/ahrgang 1927
l 2. Dezßmberhelt
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oon
ftiedtidt) Ji. jiofmann c JVKincbcn
f u dem „bilderreichen Dokument vom Sinai“, das
Professor Dr. Kauffmann-Frankfurt a. M. im
1./2. Oktobcrheft des „Kunstwanderer" veröffentlicht
hat, kann ich eine Art Gegenstück beibringen.
Es ist ein Gcmälde mit einer Darstellung von
jerusalem und den heiligen Stätten der Umgebung, das
den Hauptteil einer Votivtafel der Niirnberger Patrizier-
familie der Ketzel bildet. Die Tafel gehört, wenn sich
der Besitzstand seit etwa 30 Jahren nicht geändert hat,
dem Viscount Edward Powerscourt in Scliloß Powers-
court in Irland.
Das letzte Mitgiied der Familie Ketzel, das auf der
Tafel genannt wird, ist Michael Ketze!, der 1503 mit
Graf Hermann von Henneberg ins heilige Land gezo-
gen war. Dic Herstellung des Gemäides fällt also wohl
in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts, wenn auch
manche stilistische Einzelheit auf eine etwas späterc
Zeit zu dcuten scheint. (Abb. I.)1)
Leider ist dic Abbildung des „Sinai-Blattes“ im
b Die Photographie der Tafel hat die Direktion des Germani-
schen Nationalmuseums freundlichst zur Verfügung gestellt. Die
auf dem Original unten abgebildete Reihe der Jerusalemritter aus
der Familie Ketzel wurde bei unserer Reproduktion der Uebersicht-
lichkeit halber weggelassen.
„Kunstwanderer“, verursacht durch den schlechten
Erhaltungszustand des üriginals, so undeutlich, daß ein
Vergleich im einzelnen mit der Jerusalemtafel nicht
rnöglich ist. Aber so viel ist doch zu ersehen, daß in
der allgemeinen Auffassung und in der ganzen Kompo-
sition der beiden Bilder grundlegende Aehnlichkeiten
vorhanden sind. Der Blick von oben in die weite
Landschaft, völlig noch in der mittelalterlichen Dar-
stellungsweise befangen, die Profilierung des Geländes
und der Aufbau der Berge, die Verteilung der Stadt-
anlagen und der einzelnen Gebäudegruppen, die Art der
Einstreuung der Personen und der historischen Szenen
— alles läßt auf einen gewissen Zusammenhang
schließen.
Nun ist zwar, wie Prof. Kauffmann auf Grund der
Erwähnung eines Erzbischofs Athanasios (1708—1720)
vermutet, das Sinaiblatt erst zu Beginn des 18. Jahr-
hunderts entstanden. Wir dürfen aber mit Sicherheit
annehmen, daß es auf eine ältere Darstellung zurück-
geht, die vielleicht durch Jahrhunderte hindurch
schematisch wiederholt wurde. Aucli Kauffmann glaubt
iibrigens bereits, daß das gesamte Szenarium eine ver-
lorene mittelalterliche Darstellung (Mosaik oder J'afel-
bild) zur Grundlage hat. Eine gewisse Bestätigung
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l 2. Dezßmberhelt
IDaüfabetsbtldet? oom bctügen tand
oon
ftiedtidt) Ji. jiofmann c JVKincbcn
f u dem „bilderreichen Dokument vom Sinai“, das
Professor Dr. Kauffmann-Frankfurt a. M. im
1./2. Oktobcrheft des „Kunstwanderer" veröffentlicht
hat, kann ich eine Art Gegenstück beibringen.
Es ist ein Gcmälde mit einer Darstellung von
jerusalem und den heiligen Stätten der Umgebung, das
den Hauptteil einer Votivtafel der Niirnberger Patrizier-
familie der Ketzel bildet. Die Tafel gehört, wenn sich
der Besitzstand seit etwa 30 Jahren nicht geändert hat,
dem Viscount Edward Powerscourt in Scliloß Powers-
court in Irland.
Das letzte Mitgiied der Familie Ketzel, das auf der
Tafel genannt wird, ist Michael Ketze!, der 1503 mit
Graf Hermann von Henneberg ins heilige Land gezo-
gen war. Dic Herstellung des Gemäides fällt also wohl
in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts, wenn auch
manche stilistische Einzelheit auf eine etwas späterc
Zeit zu dcuten scheint. (Abb. I.)1)
Leider ist dic Abbildung des „Sinai-Blattes“ im
b Die Photographie der Tafel hat die Direktion des Germani-
schen Nationalmuseums freundlichst zur Verfügung gestellt. Die
auf dem Original unten abgebildete Reihe der Jerusalemritter aus
der Familie Ketzel wurde bei unserer Reproduktion der Uebersicht-
lichkeit halber weggelassen.
„Kunstwanderer“, verursacht durch den schlechten
Erhaltungszustand des üriginals, so undeutlich, daß ein
Vergleich im einzelnen mit der Jerusalemtafel nicht
rnöglich ist. Aber so viel ist doch zu ersehen, daß in
der allgemeinen Auffassung und in der ganzen Kompo-
sition der beiden Bilder grundlegende Aehnlichkeiten
vorhanden sind. Der Blick von oben in die weite
Landschaft, völlig noch in der mittelalterlichen Dar-
stellungsweise befangen, die Profilierung des Geländes
und der Aufbau der Berge, die Verteilung der Stadt-
anlagen und der einzelnen Gebäudegruppen, die Art der
Einstreuung der Personen und der historischen Szenen
— alles läßt auf einen gewissen Zusammenhang
schließen.
Nun ist zwar, wie Prof. Kauffmann auf Grund der
Erwähnung eines Erzbischofs Athanasios (1708—1720)
vermutet, das Sinaiblatt erst zu Beginn des 18. Jahr-
hunderts entstanden. Wir dürfen aber mit Sicherheit
annehmen, daß es auf eine ältere Darstellung zurück-
geht, die vielleicht durch Jahrhunderte hindurch
schematisch wiederholt wurde. Aucli Kauffmann glaubt
iibrigens bereits, daß das gesamte Szenarium eine ver-
lorene mittelalterliche Darstellung (Mosaik oder J'afel-
bild) zur Grundlage hat. Eine gewisse Bestätigung
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