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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
DOI Artikel:
Scherer, Christian: Der Augsburger Goldschmied Bernhard Strauß
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0469

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an einem gleichfalls ungefaßten Humpen im Rijks-Museum
zu Amsterdam. Auch hier ist der Körper ringsherum
mit Szenen bacchischen Inhalts in kräftigem Relief ge-
schmückt, bei denen Motive Rubensscher Kompositionen
in geschickter Weise in des Künstlers persönlichen Stil
übertragen sind. Was aber auch diesem Humpen noch
eine erhöhte Bedeutung verleiht, ist die sauber und fein
eingeritzte Bezeichnung „Bernard Straus Aurifaba Marc-
dorffensis Acronianus4 *) fecit“, wodurch also jene Nach-
richt von der Herkunft des Künstlers aus Marcdorf am
Bodensee von neuem bestätigt wird. Zugleich dürfen
wir aber aus dieser und den beiden anderen Bezeich-
nungen wohl mit Recht den Schluß ziehen, daß Strauß
selbst tatsächlich das Goldschmiedehandwerk als seinen
Hauptberuf betrachtete und auch von andern so betrachtet
wissen wollte. Der Zunft der Goldschmiede scheint er
tatsächlich nicht angefrört zu haben,3) was u. a. auch
schon daraus folgen dürfte, daß er, wie Stetten vermutet,
nicht Bürger gewesen und daß seine Niederlassung in
Augsburg den dortigen Goldschmieden keinen Eintrag
zu tun.

Gewiß war es auch der letztere Grund, der ihn ver-
anlaßt haben mag, sich weniger mit der eigenen Gold-
schmiedekunst d. h. vor allem mit der getriebenen Arbeit
zu befassen als mit der ihm von Haus wohl auch ver-
trauteren Schnitzkunst in den verschiedensten Materialien,
zu denen außer den oben genannten ganz besonders
auch das Elfenbein gehörte. Denn daß er dieses schöne
und edle Material in gewissem Sinne bevorzugt und be-
sonders gern verarbeitet hat, beweist auch noch ein
weiteres Werk, nämlich ein 67 cm hohes, aus einem
Stück gefertigtes Elfenbeinkruzifix, das, 1675 vom da-
maligen Theatinerprobst Anton Spinelli um 700 fl. an-
gekauft, sich noch heute in der Sakristei der Theatiner-
kirche zu München befindet.6) Ohne Zweifel war es
aber gerade dieses Kruzifix, das, schon von Sandrart und
Stetten rühmend erwähnt, den Ruf des Meisters auch im
Fache der kirchlichen Kunst begründet und bis auf die
Gegenwart fortgeführt hat. Mit Recht dürfen wir daher
Strauß auf Grund aller dieser Werke den tüchtigsten
Elfenbeinbildnern der süddeutschen Schule zuzählen.
Indessen scheint es, als ob er sich nicht von Anfang an,
sondern erst im weiteren Verlauf seiner Augsburger
Tätigkeit, d. h. etwa seit der zweiten Hälfte der 60er
Jahre, dem Elfenbein zugewandt habe, da er sonst sicher-

4) Acronius lacus = ein Teil des Bodensees, der See von

Überlingen. — Der Direktion des Reichsmuseums möchte ich auch
an dieser Stelle nochmals verbindlichst danken für die mir zur
Verfügung gestellten Photographien und die näheren Mitteilungen
über den Humpen, dessen Maße 16,2 cm hoch und 12 cm breit
(unten) sind.

6) An der Fassung des Londoner Humpens, der doch wohl
von seiner Hand herrühren wird, fehlt daher auch seine Meister-
marke, ebenso wird sein Name nicht erwähnt bei A. Weiß, Das
Handwerk der Goldschmiede in Augsburg 1897. —

6) Vergl. Kunstdenkmale des Königreichs Bayern I, S. 962.

lieh in jener Eingabe an den Rat vom Jahre 1662 auch
hiervon gesprochen haben würde.

Leider ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine
sichere Arbeit des Künstlers in Buxbaumholz nachzu-
weisen; ebenso wie wir noch keine Probe seiner Kunst
des Korallen-Perlen- und Agsteinschneidens kennen,
die ja, ähnlich wie Elfenbeinschnitzerei, mit der Kunst
des Goldschmiedes mehr oder weniger eng zusammen-
hing. Dagegen sind wir im Stande, noch einige weitere
Arbeiten von seiner Hand aus einem Material bekannt
geben zu können, das zwar ebenfalls in jener Eingabe
nicht erwähnt wird, das sich ihm aber wiederum ganz
von selbst aus naheliegenden Gründen technischer wie
ästhetischer Art für seine Zwecke darbieten mußte, näm-
lich der Perlmutter, die schon früher gern verwendet,
besonders aber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
als Material für Kunstarbeiten sehr beliebt geworden war.

Das Landesmuseum zu Braunschweig besitzt näm-
lich vier achteckige Perlmutterplaketten, je zwei in Quer-
und je zwei in Hochformat, die ursprünglich wohl als
Einlagen in ein Kästchen aus Holz oder Metall7) ge-
dient haben und mit mythologischen Darstellungen,
Befreiung der Andromeda durch Perseus, Europa auf
dem Stier, Diana und Atalante in kräftigem Halbrelief
verziert sind, wobei die verschiedenen Farbentöne der
prachtvoll irisierenden Perlmutter in geschickter Weise
für die einzelnen Figuren benutzt wurden. Auf dem
ersten dieser Reliefs, der Andromedadarstellung, befindet
sich eine rechts unten an einem Stein die sorgfältig ein-
geritzte Bezeichnung „1665 Bern: Straus fecit.“

Wir besitzen hiermit also vier weitere authentische
Arbeiten unseres Künstlers, die, seiner Augsburger Früh-
zeit angehörig, an dieser Stelle in originaler Größe zum
ersten Male veröffentlicht werden. In Stil und Technik,
welch letztere sich ja von der der Elfenbeinschnitzerei
nicht wesentlich unterscheidet, stimmen diese vier Reliefs
mit seinen Elfenbeinwerken, besonders mit den Reliefs
des Londoner und Amsterdamer Humpens, so genau
überein, daß man auch deren Entstehung um ungefähr
die gleiche Zeit mit einiger Sicherheit wird ansetzen
können. Daneben ergänzen sie aber das Bild vom
Schaffen dieses tüchtigen und vielseitigen Künstlers in
interessanter Weise und lehren uns zugleich in ihm einen
neuen und begabten Vertreter der bisher noch wenig
beachteten Kunst der Permutterschnitzerei kennen. Trotz
aller seiner Tüchtigkeit scheint aber Strauß in Augsburg
als Außenseiter d. h. als ein außerhalb der Innung
stehender und daher allerlei Anfeindungen ausgesetzter
Künstler kein mit Aufträgen überhäuftes Leben geführt
zu haben, sodaß man es versteht, wenn Sandrart seine
kurze Bemerkung über ihn mit der wehmütigen Klage
schließt: „es ist nur schad | daß dieser Künstler nicht
mehr befördert und gleichwie er an sich selbsten fleissig
mit genügsamer Arbeit versehen ist.“

;) Die Ränder zeigen Metallbeschlag; die Maße sind bei
jenen 0,083X0,068, bei diesen 0,067X0,058.

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