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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Aprilheft
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Braun, Edmund Wilhelm: Die Wiener Porzellane der Sammlung Karl Mayer in Wien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0300

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Die hohe technische Qualität und der erlesene feine Ge-
schmack der Wiener Porzellane aus der Louis XVI.-
periode ist bekannt und anerkannt. Unter dem unmittel-
baren Einfluß der in dieser Zeit führenden französischen
Staatsmanufaktur zu Sevres gingen damals aus der Wiener
Malerstube Meisterwerke raffiniertester Luxuskunst her-
vor und besonders bewundernswert erscheinen uns die
herrlichen leuchtenden Fondfarben, welche für die Sev-
resporzellane charakteristisch sind, aber auf dem Wiener
Hartporzellan viel schwerer in der zu ihrer Wirkung
nötigen starken Leuchtkraft und Tiefe zu erzielen waren,
als auf dem päte-tendregrund der französischen Vor-
bilder. Einige entzückende Werke dieser Art hat Fol-
nesics aus der Sammlung Mayer abgebildet (X Nr. 114.
Tafel XXV und Nr. 115 Tafel XXVI), die hier im Bilde
gebrachten beiden Stücke veranschaulichen nun zwei
andere Typen dieser feinen Kunstblüte. Es ist jedesmal
eine zweihenkelige konische Deckelschale für Bouillon,
die auf einer Untertasse, einem Cabaret von vierseitiger
Form mit geschwungenem, durchbrochenen, schräg an-
steigendem Rande steht. Die ältere derselben (Abb. 8)
ist ein interessanter Übergangstypus vom Rokoko zum
Klassizismus. In der Form der Schale und des Cabarets,
im gemalten und plastischen Zierwerk des Randes
herrscht bereits der Geschmack der Louis XVI.-periode
vor, auch die graziösen kleinen Etreublumen in Gold
deuten darauf hin, der landschaftliche Dekor jedoch,
der staffierte Architektur-Landschaften in grünen Camayeu
zeigt, ist noch im Geschmack des späteren Rokoko ge-
halten und geht offenbar auf Meißner Vorbilder zurück.
Das für den sächsischen Hof in der Meißner Fabrik be-
stellte sog. „Grüne Watteauservice“, das noch in der
in der kgl. Hofsilberkammer zu Dresden sich befindet,
wurde nach Berling in den Jahren 1764 und 1765 ange-
schafft; dadurch ergibt sich auch ungefähr die Datierung
der Mayer’schen3) Schale für die Zeit um 1770 Der
Deckelknauf der Schale, eine Blume ist ein Motiv,
das gleichfalls aus der Louis XV.-Zeit beibehalten, aber
viel zierlicher und filigraner modelliert wurde als vorher.
Die abermals naturalistisch bemalte Blume wurde nun
vergoldet, wie auch auf der zweiten Bouillonschale von
der gleichen Form (Abb. 9).

Hier sehen wir nun bereits im Dekor den neuen
Stil voll entwickelt und ausgebildet. Der Fond ist
grün, die Umrahmung der vierpassigen Felder, in
denen bunte Blumenbouquets liegen, sowie des runden
Mittelstückes und der drei von der Hohlkehle in das

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 2. Februarheft 1920.
3) Ein Seitenstück besitzt Fürst Adolf Josef Schwarzenberg
(abg. Folnesics-Braun S. 68).

Innere der Schale ausstrahlenden Ornamente, ist in der
beliebten neuen französischen Modefarbe „bleu royal“,
einem dunklen Unterglasurblau gehalten. Die blaue
Fabriksmarke auf der Unterseite des Cabarets trägt eine
Art von Bekrönung, eine Kombination, die nicht allzu
selten gerade bei wertvolleren, reicher geformten und
dekorierten Wiener Geschirren der Louis XVI.-Epoche
vorkommt. Die von einem Wiener Sammler vor einigen
Jahren in einem Antiquitätenblatte ausgesprochene Ver-
mutung, daß es sich bei den mit dieser gekrönten
Marke bezeichneten Stücken um Nachahmungen des
19. Jahrh. aus der durch seine gelungenen Imitationen
bekannten Porzellanfabrik von Fischer in Herend
(Ungarn) handle, ist eine absolut haltloser und jeglicher
Beweiskraft entbehrende Behauptung, sondern das Rich-
tige hat wohl Folnesics im Wiener Porzellanwerk (S. 50)
getroffen, nämlich daß die mit dieser gekrönten Marke
bezeichneten Porzellane in irgend einer Beziehung zum
Hofe standen, resp. daselbst zeitweise verwendet wurden.
So findet sich, um nur ein Beispiel zu erwähnen, die
Kronenmarke auch auf zwei Kannen des herrlichen Alt-
wiener Tafelservices in der Eremitage zu St. Petersburg,
das sicher ein Geschenk des kaiserlichen Wiener Hofes
an den Zaren war.4)

Die höchste Beliebtheit genossen in den letzten
Jahren des 18. und den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh.
die Geschenktassen aus Wiener Porzellan, bei deren
Schmuck die technische Vervollkommnung auf allen
Gebieten der Muffeldekoration mit dem höchsten Ge-
schmack wetteiferten. Aus der stattlichen Reihe solcher
Einzeltassen, welche zwei große Schaukästen der Samm-
lung Mayer in imposanten Reihen zieren, greife ich drei
Typen heraus, von denen zwei bei Folnesics zwar be-
schrieben, aber nicht abgebildet erscheinen, während die
dritte erst nach der Drucklegung des Kataloges er-
worben wurde.

Die Schale zeigt jeweils die typische zylindrische
Form mit dem geraden Henkel und die dazu gehörige
flache Untertasse. Außer der Fabriksmarke, dem blauen
Bindenschilde, trägt die erste (Abb 10) den Jahresstempel
97, wurde also im Jahre 1797 ausgeformt. Das Muster
ist bei aller Einfachheit doch sehr geschmackvoll, es
zeigt abwechselnd goldene und lichtgrüne Streifen, um
die oberen Ränder ziehen sich zwei Bordüren in Relief-
gold. Auf der Schale ist in ovaler Umrahmung mit der
Umschrift: „Carl Erzherzog von Österreich Deutschlands
Retter“ das Silhouettenbild des Heerführers aufgemalt.

4) E. W. Braun in Kunst- und Kunsthandwerk 1914. S. 47.

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