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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Aprilheft
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Müller, Egon: Ein unbekanntes Werk von Peter Paul Rubens: mit einem Brief von Alfred Lichtwark
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0299

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Da nun ein solches Kunstwerk für die Allgemeinheit von
immerhin ziemlich bedeutendem Interesse ist, möchte ich
nachstehend eine ausführliche Beschreibung folgen lassen.

Nach der griechischen Mythologie hat Herkules die
Aufgabe, den Antaeus im Ringkampf zu besiegen, obgleich
dieser unüberwindlich ist, solange er mit den Füßen auf
der Heimaterde steht, da ihm aus dieser stets neue
Kräfte Zuströmen. Also schon damals ein Lob auf
die Vorteile der Bodenständigkeit im Gewände einer
Sage! — Diesen Moment zeigt Rubens auf seinem
Bildchen. Herkules müht sich vergebens, den
erfolgreich Widerstand “lei-
stenden Antaeus niederzu-
drücken. Der Ausgang
dieses Kampfes war dann
bekanntlich so, daß der
griechische Heros seinen
Gegner hochhob und ihn
über der Erde schwebend
zermalmte.

Ganz abgesehen von der
einwandfreien Provenienz
des Stückes hat sich kein
Geringerer als Alfred
L i c h t w a r k , der mit dem
Besitzer gut befreundet war,
bereits im Jahre 1904 in
einem ausführlichen Gut-
achten für die zweifellose
Echtheit ausgesprochen
und ich möchte den Text
dieses Schriftstückes hier
einfügen:

Ich entspreche gern
Ihrem Wunsche und
bestätige Ihnen hier-
durch schriftlich meine
Ansicht über das mir
soeben vorgelegte Bild
mit der Darsiellung
zweier männlicher Ring-
kämpfer. Die auf dem-
selben befindliche Sig- Rubens
nierung von Peter Paul ^

Rubens halte ich für J

echt. Ich glaube, daß die Figuren eine — wenn
auch verwaschene —1 eigenhändige und ziem-
lich weil ausgeführte Studie des Meisters sind.
Das landschaftliche Beiwerk rührt wohl zum Teil
von anderer Hand her. Dagegen ist die silbergraue
Grundierung und die zeichnerische Formgebung, die
an den Füßen, der Muskulatur und der Kopfhaltung
am auffälligsten wirkt, zweifellos Rubenssche Art.
Noch klarer würde diese zu Tage treten, wenn die
Farbe wie im Gesicht des aufrechten Aktes, an den
Zehen und dem einen Knie in ihrem ursprünglichen
Ton besser erhalten wäre. Die Studie stellt eine
Phase aus dem Ringkampf zwischen Herkules und
Antaeus dar. (gez.:) A. Lichtwark.

Ein Zettel mit sehr eingehenden Notizen wurde von
Lichtwark damals bei dem Besitzer vergessen; wahrschein-
lich wurde durch versäumte Nachsendung desselben eine
frühere Veröffentlichung nicht zur Ausführung gebracht,
die sich Lichtwark sonst wohl kaum hätte entgehen
lassen. Eine nochmalige äußerst sorgsame Prüfung des
kleinen Bildes ergab folgendes Resultat: Holz und Farbe
haben einwandfrei das richtige Alter. Die Signatur der
Initialen P. P. R. F. ist laut mikroskopischer Unter-
suchung und Alkohol-Probe ursprünglich und fest mit
der anderen Farbe verwachsen. Bezüglich der von

Lichtwark erwähnten zeich-
nerischen Formgebung ist
besonders darauf hinzu-
weisen, daß nicht nur die
gesamte Komposition, son-
dern auch alle Einzelheiten
der Glieder die genauesten
Vergleiche mit anderen
kleineren Werken und
Studien von Rubens in
Brüssel, Petersburg, Paris,
Wien undGothavollkommen
decken. Vor allem ist die
porträtmäßige Ähnlichkeit
dieses Werkes mit der
Skizze der Frau Errara,
Brüssel, Herkules zum
Olymp fahrend (Rooses
Seite596)unddemtrunkenen
Herkules der Dresdner Ga-
lerie (Klassiker der Kunst
V 19) besonders auffallend,
wobei allerdings zu be-
rücksichtigen ist, daß die
Figur auf dem letztgenannten
Bilde zur Verdeutlichung
der Trunkenheit einen stark
aufgeschwemmten Körper
zeigt. Die Bemerkung
Lichtwarks, es handele sich
Herkules und Antaeus unl ejne ziemlich weit

ausgeführte Studie, kann
ohne weiteres dahin ergänzt werden, daß das vor-
liegende Bild ein abgeschlossenes fertiges kleines
Werk ist, denn die Figuren sind mit aller Sorgfalt
ausgearbeitet und haben durch die beklagenswerte
Abwaschung verhältnismäßig wenig gelitten. Das land-
schaftliche Beiwerk ist allerdings flüchtiger hingesetzt
und zeigt bis auf einen Weidenstumpf auf der rechten
Seite den italienischen Einschlag, den die rubensschen
Kompositionen auf allen mythologischen Gemälden
mehr oder weniger besitzen, wie überhaupt dieses
kleine Stück ähnlich wie die Beschneidung (Rooses
Nr. 156) einen gewissen Einfluß des Carravaggio verrät.

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