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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: Ein neues Kunst-Mekka in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0418

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drich VI. von Hessen-Homburg vermählt und lebte bis
dahin immer am Hof ihrer Mutter, meist in Windsor.
Fanny Burney erzählt von ihrem Temperament, es sei so
sanguinisch und optimistisch, daß sie schnell die erste
Wirkung eines Unglücksschlages (die Krankheitsanfälle
des Königs, den Tod der Prinzessin Charlotte) überwände,
unbeschadet ihrer Güte, liebenswürdigen Art und ihres
Eifers um richtiges Handeln. Von Jugend auf hegte sie
die Neigung zur Kunst. Eine gelungene Anekdote be-
richtet, wie jemand daraus Nutzen zog Er schenkte der
Prinzessin orientalisches Porzellan, wie er behauptete,
nur aus Freude an ihrem Kunstverständnis ohne weitere
Absichten. Als aber einmal eine höchst begehrenswerte
Stelle frei wurde, kam er wieder mit zwei seiner besten
Stücke angerückt und das Ende vom Liede war, daß
der gutmütige König die angebliche Liebhaberei seiner
Tochter mit der wertvollen Belehnung dem schlauen
Herrn vergelten mußte.

Prinzessin Elisabeth hat selbst nicht ohne Begabung
gezeichnet: namentlich auf dem Gebiet des Buchschmucks.
Im Jahr 1796 erschien das Gedicht „The Birth of Love“
mit Stichen nach ihren Entwürfen. Sodann hat sie mit
viel Hingebung und unter Aufwand großer Mittel einige
illustrierte Handschriften fertiggestellt. Ich nenne darunter:

„An Abridgement of the History of England From the
Union of the Houses of York and Lancaster ... To the
Present Reign Compiled by Her Royal Highness the Prin-
cess Mary, Transcribed and Embellished by Her Royal
Highness the Princess Elizabeth with Royal Courts, Ar-
mour, Badges, Labels, Portraits etc. MDCCCXII“. Sechs
Bände.

Außer den in Deckfarben gemalten Wappen usw.
sowie Verzierungen, sind hier zahlreiche, zum Teil äußerst
wertvolle Bildnisse und topographische Blätter, alte eng-
lische Stiche und Schabkunstblätter eingefügt.

„The Dukes of York with their Armorial Ensigns . . .“

Die Deckfarbenbilder größtenteils auf eingebundene
Pergamentblätter gemalt; wiederum Stiche eingefügt.

„Populär Tales respecting the ruined Castles and
Monasteries on the Banks of the Rhine and Mount Taunus.
Illustrated with Portraits and Views“ und ein zweiter
ähnlicher Band der sich den „Banks of the Necker“
(-Neckar) widmet. In derselben Weise gehalten und aus-
gestattet. Endlich noch,

„Queen Elizabeth’s Prayers copied by H. R. H. the
Dowager Landgravine of Hesse, born Princess of England,
painted at Hanover, finished at Homburg 1830“. In
diesem Band treten zu der üblichen Ausstattung noch
besonders reich gemalte Seitenumrahmungen hinzu.

In jeder Beziehung deuten diese Bände auf den könig-
lichen Stand ihrer Schöpferin. Sie sind im Imperial Folio
Format gehalten, im vornehmsten Ganzleder-Maroquin mit
prachtvoller Handvergoldung gebunden und enthalten
Bogen des wunderbarsten Velinpapiers. Der Wert eines
jeden dieser zehn Bände, ohne irgend welchen Inhalt,
also allein Papier und Einband, ist heute mit zweitausend
Mark nicht zu hoch veranschlagt, wobei ich garnicht be-
rücksichtige, daß der Umstand ihrer fürstlichen Herkunft

ihnen außerdem noch einen Affektionswert, z. B. für Ame-
rikaner, sichern würde.

