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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Aprilheft
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Engelmann, Max: Wenzel Jamnitzers Dresdner Meßscheibe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0316

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Maximilian II. und Rudolph II. Aber auch viele andere
Fürstlichkeiten zählten zu seinen Kunden; so auch Kur-
fürst August von Sachsen, wie wir noch sehen werden.
Dieses hohe Ansehen, das sein Können genoß, vermochte
es auch, daß er sich oft über die damals erlassenen
Gesetze gegen den Luxus in der freimütigsten Weise
hinwegsetzen konnte. In den graphischen Künsten des
Kupferstiches und der Radierung durchaus erfahren,
stammen von ihm u. a. viele Entwürfe zu Prunkgefäßen
u. ä., doch überließ er in den späteren Jahren die Aus-
führung solcher Arbeiten seinem Freunde Jost Amman.
So sagt er auch in seiner Perspectiva Corporum Regula-
rium v. Jahre 1568, daß er dazu wohl alles ernstlich
selbst mit seiner schweren Hand gestellt und gemacht,
aber durch Amman in Kupfer habe stechen lassen.
Selbst mit Dingen, die beruflich weit ablagen, beschäftigte
er sich. So reist er 1578 nach Prag zu Kaiser Rudolph II.

Dürerschen Apparat verbesserte und mustergültige Ent-
würfe damit in der erwähnten Perspectiva veröffentlichte.
Diese Perspektivkunst war aber nur ein Teil der damals
viel umfassenden Mathematik, die W. Jamnitzer in weitestem
Umfange beherrscht haben muß. Nürnberg war ja durch
Regiomontan bereits am Ende des 15. Jahrhunders zur
Führerin in diesem Wissenszweig geworden. Bald waren
in dieser Stadt ohne Hochschule mathematische Kennt-
nisse nicht mehr ein Vorrecht der Gelehrten, sondern
fast jeder regsame Geist unter Nürnbergs Künstlern
und Werkleuten übte sich in dieser Kunst. Nürn-
berg und das geistesverwandte Augsburg lieferten natur-
gemäß auch die besten Instrumente zur Ausübung
mathematischer Erkenntnisse.

Wie sehr sich Jamnitzer mit diesen Dingen ein-
gelassen, meldet uns Doppelmayr in seiner „Nachricht
von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern“

Vorder- und Rückseite der Meßscheibe von Wenzel Jamnitzer v. J. 1578.

Dresden: Mathematisch-Physikalischer Salon.

mit seiner Erfindung eines „prunnenwerks“ oder „Wasser-
kunst halben ... so zur ausschöpfung eines grabens
oder Wasserwerks dienstlich“.

Auf Jamnitzers Bestrebungen und Arbeiten auf den
Gebieten der angewandten Mathematik und ihrer Hilfs-
mittel ist man bisher kaum eingegangen, obwohl schon
1547 sein Freund Neudörffer und 1730 ausführlicher
Doppelmayr in ihren Schriften darauf hinwiesen.

Seine Arbeiten auf dem Gebiete der Perspektive
waren eine Fortsetzung der Bemühungen Albrecht Dürers,
die Wahrnehmung und Beherrschung von Raum und
Körper auf instrumentellem Wege, als etwas völlig gesetz-
mäßig Lern- und Lehrbares zu erreichen. Dieser von
Dürer zuerst ausgebildeten Kunst widmeten sich im
damaligen Nürnberg eine große Anzahl uns noch heute
vertrauter Köpfe aller Berufskreise (Seb. Beham, Georg
Hartmann, Augustin Hirschvogel, Johann Lenker, Heinrich
Lautensack, Paul Pfintzing u. v. a.). Jamnitzers Ver-
dienste dabei bestanden vor allem darin, daß er den

v. J. 1730. Nach ihm schuf Jamnitzer Uhren mit Schlag-
werk, welche die große und kleine Nürnberger Uhr und
die Planetenstunden anzeigten, also sehr weit ausgebildet
waren, astrologische Scheibengeräte, alle Sorten Zirkel
und Winkelmaße, Sonnenuhren, Seekompasse, Höhen-
messer usw. Von den letzteren ist einei im Dresdner
Mathematischen Salon erhalten. Die linke untere Figur
seiner Grabplatte hält übrigens dieses Instrument in der
Hand. Zwei erhaltene Pergament-Handschriften Jam-
nitzers in Buchform2) behandeln mathematische Verfahren.
Sie sind mit feinen farbigen Zeichnungen versehen und
berichten hauptsächlich über den Gebrauch seiner Maß-
und Eichstäbe, die zu allen möglichen Messungen in der
Architektur, Geschützkunst, Bildnerei usw. gebraucht
werden konnten.

Von diesen wissenschaftlichen Geräten aus Jam-
nitzers Hand ist wenig auf uns gekommen. Erfreulich

2) Aufbewahrt im Mathemat.-Physik. Salon in Dresden und
im Viktoria und Albert Museum London.

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