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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: Ein neues Kunst-Mekka in Deutschland
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0419

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Für diese 39 Drucke, in der Qualität in der sie vor-
liegen, wollte ich, wie nun einmal das Geld heute steht,
mich anheischig machen, eine Million Mark zu erhalten.

* *

*

Anschließend hieran hat die Prinzessin sechs weitere
Imperial folio Bände mit einer ergänzenden Sammlung
von über 1000 Bildnissen nach anderen Meistern gefüllt.
Auch hier befinden sich sehr viele schöne Schabkunst-
blätter, die die obige Sammlung abrunden helfen: ferner
Stiche usw. von Bartolozzi, Earlom, Nanteuil, Mellan,
Young usw. alles durcheinander, nach dem Alphabet der
Dargestellten eingereiht, das Meiste in sehr erfreulicher
Qualität, wenn sich auch der Inhalt dieser sechs Bände,
ebensowenig wie deren Ausstattung mit den ebengeschil-
derten fünf messen kann.

Es folgen nun noch: 1. Ein ähnlicher Bildnisband mit
Blättern kleineren Formats, dabei viele geschätzte Barto-
lozzi und als Prunkstück der Farbendruck J. B. Gautier-
Dagoty’s „Mme Du Barry“. Von diesem Blatt sind bis-
lang nur drei Exemplare nachgewiesen worden, zwei in
Paris und eins in Berlin. Der nun hinzutretende hat
zwar die besondere Schriftplatte nicht, ist aber sonst das
beste Exemplar von allen, wenn mich mein Gedächtnis
nicht täuscht2). 2. Ein großer Band mit einem Mellan
Werk, in einer Reichhaltigkeit, wie sie sich heute nur
sehr schwer erzielen ließe. 3. Ein großer Band gefüllt
mit Stichen und Holzschnitten aller Zeiten und Schulen,
dabei Dürer, Hollar, Callot usw. Diese letzte Sammlung
enthält wohl manches Gute, tritt aber entschieden, gegen-
über den bereits aufgezählten Sachen in den Hintergrund.
4. Eine interessante Sammlung bunter Karikaturen von
Gillray, Rowlandson und deren Nachahmern. 5. Ein un-
vergleichlich schönes Exemplar von „Portraits des Grands
Hommes, Femmes Illustres Et Sujets Mdmorables De
France . . . A Paris Chez Blin“, mit den Farbendrucken
von Ride, Sergent-Marceau, Morret usw. in einer Qualität,
wie man sie eben nur an Fürsten abgab. 6. Ein loses
Exemplar von CI. Gellees „Liber Veritatis“ mit sämtlichen
200 geschabten Wiedergaben von Earlom. Wie eine
Notiz in der Hand der Prinzessin im Vorderdeckel besagt,
wurde das Werk ihr am 20. Juli 1809 von George Lennox,
Earl Harcourt verehrt. (Gegenwärtig bietet ein Leipziger
Antiquar den 1. Band mit nur 100 Blatt, eingestandener-
maßen ein minderes Exemplar, für 850 Mk. aus.) 6. Eine
interessante Sammlung von Daumier-Alben in der alten
Bemalung, wie sie zur Zeit der Ausgabe besonders ge-
schätzt waren.

Hiermit leite ich über zu den Beständen der eigent-
lichen Bibliothek (in der sich alles Aufgezählte vorläufig
befindet), zu den illustrierten Büchern, und mit diesen
wieder zu den prachtvollen Prunkeinbänden. In der
Hauptsache handelt es sich um naturwissenschaftliche
Werke aus der Zeit 1775—1825, (auch einiges belletris-

2) Am 6. November 1911 tauchte in Paris ein Exemplar, aber
nur in Schwarzdruck aut: ein seinerzeit im deutschen Kunsthandel
befindlicher Druck ist jetzt wahrscheinlich in den schon aufge-
zählten Exemplaren mit inbegriffen.

tische wie z. B. ein herrliches Exemplar des Oudry-La-
fontaine) mit in Farben gedruckten oder bemalten Tafeln,
in Großfolio- oder Großquartformaten. Auf eine Auf-
zählung an dieser Stelle, selbst der Hauptnummern, will
ich verzichten, um nun noch kurz zu berichten, wo sich
dieser Schatz befindet.

Der Anfangs genannte Landgraf Friedrich VI. (am
2. April 1829 gestorben), hatte einen Bruder Gustav
(1781 — 1848, vermählt mit Luise von Anhalt-Dessau),
dessen ältestes Kind, eine Tochter Caroline, beim Tod
unserer, am 10. Januar 1840 kinderlos verstorbenen Land-
gräfin Elisabeth, deren Erbin wurde. Am 1. Oktober 1839
wurde diese Caroline mit Heinrich XX. von Reuß-Greiz
getraut und so kamen, als ihr im drauffolgenden Jahr
das Erbe zufiel, alle die Schätze die ich aufgezählt habe,
nach Greiz.

Die neue Besitzerin und deren Erben wiederum haben
zwar für eine tadellose Erhaltung dieser Bände und
Kupferstiche gesorgt, sich aber sonst nicht dafür interes-
siert. Es ist mir steif und fest versichert worden, daß
zuletzt ein Hofbeamter angeordnet habe, die Sachen seien
alle als wertlos zu vermakulierenü Wenn man hierüber
einfach platt sein mag, so mag man aber auch sich
darüber freuen, daß die Sammlung etwa zwei Menschen-
alter völlig unbeachtet im Verborgenen gelegen hat. Sie
sieht aus, als hätten die ganze Zeit über, kaum ein
Dutzend Menschen einen Blick dareingeworfen. So haben
wir ein Zusammentreffen der glücklichsten Umstände zu
begrüßen. Durch den Stand der Urheberin konnte die
Sammlung qualitativ eine ganz außerordentliche werden:
durch ihre Weltentrücktheit wurde sie vor den Schäden
bewahrt, die jede eifrige, nun gar etwa noch eine unver-
ständige Benutzung mit sich bringt.

Infolge der Auseinandersetzung zwischen Hof und
Staat, ist die Sammlung heute Besitz der Allgemeinheit
in Greiz geworden. Vermutlich soll sie allen Besuchern
zugänglich gemacht werden, und sie wird zu den Sehens-
würdigkeiten Deutschlands zu rechnen sein. Es ist ein
Glück, daß sie sich an einem Ort befindet, an dem die
Benutzung immerhin wohl eine mäßige bleiben wird.

Die Benutzung von Kupferstichkabinetten wirft eine
eigentlich unlösbare Frage auf. Plastik kann man so viel
ansehen wie man will, sie leidet nicht. Auch den Öl-
gemälden schadet der Besucher nur dann, wenn Massen-
besuch, womöglich an schwülen Gewittertagen, eine heiße,
ätzende Temperatur in den Sälen erzeugt, die der Ober-
haut der Gemälde unmittelbar Abbruch tut. Aber eine
Zeichnung, ein Kupferstich leidet jedesmal unter der un-
umgänglichen Hantierung der Menschen, die sie in die
Hand nehmen um sie anzusehen. Die Hauptsorge der
Kupferstichkabinette besteht darin, ihre Schätze so auf-
zubewahren, daß die A b nutzung bei deren B e nutzung
auf ein minimales Maß herabgedrückt wird.

Würde die Greizer Sammlung, so wie sie ist, dem
Publikum zugänglich gemacht werden, in ein paar Jahren
würde, selbst in Greiz, von all der Pracht nichts mehr
übrig sein. Sie ist so aufgestellt wie sie ein Sammler
für sich halten kann, der das größte Verständnis für eine

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