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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Juliheft
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Meder, Carl: Erinnerungen an Max Klinger
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0422

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z. B. mit „Oho!“
bezeichnet. Und
Klinger konnte
nicht genug über
dieses „System“
lachen.

Als wir nun kurz
darauf Klinger zur
Erinnerung an die-
se Dadaisten-Un-
terhaltung einige
Flaschen Rotwein
mit einem Dada-
istentext sandten,
antwortete er mit
folgender Visiten-
karte vom 16. 12.

1919:

„Den herzlich-
sten Dank den
geschätzten Da-
daistenbrüdern.

Schade, daß Sie
nicht später kamen, dann hätte ich andere Ersatzweine
(nicht etwa Weinersatz) vorsetzen können. Jedenfalls
wird uns das Christkind „au fait“ finden. Herzliche Grüße

Oho! und Gemahlin.

Und an den Rand der Visitenkarte setzte der Künstler,
der, wie bekannt, kurz nach dem Schlaganfall geheiratet
hatte, in fröhlicher Laune nochmals das Wort „Oho!“.
Welchen Spaß ihm Dada bereitete, geht aus einer Gratu-
lation zum Neuen Jahre hervor, die er uns 14 Tage
später sandte und die an die „Dadaisten Karl und Otto

„Gefangen“. Aus Klingers letzter Folge
von 46 Radierungen „Zelt“ 1915

Meder“ in Berlin
adressiert war. . .

Im Mai 1920
war mein Vetter
Otto in Groß-Jena.
Er fand den Mei-
ster bei schönstem
Wetter fröstelnd
vor einer Zeichen-
platte. Auf mehr-
faches Zureden
setzte sich Klinger
dann in die Sonne
und hier erst und
dank dem Weine,
der uns kredenzt
wurde, istihmrecht
warm und behag-
lich geworden.

Ich werde im-
mer der vielen
Stundengedenken,
die ich mit unserm
Meister verbringen durfte. Seine gottbegnadete Laune
schuf die stärksten Anregungen und ergänzte die tiefen
Eindrücke, die wir selbst bei dem winzigsten Kunstwerk
fanden, das er aus seiner Hand in unsere Hände legte.

* *

*

Max Klinger ist am 8. Juli in Groß-Jena bei Naum-
burg mit allen den Ehren bestattet worden, die einem
Großen im Reiche der Kunst gebühren. Und Klinger
war einer ihrer Größten. Daß er in seiner Malerei
vielleicht nicht jene höchste Höhe erreichte, die er ange-

„Die Schwäne“. Aus Klingers letzter Folge
von 46 Radierungen „Zelt“ 1915

Max Klinger. Titanenkampf. Aus der Brahmsphantasie 1894

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