Orlando d'Hollanda, Bildnis Michelangelos.
Aus Grimms Michelangelo, Prachtausgabe (Berlin, W. Spemann).
Kilclenäe k^unkt.
An diese Abteilung sind wir immer mn einiger Unlust gegangen, weil Iwir
wissen, daß wir durch Empfehlung von Büchern aus dem Gebiete der bildenden Kunst
für die künstlerische Kultur nur einen verhältnismäßig geringen Nutzen stiften können.
Denkt man unsere Empfehlungen zu benützen, so wolle man sich vor allem vor dem
Mißverständnisse hüten, als ob kunstgeschichtliche Kenntnisse dem Kunstverständnis
oder besser: dem Kunstempfinden aufhelfen könnten. Das Kunstgefühl, das „Lesen-
können der Kunstsprache" stärkt man nicht durch das Lesen von Kunstgeschichten,
sondern nur durch Uebung des Auges und womöglich auch der Hand vor der Natur,
an Kunstwerken selbst. Je mehr man die Augen übt, Farben zu sehen, Formen zu
empfinden, Linien nachzufühlen, um so mehr macht man unsren seelischen Kräften die
Ansdrucksmittel anderer seelischer Kräfte zugänglich, soweit sie von Auge zu Auge
reden. So bildet man sich dazu, das nur Äeußerliche oder „Gelogene" der Knnst-
sprache leichter und leichter und schließlich unmittelbar herauszufühlen, ebenso aber auch
dazu, der künstlerischen Persönlichkeit immer leichter in ihre Tiefen zu folgen. „Kunst-
geschichten" u. s. w. können dazu so gut wie gar nichts helfen.
„Runsterziehung. Diese ganze Frage ist als die Frage der Kunsterziehung in
unsren Tagen in den bleibenden Bestand der Tagesfragen eingereiht worden, und sie hat
darum eine reiche und auch gute Literatur zu verzeichnen. Wir nennen zuerst Konrad
Langes Buch „Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend", das sie zum ersten
Male grundsätzlich und umfassend, wenngleich an manchen Stellen anfechtbar, behandelte.
Wir nennen weiter eine Reihe Bücher von Alfred Lichtwark, die reiche Anregungen
bieten: vor allem seine „Uebungen in der Betrachtnng von Kunstwerken", seine „Er-
ziehung des Farbensinnes" und das ungefähr zwanzig Aufsätze umfassende Bnch „Aus
der Praxis". Lichtwark, der selbst aus dem Lehrerstande hervorgegangen ist, hat
mit seinen Gedanken für künstlerische Erziehung bekanntlich namentlich unter den
Hamburger Lehrern begeisterte Anhänger und Verwirklicher seiner Jdeen gefunden.
2. Novemberhest (Y02
20(
Aus Grimms Michelangelo, Prachtausgabe (Berlin, W. Spemann).
Kilclenäe k^unkt.
An diese Abteilung sind wir immer mn einiger Unlust gegangen, weil Iwir
wissen, daß wir durch Empfehlung von Büchern aus dem Gebiete der bildenden Kunst
für die künstlerische Kultur nur einen verhältnismäßig geringen Nutzen stiften können.
Denkt man unsere Empfehlungen zu benützen, so wolle man sich vor allem vor dem
Mißverständnisse hüten, als ob kunstgeschichtliche Kenntnisse dem Kunstverständnis
oder besser: dem Kunstempfinden aufhelfen könnten. Das Kunstgefühl, das „Lesen-
können der Kunstsprache" stärkt man nicht durch das Lesen von Kunstgeschichten,
sondern nur durch Uebung des Auges und womöglich auch der Hand vor der Natur,
an Kunstwerken selbst. Je mehr man die Augen übt, Farben zu sehen, Formen zu
empfinden, Linien nachzufühlen, um so mehr macht man unsren seelischen Kräften die
Ansdrucksmittel anderer seelischer Kräfte zugänglich, soweit sie von Auge zu Auge
reden. So bildet man sich dazu, das nur Äeußerliche oder „Gelogene" der Knnst-
sprache leichter und leichter und schließlich unmittelbar herauszufühlen, ebenso aber auch
dazu, der künstlerischen Persönlichkeit immer leichter in ihre Tiefen zu folgen. „Kunst-
geschichten" u. s. w. können dazu so gut wie gar nichts helfen.
„Runsterziehung. Diese ganze Frage ist als die Frage der Kunsterziehung in
unsren Tagen in den bleibenden Bestand der Tagesfragen eingereiht worden, und sie hat
darum eine reiche und auch gute Literatur zu verzeichnen. Wir nennen zuerst Konrad
Langes Buch „Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend", das sie zum ersten
Male grundsätzlich und umfassend, wenngleich an manchen Stellen anfechtbar, behandelte.
Wir nennen weiter eine Reihe Bücher von Alfred Lichtwark, die reiche Anregungen
bieten: vor allem seine „Uebungen in der Betrachtnng von Kunstwerken", seine „Er-
ziehung des Farbensinnes" und das ungefähr zwanzig Aufsätze umfassende Bnch „Aus
der Praxis". Lichtwark, der selbst aus dem Lehrerstande hervorgegangen ist, hat
mit seinen Gedanken für künstlerische Erziehung bekanntlich namentlich unter den
Hamburger Lehrern begeisterte Anhänger und Verwirklicher seiner Jdeen gefunden.
2. Novemberhest (Y02
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