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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1898)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0214
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keifte, da versteckte sich der Mond rasch hinter eine dichte Wolke. „Jst ohne
rvcitere Auslegung verständlich/ sagte der Bremer. Beim Feldbuben Hans
bildete die Wolke über dem Mond eine Art Sack, der aber sachte zusammen-
schrumpfte. „Wird auch aufs Jahr Karten spielen, der Hansel," sprach dcr
Bremer. Beim Ochsenknecht kam ein großes Ungeheuer heran, that den Rachen
auf und fratz den Mond. Dieses Zeichen wußte der Bremer nicht zu erklüren.
„Wenn man sich heutzutage noch dem Teufel verschreiben könnte, so möchte ich
an so etwas denken," sagte er. Wir mußten es der Zeit überlassen, was sie
Lber den Ochsenknecht verhängen würde. Bei der Stallmagd Christina, die sich
widerwillig in den Kreis gestellt hatte, hub ein helles Hallo an! Gerade unter
dem Monde spielten die Wolkenzipfel so, als ob ein Männlein und ein Weib-
lein nebeneinander ständen und sich die Hände reichten. „Heiraten wird sie/
sagte der Bremer in dumpfen Tone. Da schrie dic Christina auf: „Jch mag
nit heiraten!", riß aus und lief wegshin. Aber sie wendete sich um, denn noch
hörten wir ihre helle Stimme: „Keinen Faulenzer mag ich nit! Keinen Men-
schen, der kerngesund ist und seine geraden Glieder hat und nit arbeiten will,
den mag ich nit! Die starken Händ' zum Betteln aufhalten, pfui Teufel! Und
wenn's das einzige Mannsbild wär auf der Welt, und wenn er in Guld und
Edelgestein gefaßt wär, und wenn er so schön wär wie der Adam alßer ncuer,
wie ihn Gott derschaffen gehabt hat; wenn er nit arbeiten thät, wenn er nur
schmarotzen wollt, so möcht ich ihn nimmer und nimmer zu meinem Mann.
Gute Nacht allmiteinand I" Und dann war sie in dcn Waldweg verschwunden.

Etliche von uns lachten, andere schauten auf dcn Brcmer. Der Mond
macht zwar alle roten Gesichter blaß, aber dem Bremer-Sepp seines war jetzt
ausnehmend fahl; wie dcr hölzerne Wegweiser daneben, so starr stand er da
und endlich sagte er leise und langsam: „Das ist ein vcrflucktcs Weibmensch,
diese Christina, aber-recht hat sie!"

Und dann ist er ihr nachgegangen. Denn dumm war er nicht, wußte
auch, was er wollte- — Wer hat ihr denn gesagt, daß sie just den „Faulenzer-
nehmen sollte? Das hatte der Mond nicht gesagt, und sonst auch niemand. Ei,
doch! Einer hatte es gesagt, aber ganz heimlich, in stiller Nacht, nur zu sich
allein gesagt, und das war er selber, der Sepp. — Und die Christina hatte
sich jetzt gottlos verraten. Die muß schön viel an ihn dcnken, wenn ihr kein
anderer einfällt, dcn sie nicht heiraten will!

Kurze Zeit darauf stand die Wegzeigersäule wieder allein auf der Wald-
höhe und das Wolkenspiel fuhr fort, die künftigen Geschicke den Mcnschcn an
dcn Himmel zu zeichnen.

Ob es aber auch zutrifft?

Ein Jahr darauf, als wieder Weihnachten kam, hatte der Ochscnknecht
scin arm Dirnlein verlassen und in einen großen Bauernhof geheiratet. Aber
in diesem Hofe, neben dem Geldsack, saß cin Drache, die alte Bäuerin, der er
sich hatte verschreiben müssen mit Leib und Seele. Er war nicht mehr Ochscn-
knecht, er war ein reicher Großbauer, manchmal aber schaute er trübsclig in
die Wolken auf, und am Himmel sah er Ungeheuer.

Und der Bremer-Sepp? Der hatte ein Kleinhäusel gepachtet, im Früh-
jahre den Acker gepflügt, Korn gesät und Kartoffeln angebaut. Und dann war
er eines Tages zu uns gekommen — wieder als Bettelmann. Nicht mehr
bcttelte er um einen Sitz am warmen Ofen, nicht mehr um eine warme Suppe,
er bettelte um die Stallmagd Christina, die freilich auch nicht kalt war. Zu-
crst schmetterte sie ihm unter glühendem Augenleuchten sein bisheriges Vaga-
Uunstwart
 
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