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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Märzheft
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Schapire, Rosa: Aus spanischen Museen, [2]: Madrid
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0300
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sind manche Zuweisungen des Kataloges von 1913
durch die neuere 'Forschung überholt.

Da mehrere Räume des Prado in den Sommer-
inonaten 1926 infolge Renovierung geschlossen waren,
war ein Teil der Sammlung: die Spanier, rnit Ausnahme
der Prunksäle von Greco, Vclazquez und Goya, im Sta-
dium dcs Umhängens. Die Bilder waren in den zum
Teil dunklen Räumen des Untergeschosses schlccht
untergebracht. Da diese provi&orische Unterbringung
kein Maßstab für das Hängen im Prado ist, so muß be-
tont werden, daß die Bilder im Prado im allgemeinen
locker, gut und namentlich sehr iibersichtlicli hängen,
zeitlicii Zusammengehöriges ist nicht auseinander ge-
rissen, so daß man sich in der ungeheuren Sammlung
verhältnismäßig schnell zurechtfindet. Auch die Waud-
bespannung ist in den meisten Fällen gut und diskret
und unterordnet sich dem Farbcharakter der Bilder, die
den betreffenden Saal beherrschen. Vor allen Dingen
sind die Bilder ungewöhnlicli gut erhalten; sicherlich
trägt das trockene s.onnige Klima viel dazu bei, ebenso
der Umstand, daß die Bilder, die in der Hauptsache aus
königiichem und klösterlichem Besitz stammen, stets
gut behandelt wurden und weniger verhängnisvolle
Scliicksale hinter sich haben als, Bilder, die ihren Be-
sitzer ständig wechscln. Hier ist nichts verputzt und
nichts verschmutzt, die Bilder strahlen im Glanz ihrer
ursprünglichen Schönheit. Innerhalb der einzelnen
Schulen ist der Katalog nach dem Alphabet geordnet;
die italienische Schule (579 Bilder) an die Spitze ge-
stellt. Nuinerisch überwiegt naturgemäß die spanische
Schule mit 749 Bildern, doch steht ihr der Zahl nach die
flämische mit 703 Bildern kaum nach.

Von romanischer Wand- und Tafelmalerei, von der
die Museen in Barcelona und Vich so übcrraschend
großartige Schätze bergen, enthält der Prado nichts;
es liegt sicheriich mit an der Anordnung dieser
großen Sammlung, daß die Bedeutung der primitiven
spanischen (katalonischen) Malerei so lange unter-
schätzt worden ist.

Flandrischer und italienischer, besonders, venezia-
nischer Einfluß beherrscht das Schaffen der wenigen
spanischen Maler des 15. Jahrhunderts, von denen man
im Prado eine klare Anschauung gewinnen kann. Vene-
zianischen Einfluß in Fonn und Farbe verrät das um-
fangreiche Bild eines thronenden Bischofs von Barto-
lome de Cardenas cl i3ermejo von 1474 aus dem Kloster
S. Domingo de Silos (felilt im Katalog). Pedro Ber-
ruguete, der Maler Philipps des Schönen, der nach D.
Jose Marti’s Forschungen im Jahre 1503 gestorben ist,
ist mit neun großen Bildern vertreten. Sie stammen
aus dem Kloster St. Thomas aus Avila und verherr-
lichen in figurenreichen Kompositionen von Domini-
kanern besonders verehrte Heilige. Selbst ein Auto-
dafe (Nr. 618), dem Dominicus de Guzman präsidiert,
fehlt nicht. Im Kolorit und besonders im Bildaufbau ist
venezianischer Einfluß (Carpaccio) unverkennbar. —
Aus der Cartuja von Miraflores stammen sechs Bilder
mit der Legende Johannes des Täufers, die Fernando
Gallegos zugeschrieben werden. Er steht stark unter

Dirk Bouts’ Einfluß, doch wirken seine langgezogenen
Gesichter hölzern und trocken. Bei der Geburt von
Johannes (Nr. 706) sei als Kuriosum notiert, daß die
übliche Badeszene, bei der die eine Frau die Tempera-
tur des Badewassers prüft, hier eine Abweichung er-
fahren hat: an der Flamme werden die Windeln des
Ncugeborenen gewärmt.

Der Grecosaal (etwa zwanzig Bilder etwas zu
diclit gehängt) grenzt an den Tintorettosaal. Die Zu-
sammenhänge mit dem großen Venezianer, dessen Ana-
turalismus der Farbe Greco sich zu eigen gemacht hat,
springen in die Augen; bedeutsamer als dieser Zusam-
menhang ist, wie Greco diese Anrcgungen verarbeitet
hat. Die psychi&che Temperatur steigert sich von der
Dreifaltigkeit über Kreuzigung, Auferstehung, Taufe
Christi bis zum Pfingstfest, wo die Heiligenscheine zu
Flammen geworden sind und steil über den Köpfen der
Apostel stehen. Darüber schwebt die Taube in grün-
lich-gelber Glorie, als, Bekrönung einer dunklen, oliv-
farbenen Kuppel, in d'ie das Bild großartig nach oben
ausklingt. Rechts und links kominen dunkles Braun
und Rot durch. Ueberschlanke Gestalten mit kleinen
Köpfen, vom Rücken gesehene Figuren, in die Höhe
weisende Arme steigern den Eindruck des Ekstatischen.
In seinen Bildnissen unbekannter Edelleute hat Greco
das Wesen des Spaniers, seine Verhaltenheit und
Würde, seine Innerlichkeit trotz „sosiego“ und nach
außen gekehrter Grandezza schärfer und eindringlicher
erfaßt als irgendeiner vor oder nacli ihm. 1868 war es
noch möglich, Bilder von Greco, wie die Verkündigung
(Nr. 827), für 375 Pesetas zu erwerben. Was haben
sich spanische Sammlungen trotzdem alles entgehen
lassen!

Velazquez ist eiue große Enttäuschung. Es be-
steht keineswegs die Absicht Meier-Graefes Spuren zu
folgen, aber das Unbestimmte und Verwascliene von
Velazquez’ Gesichtern, die Art, wie er sich immer wie-
der im Format vergreift und seine großen Flächen nicht
füllen kann, seine leeren landschaftlichen Hintergründe
wirken peinlich. Natürlich gibt es eine Reihe bravou-
riös gemalter Bilder, aber das sind Blender, die auf die
Dauer nicht standhalten. Von Velazquez' vieigeprie-
senem Realismus bleibt nicht viel übrig, man vergleiche
seine Zwerge und Hofnarren init Frans Hals’ Volks-
typen, um sich des Abstandes bewußt zu werden; er
war der Hofmaler seiner Zeit, zu allen Konzessionen
bereit, die seine holie Stellung mit sich gebracht hat.
Kcineswegs steht hinter seinem Werk die große male-
rische Kultur und Tradition, die uns bei van Dycks Bild-
nissen, selbst wenn sie seelisch nicht gerade tief ge-
schürft sind, zur Bewunderung zwingen. Wie bei allen
schwachen Bildern schmeicheln die Reproduktionen;
die Originale, die nicht aus einer großen Schauung
und Weltanschaung entstanden sind, verblassen und
fallen auseinander. Der große, von einer steten Schar
von Kopisten belagcrte Velazquez-Saal ermiidet; wir
lassen es den Hofmaler Philipps IV. in seiner Wertung
heute schwer genug entgelten, daß er Jahrzehnte hin-

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