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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Aprilheft
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Engelmann, Max: Wenzel Jamnitzers Dresdner Meßscheibe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0317

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dabei ist nur, daß wenigstens in der Dresdner Meß-
scheibe Jamnitzers das bedeutendste Stück davon erhalten
blieb.

Wie erwähnt, gehörte zu den Auftraggebern Jam-
nitzers Kurfürst August von Sachsen (reg. 1553—1586).
Ueber einige an Jamnitzer erteilte Aufträge berichten vier
erhaltene Schreiben des Kurfürsten3). Nach ihnen erwarb
der aus Nürnberg stammende Schreiner und Schrauben-
macher Paulus Büchner, der in des Kurfürsten Diensten
bis zum Oberst-Haus- und Landzeugmeister aufstieg,
1565 Maßstäbe und Zirkel nebst der dazugehörigen und
erhaltenen Pergamentschrift für 150 Silbergroschen für
den Kurfürsten. 1568 ließ der Kurfürst Jamnitzer für ein
Stück seiner Perspectiva 30 Gulden Groschen übersenden.
1580 sendet der Kurfürst den Hausvoigt von Leipzig
Hans Georg von Dehn nach Nürnberg, um den größeren
der jetzt im Dresdner Grünen Gewölbe verwahrten
Schreib- und Schmuckkästen, den Jamnitzer „wiederumb
verneuert“ hatte, zurückzubringen. 1581 weist der Kur-
fürst seinen Kammermeister an 350 fl. als den Restbetrag
der Kaufsumme für „etzliche geometrische Instrumente“
an Jamnitzer abzuführen. Diese Instrumente hatte ihm
der gleichfalls aus Nürnberg stammende und in kurfürst-
lichen Diensten stehende Schraubenmacher Balthasar
Hacker überbracht.

Zu diesen geometrischen Instrumenten gehörte ohne
Zweifel die hier im Bilde wiedergegebene Meßscheibe.
Sie bildete den Hauptteil eines umfänglichen Apparates,
dessen gesamter Bestand 35 einzelne Stücke umfaßte.
Viele Einzelteile dieses Apparates stehen nur in sehr
losem Zusammenhang zur Meßscheibe selbst und können
als selbständige Instrumente angesprochen werden. Auf-
geführt findet sich das Ganze in dem kurz nach dem
Tode des Kurfürsten August 1587 aufgenommenen Inven-
tarium seiner Kunstkammer4). Einige Nebenapparate
lassen sich anhand dieser Aufstellung noch heute im
mathematischen Salon in Dresden nachweisen.

Die Meßscheibe, das einzige erhaltene Erzeugnis
Jamnitzers, das seinen vollen Namen trägt, hat einen
Durchmesser von 518 mm, ist aus Messing gefertigt und
feuervergoldet. Dieses, von dem Rüstzeug des heutigen
Geodäten und Astronomen grundverschiedene Instrument
spricht zunächst durch den Adel seines künstlerischen
Schmuckes, durch das an ihm zum Ausdruck gekommene
frohe Gefallen an dekorativ fertigem Flächenzierrat zu
uns. Durch die mittelst Polierstahls hochglänzend ge-
staltete Bearbeitung der freigebliebenen Ränder und
Zwischenräume zwischen dem Schmuck und den Skalen,
erscheinen die matter gehaltenen eingeätzten Schmuck-
und Teilungsflächen gleichsam eingerahmt, Mutig sind
zwischen die nüchternen Kreise, Kurvenlinien, Teilungen
und Zahlenreihen vergnügliche Putten, Kartuschenwerk
und Fruchtgehänge, die damals schon etwas abgebrauchten
Sinnbilder von Sonne und Mond, Erde und Himmel,
Astronomie und Geometrie, sind das Wappen des Kaisers

3) Hauptstaatsarchiv Dresden Cop. 321 Bl. 142; cop. 345
Bl. 177; cop. 456 Bl. 216; cop. 466 Bl. 25.

4) Die Aufzählung wiedergegeben in: Mitteil. a. d. Sachs.
Kunstsammlungen Jahrg. V ab S. 46.

und der Kurstaaten, Inschriftschilder, die Tierkreiszeichen,
Vater Chronos und ein Araber-Mathematiker, alles in
Anordnung und Gruppierung unter klügster Ausnutzung
der oft eigenartigen Raumverhältnisse, ohne auffallende
Künstelei hingesetzt. Das ist die Art, die uns an den
Werken der Kleinmeister immer wieder Bewunderung
abnötigt, die dem feinnervigen Wenzel Jamnitzer angeboren
gewesen sein muß und die Jost Amman mit solchen ge-
schmeidigen Linien beherrschte. Es kann kaum ein
Zweifel darüber bestehen, daß des letzteren Nadel den
Entwurf Jamnitzers auf die Scheibe radierte, da sie
10 Jahre nach der Perspectiva erstand, die wie schon
erwähnt, von Amman in Kupfer gestochen wurde und
da die Zierstücke dieser Perspectiva in der ganzen Aus-
führung große Verwandtschaft mit derjenigen der Meß-
scheibe aufweist.

Die Verfertigerinschrift auf der Vorderseite der Meß-
scheibe lautet;

„Diese zway horologia sein gemacht worden auf
49. 50. 51. grad:

Durch Wentzel Jamnitzer Goldschmidt zu
Nürmberg verfertiget:

M. D. LXXVIII.“

Der Zierrat um dieses Schild mit seinem fast plastisch
wirkendem Rollwerk und den bizarren Fruchtbündeln
geht mit dem Ammanschen Titelblatt von Jamnitzers
Perspectiva sehr zusammen.

Die Vorderseite der Scheibe ist wie auch die Auf-
schriften besagen, lediglich für Zeitbestimmungen und
zwar im wesentlichen astrologische, eingerichtet. Der
kleine Kreis im oberen Teil gibt die Regierung des
Tagesplaneten, der Halbkreis darüber aber den für jede
einzelne Stunde des Tages und der Nacht einflußreichen
Planeten an. Hier rechnen auch Sonne und Mond nach
dem damals noch geltenden ptolemäischen System zu
den Planeten. Unter den Wochentagsnamen finden sich
für Dienstag und Donnerstag die altsüddeutschen Bezeich-
nungen Erichtag und Pfintztag. Derartige Feststellungen
konnten aber auch durch den unteren Teil des Instru-
mentes teils graphisch, teils durch direkte Beobachtung
von Sonnenhöhen erfolgen. Das Instrument besaß zu
diesem Zwecke ein nicht mehr erhaltenes Stativ und die
schon erwähnten Hilfs- und Ergänzungsstücke. Dieses
astronomische Meßverfahren hier zu erläutern würde über
den gesteckten Rahmen greifen und außerdem die Auf-
zählung der Hilfsapparate erfordern.

Die Rückseite dieser Scheibe war hauptsächlich für
rein meßtechnische, geodätisch - astronomische Arbeiten
bestimmt. Man konnte mit ihrer Hilfe „mit einem oder
Zweien Stenden, weiten, höhen und tiefen mößen kan und
derselben Ruthen, Clafftern, Lachternn, Schritt, Ein oder
Schuhe wißen, mit einem Compaß den man brauchet, wen
man mit einem Stande vielerley seiten mößen will und
offt vielerley Wege gebrauchen kan in meßen“, wie es
in der Beschreibung der Scheibe in dem erwähnten In-
ventar von 1587 heißt. Um Horizontalwinkel messen
zu können, wurde die Scheibe horizontal nach einer Lot-
wage eingestellt und nach der Bussole gerichtet. Höhen-
winkelmessungen erforderten Vertikalstellung und Ein-

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