruckform
die Absicht des
Autors verfälscht
haben. Fruchtbar

ist freilich das dem Albrecht Altdorfer
Schicksal der Platte Samm,ung Davidsohn bei

gewidmete Studium nur in Verbindung mit tiefem Verständ-
nis für die Schaffensart desMeisters. OhneZweifel wird aber
dieses Verständnis, im besonderen das Gefühl dafür,
welche Art von Druckschönheit dieser o3er jener Kupfer-
stecher anstrebte, entwickelt und verfeinert beim Auf-
spüren der Zustandsmerkmale, wie überhaupt die Genauig-
keit des Sehens, an die sich der Kupferstichsammler
gewöhnt, einen wissenschaftlich gerichteten Kunstsinn
fördert, der erfreulich frei bleibt von dem vagen Enthusias-
mus und der blinden Autoritätsgläubigkeit, die auf anderen
Gebieten des Kunstsammelns herrschen.

Man soll auch nicht spotten über die'penibele Sorg-
fältigkeit, mit der auf Äußerliches geachtet wird, auf die
Breitrandigkeit der Blätter, auf makellose Erhaltung und
auf unverletztes, nicht gewaschenes Papier. Flat sie uns
nicht Vieles konserviert, was ohne sie verloren gegangen
wäre, und wurzelt sie nicht in ehrfürchtiger und liebe-
voller Gesinnung? —

Faßt man den Begriff so weit und so eng, wie ich
ihn umzogen habe, so mag Paul Davidsohn der
letzte deutsche Kupferstichsammler genannt werden, min-
destens der letzte,
dem ein Kupfer-
stichkabinett als ein
mögliches und er-
wünschtes Ziel pri-
vater Bemühung
vorschwebte.

Geboren 1839 in
Danzig, wanderte
Paul Davidsohn
1858 nach Schott-
land aus und ließ
sich 1862 als Kauf-
mann in London
nieder. Hier begann
ermit demSammeln
alter Kupferstiche
um 1870. Der Ber-
liner Sammler Land-
gerichtsrat Rosen-
berg, der 1881 ge-
storben ist, war sein
Onkel. Und dieses
Vorbild magden An-
stoß gegeben haben.
Davidsohns jüngerer
Bruder Rob. David-
sohn hat dasStreben
nach Wissenschaft-
lichkeit aus einem
geistreichen Jour-
nalisten in einen
Geschichtsschreiber
verwandelt. Erselbst
betrachtete seine
geschäftliche Tätig-
Das große Taufbecken keit als Mittel zum
C. G. Boerner, Leipzig Zweck, Und d3S

Sammeln wurde mehr und mehr der Inhalt seines
Lebens.

In jener weit zurückliegenden Zeit, als er in London
lebte, stand der ideelle Sport gelehrter Sammelkunst noch
in Blüte. Neuerdings hat auch drüben die Amerikani-
sierung der Gesellschaft der Konzentrierung auf so häus-
lich beschauliche Liebhaberei entgegenwirkt. Paul David-
sohn fand reiche Gelegenheiten, Anregungen und Lehrer
in England und legte den Grund zu einer umfassenden
Sachkenntnis, die ihm in späteren Jahren Überlegenheit
am Auktionstische sicherte.

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