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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Schiff, Fritz: Ein Frühbild von Pozzoserrato
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0312

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Toscana und Rom, wenigere in Venezianische. Unter
den Nordländern, die damals in die Schule oder wenig-
stens die Nähe des greisen Tizian, des Tintoretto, des
Palma Vecchio, dcs Paolo Veronese gingen, berand
sich, wie Ridolfi1) angibt, auch Lodovico 'l'oeput, von
Ridolfi Pozzoserrato2) gcnannt, ans Mccheln, der gleich
vielen seiner Gefährten nicht den Weg in die Heimat
zurückfand. Im Kreise Veroneses und Tintorettos ge-
scliult, wohl zusammen mit Paolo Flammingo, läßt er
sich, wie Carel van Mander3) erzählt, außerhalb
Venedigs in Treviso nieder und scheint dort ein ange-
sehener und gern gerufener Mcister gewesen zu sein.
Im heutigen Pfandhaus zu Treviso4) sind noch Fresken
von ihm erhalten, die in der pathetischen Anlage ihrer
Architektur-Landschaften, in der feurig bewegten Dar-

stellung ihrer Menschen selir gut von jedem gebürtigen
Venezianer gcschaffen sein könnten. Nur der grau-
grüne Ton, der, wie Peltzer5 *) und Coletti“) angeben,
diesc Fresken beherrscht, steht in einem gewissen
Gegensatz zu den übrigen Fresken der venezianer
Schule, ist indessen keineswegs ein Kennzeichen
niederländischer Att. Aehnlich triiben Tones ist ein
Bild in Kasscl, das man wohl mit Sicherheit

J) Ridolfi, Le maraviglie dell’ arte. Hrsg. v. Detlev v. Hadeln.
Iierlin 1914. Bd. II, S. 81 ff.

2) a. a. (). S. 93 f.

■!) Carel van Mander, Das Leben der niederländisehen und
deutschen Maler. Uebers. v. Hanns Floerke. Miinchen 1906.
Bd. II, S. 345.

3) Ridolfi, a. a. O.

") Pcltzer, Niederländ.-Venezianische Landschaftsmalerci in

„Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst“. Neue Folge. I. 1924.

S. 143 ff.

“) „Dedalo“, Rassegna d’ arte. Anno VI. 1925. S. 408.

(Abb. 406.)

Pozzoserrato zuschreiben kann.7) Es stellt das Gleich-
nis vom armen Manne dar. Nichts auf ihm erinnert an
das frische, noch tatkräftige, etwas kleinbürgerliche
Milieu des Nordcns, dessen bürgerliche Gesellschaft
sich soeben in den Kämpfen der Reformation
konstituiert hatte; vielmehr spricht aus dem Bilde der
Geist jenes hochkultivierten, fast übersättigten besitz-
sicheren venezianer Großbürgertums, dessen Reichtum,
zum mindesten in der Phantasie, keine Hemmungen
hatte, herrlichste phantastischste Paläste mit Säulen-
hahen zu bauen, umgeben von berauschenden Gärten,
in denen die schwer und elcgant gekleideten Patrizier
und Patrizierinnen tafelten und lustwandelten. Eine
schwüle, schon barockmagische Sinnlichkeit durch-
drang Inhalt, Form und Farbe und schuf den Künsticrn

ständig Möglichkeiten, mit Linien, Lichtern Stellungen
und Perspektiven raffinierte Wirkungen zu erzielen.

Nun ist cs keine Frage, daß Milieu und Einflüße
einer stärkeren und konservativen Kultur auf einen
Künstler so stark wirken können, daß die Augenbilder
und Kunstformen, die er in der Kindheit in seiner Hci-
mat empfangen hat, völlig verdrängt werden. Damit
könntc man Pozzoserrato ohne weiteres zur venezianer
Schule des späten Cinquecento rechnen; jetzt ist aber
ein Bildchen Pozzoserratos8) aufgetaucht, das kunst-
geschichtlich deshalb von Bedeutung ist, weil auf ihm
der Zusammenstoß zwischen niederländischen Klein-

7) Vgl. Peltzer u. Coletti a. a. 0. und Hadeln, in Ridolfi,
a. a. 0. S. 94, Anm. 6.

8) Das Bild ersehien auf dem londoner Kunstmarkt als Toeput.
In Berlin wurde es von Dr. G. Poensgcn sofort als Pozzoserrato
erkannt. Prof. A. L. Mayer-Miinchen gab auf Grund einer Photo-
graphie das gleiclie Urteil ab; der Verf. sehließt sicli diesen
Meinungen an.

Pozzoserrato, „Wundcrbare Speisung der Fiinftausend“ - Kunstbesitz Kricli Cassircr, Berlin

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