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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI issue:
1/2. Novemberheft
DOI article:
Dresdner, Albert: Joachim Skovgaard: zu seinem 70. Geburtstage, 18. November
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0119
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Auffassung der Gesamtaufgabe wie im Einzelnen der
Formbehandlung in erster Linie an das italienische
Quattrocento gehalten; daneben werden, z. B. im
Christus des Apsidenfreskos, Einwirkungen der alt-
christlichen Mosaikkunst ersichtlich. Daß eine völlig be-
friedigende Lösung des dekorativen Problems nicht ge-
lungen ist, liegt in der Natur des gewählten Stiles. In
jedem Einzelbilde ist die dekorative Wirkung mit Siclier-
heit und Feinheit durchgefiihrt, aber im Querschiffe steht
das Neben- und Uebereinander vieler verschiedener
Darstellungen dem dekorativen Einheitseindrucke im
Wege. Rein dekorativ bildet die Mitteldecke mit ihren
großen, fest gegeneinander abgegrenzten und harmonisch
abgestimmten Bildern den Höhepunkt. An unmittelbaren
Anklängen an die italienischen Vorbilder fehlt es nicht; es
ist bemerkenswert, daß sie im Fortschritte der Arbeit
sich vermindern; man sieht, wie der Künstler immer
freier und eigener der Aufgabe mächtig wird, und von
der volkstümlichen Bilderbibel, die er unlängst veröffent-
licht hat,*) kann man sagen, daß hier das Element der
Nachahmung völlig überwunden ist. Das aber muß her-
vorgehoben werden, daß Joachim Skovgaards Wiborger
Werk in keiner Weise als ein Pasticcio, als ein nach-
ahmendes Werk aus zweiter Hand anzusehen ist. Denn
es spricht aus allen seinen Teilen eine lebende Künstler-
persönlichkeit, die aus ursprünglichem Gefühle die Auf-
gabe erfaßt und gestaltet hat. Religiöse Bilder sollen nur
von echt religiösen Künstlern gemalt werden — das ist
eine Binsenwahrheit, deren Wiederliolung jedoch nach
den Experimenten der Expressionisten nicht überflüssig
erscheint. Bei Skovgaard ist diese Voraussetzung ganz
erfüllt. Ueberall spürt und sieht man seine Liebe zur
heiligen Ueberlieferung, das Glücksgefühl sie mit seinen
Worten erzählen zu dürfen, die fromme Andacht, mit der
er sie verehrt. Sie ist ihm Wahrheit und Leben, und da-
rum ist sein Werk Wahrheit und Leben. Ist schon die
Auswahl, die er unter ihren Vorwürfen getroffen hat, von
ganz persönlicher Art, so noch mehr der Geist, mit dem
er sie durchdrungen hat. Sie hat, darf man vielleicht
sagen, etwas vom Charakter eines großen schönen Mär-
chens angenommen, in dem das Natürlichste und schlicht
Menschliche mit dem Wunderbaren sich begegnet. Sie
hat durch die Unschuld, die Frische, die unpathetische
Natürlichkeit der Erzählung ein nordisches Gepräge ge-
wonnen und sie ist mit herzhafter Wirklichkeit erfüllt
worden. Die Natur spricht überall lebendig mit; Abra-
ham, der, den Sohn an der Hand, den Opferberg ersteigt,

*) Vergl. meinen Aufsatz „Joachim Skovgaards Bilderbibel“,
Kunst und Ktinstler, September 1926.

ist ein rüstiger alter Bauer, und auf dem Großen Abend-
mahl wird eine liebenswürdige Reihe von Szenen aus
dem Alltagsleben entfaltet.

Joachim Skovgaard ist kein Bahnbrecher und kein
Revolutionär. Dergleichen liegt überhaupt nicht im däni-
schen Volks- und Kunstcharakter. Er ist voller Kultur,
ausgeglichen, beherrscht, feinfühlig. Er ist voller Tradi-
tion und voller Achtung vor ihr. Das Merkwürdigste an

Skovgaard, Mutter mit Kiud, LS90. Staatsmuseum zu Kopenhagen

dieser Künstlerpersönlichkeit ist vielleicht die Leichtig-
keit und Natürlichkeit, mit der er reiche Elemente der
Tradition frei verarbeitet und so in seinen Blutumlauf
aufgenommen hat, daß kaum ein Fremdkörper darin
zurückgeblieben ist. Wenn ein moderner Künstler
problematisch sein muß, so ist Skovgaard nicht modern.
Aber er ist mehr als modern. Es lebt in ihm in dieser
unruhvollen und verworrenen Zeit einer vom Schlage
jener alten Meister, die von Theorien unbeschwert und
unbekümmert, einig mit sich, fröhlich mit dem Pfunde
wucherten, das Gott ihm geliehen hatte, und die redlich
ihr Bestes taten durch ihre Arbeit ihre Mitmenschen zu
erfreuen, zu bereichern, zu erheben.

China, Famille verte,
17. Jahrhundert

Anktion der Sammlung
Friedrich Girtanner
aus Ziirich bei
Rudolph Lepke in Berlin
 
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