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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [5]: die französische Liebhaberausgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0473

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Aus der Bilddruckverfahrenvervielfältigung blieb allein
der Radierung der Ruf ihrer Vornehmheit und damit
wurde sie zum Hauptverfahren der Liebhaberausgabe.

Mit den sechziger Jahren, mit dem zweiten Kaiser-
reich beginnt die moderne französische Buchkunst in der
Form der Liebhaberausgabe. Während die Wandlung
des Linienholzschnittes in den Tonholzschnitt zum Vor-
teil der Holzschnittkunst sich vollzieht, kehrt man für
das vornehme Buch wieder zum Kupferstich zurück,
worauf auch, wie bereits betont, die rasch zur Manie
sich steigernde Anerkennung der bisher von den Sammlern
vernachläßigt gewesenen Kupferstichwerke des acht-
zehnten Jahrhunderts Einfluß übte, indessen die Neu-
drucke der von den Bibliophilen mit Vorliebe gesuchten
alten Klassikereditionen in Ablösung der „gotisch“ ge-
druckten Bücher jetzt eigene typographische Wege auf-
zufinden sich bemühten, was freilich mehr in einer
äußerlichen Gediegenheit als in einem inneren typo-
graphischen Gehalt sich offenbarte, wovon die Ausgaben
der Pariser Verleger Jouaust und Lemere zeugen. (Der
letztere hat in seiner Programmschrift Le Livre du
bibliophile, Paris: 1874 die Forderungen an das „Ideal-
buch“ zusammengestellt, die recht bescheiden sind). In
einer möglichst freien und raschen Arbeit strebte man
die Buchkupfer herzustellen und bevorzugte auch deshalb
noch die Radierung. Darin lag ebenso ein Antrieb zu
der aesthetischen und vor allem technischen Vervoll-
kommnung der Buchkupfer wie auch ein Anreiz zur
Massenproduktion von Luxuseditionen, die ihrerseits
wiederum die Abwechslung, das „Originelle“ begünstigen
mußte. Hiermit aber gelangte man dazu, auch dem
farbigen Buchbild einen immer weiter zugemessenen
Platz zu gewähren und die Chromotypographie fand
ebenso Anwendung auf die kostspieligen Holzschnitt-
und Kupferdruckverfahren, wie sie für billigere Bücher
der Ausbildung der photomechanischen Reproduktions-
technik eine Verfahrenverfeinerung suchte. (Epoche-
machend für diese letztgenannte Büchergruppe wurde
Le Conte de Larcher, Paris, Lahure: 1883 mit den in
„Chromotypie par gillotage“ wiedergegebenen Bildern
von Poisson). Um 1880 wurden, im Anschluß an die
mit Eifer gesammelten illustrierten Bücher des achtzehnten
Jahrhunderts, auch die Jllustrationswerke und Liebhaber-
ausgaben des neunzehnten zum regelrechten Sammel-
gegenstand, die ersten Handbücher**) übei sie erschienen
und der Bibliophilentyp des modernen „Amateur“ bekam

3) J. Brivois, Bibliographie des ouvrages illuströs du XIX e
sifecle, principalement des livres ä gravures sur bois. Paris: 1883;
G. Vicaire, Manuel de l’Amateur de Livres du XIX. siede. Paris:
1894 ff. J. Sieurin, Manuel de l’Amateur d’Jllustrations. Paris: 1875
ist das Handbuch der „illustration artificielle“ mit hinzugefügten
Suites“. Eine gute Übersicht der bekanntesten französischen
Liebhaberausgaben des neunzehnten Jahrhunderts gibt E. Rahir,
La Bibliotheque de l’Amateur. Paris: 1907.

Livres D’Heures Franz. 15. Jahrhundert

Paul Graupe, Berlin

seine feste Ausprägung. Der Ehrgeiz der neuen Sammel-
richtung und Sammlerschule war es, selbst sich die
Sammlerstücke zu schaffen, vor allem dadurch, daß sie
ihren Büchern eine kostbare Reliure d’Art zu Teil werden
ließen. Der Kunsteinband, technisch sehr vervoll-
kommnet, aber für die Verzierungen bisher in einer
historisierenden Tradition geblieben, entwickelte nun auch
für den Einbandschmuck neuzeitliche Formen und gewann
dafür bisher in Vergessenheit geratene Verfahren wie
Lederauflage und Lederschnitt auszubilden, beide bewußt
auf die Farbenwirkungen einstellend und von der Ein-
banddekoraiton rasch zur Einbandillustration übergehend,
eine Rückwirkung des vom Plakat ausgehenden Bild-
buchumschlages.

Leon Conquet wurde der Schöpfer des (noch schärfer
sich vom livre moderne des neunzehnten Jahrhunderts
abgrenzenden) „livre contemporain“, das heißt einer
Sammelrichtung, die den „Amateur“ des Buches seiner
Gegenwart von den Verehrern der alten Maroquins, von
den Vertretern des Dogmas jener klassischen Bibliophilie
trennte, für die auch die Buchwelt mit der großenRevolution
aufhörte. Nicht etwa, daß Conquet als der Reformator
des guten Buchgeschmackes erschienen wäre (es gab ja
noch andere gleichstrebende Verleger vor und mit ihm und
Bibliophilen, die die Experimente sehr viel selbständiger
und tieferblickend anstellten). Aber er hatte als Geschäfts-
mann Geschmack und Glück genug, um einen Mittel-
punkt für alle diejenigen Buchfreunde zu schaffen, denen
die „große“ Bibliophilie mit ihren alten Büchern der
hohen Preise ihrer Sammlerstücke wegen nicht mehr zu-
gänglich war.

(Fortsetzung folgt.)

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