Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1898)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Neue Musikerbiographien, [1]: Händel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0217
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Leue /Dusikerbiograpkiien.

Händel.

Nach der Anzahl der Schriften über die Lebensgeschichte berühmter Ton-
künstler, die mit jedem jungen Jahr in Deutschland erscheinen, möchte man fast
auf ein reges gcschichtliches Jnteresse unserer Musikwelt schlietzen. Tief sitzt es
aber kaum, denn wir haben's bisher noch nicht einmal zu einem brauchbaren
Grundrih der Musikgeschichte gebracht. Unsere Fachzeitschriften auf diesem Ge-
biete gehen ein, die kritischen Ausgaben alter Meister finden keinen Absatz, und
die historischen Konzerte sind gegenwärtig im Begriff wieder aus der Mode zu
kommen.

Nun scheint die Berliner Verlagsgesellschaft „Harmonie" auf das richtige
Mittel verfallen zu sein, womit man den Deutschen die Geschichte ihrer Lieb-
^ingskunst mundgerecht macht. Bilderbücher — dic locken, und nebenbei bleibt
auch wohl vom begleitenden Text noch allerlei hängen. Dem ersten, hier be-
reits angezeigten (Brahms-) Band ist im Verlag der „Harmonie" nun schon
der zweite gesolgt, dcr Händel zum Gegenstande hat und jenem an Reichtum
der Ausstattung nicht viel nachgibt. Er bringt nicht nur drei prächtige Voll-
bilder (das Händelbild von Wolffgang, Händel und König Georg l., das
Händeldenkmal in der Westminsterabtei), sondern auch noch sieben in den Tert
gedruckte Bildnisse, drei Faksimile, darunter des Meisters Halleluja und sein
Testament, zwanzig Notenbeispiele nebst andern Jllustrationen, dazu 86 Groh-
oktavseiten Text, ein Ganzleineneinband mit reichem Goldruck — und das alles
um den fast beängstigend niedrigen Preis von drei Mark l Was den Text an-
langt, der uns natürlicherweise die Hauptsache sein muß, so hätte nicht leicht
ein geeigneterer Autor dafür gewonnen werden können als Fritz Volbach, der
bewährte Leiter des Mainzer Händelfestes, der den Taktstock wie die Feder
vortrefflich zu führen versteht. Er hat sich die Aufgabe gestellt, Händel im
steten Hinblick auf seine Zeit zu betrachten und verweilt darum gern bei der
Schilderung des Milieus, wobei ihm anschauliche kleine Kulturbilder gelingen
und er auch Einzelhciten lebendig zu machen weitz. „Neues" zu bringen lag
nicht in seiuer Absicht, auf die geschickte Gruppierung und Gestaltung des dank
Chrysanders Forschungen zu Tage liegenden Materials kam es an. Auch
brauchten keineswegs alle Werke des Meisters einläßlich besprochen zu werden,
wenn nur die Hauptzüge und Grundgedanken seines Schaffens um so plasti-
scher hervortraten. Volbach selbst weist richtig daraus hin, datz während Beet-
hovens und Wagners Werke die Kette einer grotzen Entwickelung bilden, aus
der man kein Glied weglassen darf, ohne das Verständnis für die folgenden zu
verlieren, die Objektivität Händels ein solches Verhältnis ausschlotz. Seine
bezeichnenden Eigentümlichkeiten können also nach stilistischem Belieben an
diesem oder jenem Werke dargelegt werden, und der Biograph weitz diesen
Vorteil geschickt zu benutzen, um uns in unterhaltendem Wechsel bald die har-
monische Neuartigkeit, die Durchführung der Motive, die melodische Schönheit,
die Verwendung der Koloratur als Ausdrucksmittel, die durch plötzliches Ver-
stummen und Wiedereinsetzen des Orchesters erzielte dramatische Spannung,
die Charakteristik der Jnstrumentation, der Tonmalereien bei Händel aufzu-
zeigen. Neben der künstlerischcn wird auch die menschliche Persönlichkeit des
Meisters dcutlich, so datz das mit ebensoviel Wärme wie Gewandtheit geschrie-
bene Buch seinem Zwecke in glücklicher Weise gerecht wird.

Nach diesem unumwundenen Gesamtlob wird es erlaubt sein, auf Ein-
zelnes aufmerksam zu machen, das mir bei einer zweiten Auflage der Abän-

r»r
 
Annotationen