In fünf ebensolchen Bänden1) hat nun die Prinzessin
eine Sammlung von annähernd 800 geschabten Bildnissen
aus der Blütezeit dieser Kunst, sämtlich nach Reynolds,
alphabetisch geordnet nach den Namen der Dargestelken,
eingereiht. Es ist dies ein beispielloser Schatz, wie er
außerhalb des British Museums an keiner Stätte der Welt
zu treffen ist. In den vierziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts, als man nur für den schlechtesten Linienstich
schwärmte und die englische Schabkunst ganz mißachtet
war, hat König Friedrich August II. von Sachsen mit
feinem Verständnis und unter Ausnutzung seiner Standes-
vorteile auf diesem Gebiete gesammelt, und man sieht in
dem von ihm hinterlassenen Kabinett wohl mehr und bessere
Schabkunstblätter, als irgendwo sonst auf dem Festland.
Aber ich kann versichern, und ich kenne seine Sammlung
genau, sie ist ein reines Kinderspiel gegen das, was sich
in den besagten fünf Bänden befindet! Zu der wunder-
baren Qualität der Blätter, wie sie eine sammelnde Prin-
zessin gebieten durfte, kommt noch der herrlichste Er-
haltungszustand, für den ich die Erklärung weiter unten
abgeben werde. Ich befand mich in einer begreiflichen
Erregung, als ich beim Durchblättern dieser Bände nach
und nach auf alle die berühmten Stücke traf, deren Ver-
steigerungsquoten in den letzten Jahren immer und immer
wieder solches Aufsehen erregt haben.

Da stößt man auf (ich führe einige Versteigerungs-
preise vor 1913 an, wonach der Leser beurteilen mag,
welchen Geldwert die Sammlung heute darstellt) die
Glanzstücke von W. Dickinson: Diana Crosbie, Eli-
sabeth Countess of Derby, Mrs. Mathew (Verst. Theobald

13 640 Mk.) und Mrs. Pelham; von J. Dixon:
Duchess of Ancaster und Mrs. Blake; von E. Fischer:
Lady Sara Bunbury und Elisabeth Marchioness Tavistock;
von V. Green: Duke of Bedford mit Geschwistern
(1512 Mk. im Jahr 1901), Elizabeth Compton (5880 Mk.
in 1893), Lady Betty Delme (19320 Mk. in 1901), Geor-
giana Duchess of Devonshire (2340 M. in 1901), Lady
Halliday (Verst. Lawson 16 400 Mk.), Jane Countess
Harrington (7430 Mk. in 1901), Lady Louisa Manners
(Verst. Lawson = 13 400 Mk.) Duchess of Rutland
(21 000 Mk. in 1901), Emily Countess of Salisbury
(10500 Mk. in 1902), Charlotte Countess Talbot (4410 Mk.
in 1901), Viscountess Townshend (9450 Mk. in 1901) und
The Ladies Waidegrave (Verst Buckley 15 540 Mk);
J. Grozer: Mrs Seaforth and Child; C. H. Hodges:
Sophia Musters; J. J a c o b e: Miss Monckton ; J. J o n e s:
Lady Tolmache („Miranda“); J. Mc Ardell: Miss Gre-
ville and her Brother; J. R. Smith: Mrs. Carnac (Verst.
Edcumbe = 24 360 Mk.), Lady Cath. Pelham Clinton
(19 740 Mk. in 1901), Mrs. Musters und Lieutenant Tar-
leton; J. Walton: Mrs. Abingdon, Mrs. Bouverie and
son, Duchess of Buccleugh and daughter, Ann Duchess
of Cumberland, Elizabeth Duchess of Manchester und
Lady Stanhope; T. Wat son: Lady Bampfylde (Verst.
Huth = 25 200 Mk.), Lady Maria Broughton, Mr. Haie
(„L’Allegro“) und Lady Elizabeth Melbourne and son.

') Ein sechster bringt das handschriftliche Verzeichnis auf
geschmückten Seiten.

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