Reichtum, dsr durch die blotze Motiv-- >
malerei nicht zu erreichen ist, und eine
Tiefe der Empfindung, die nur aus
dem Erleben hervorgehen kann. Durch
dies Verhältnis zur Natur ragt er
weit über Künstler hinaus, die ihm an
technischem Vermögen überlegen sind.
Wenn Berliner Kritiker jetzt rügen,
rvie mangelhaft hier oder dort auf
seinen Bildern das Wasser gemalt sei,
so ist es richtig, datz viele moderne
Maler die Erscheinung des Wassers
an sich virtuoser wiederzugeben wissen;
nber das Wasser als lebendigen und
notwendigen Bsstandteil einer grotzen
Landschaft zu schildern, es mit andern
NaLurerscheinungen in so sinnvoller
Weise zu umstellen, datz es durch
sie in seiner Bedeutung sür die
Natur und ihr Leben erklärt wird,
darin werden ihm um so wenigere
gleichkommen. Jn seinen Landschaften
lebt jenes Verständnis für die Natur,
das der Liebe entspringt; und das
Bibelwort: „Wenn Jhr mit Engels-
zungen redetet und hättet der Liebe
nicht", — für die Kunst gilt es im
höchsten Matze. So, aus empfäng-
lichem und liebereichem Leben ent-
quollen, entbehren seine Bilder aller
Gewaltsamkeit. Bei Stuck sehe ich
einen Maler, der darauf bedacht ist,
brillante Bilder zu malen; bei Thoma
einen Menschen, der sein Verhältnis
zur Natur durch die Kunst auszu-
drücken wünscht.
Aehnlich ist die Stellung Thomas
zum Menschen. Jmmer hat er in ihm
das Ebenbild Gottes gesehen und ist
ihm mit Ehrfurcht und Liebe nahe ge-
treten. Er wäre nie sähig gewesen,
ein Menschenantlitz als eine schmierige
Masse von grünen und blauen Flecken
darzustellen, wie man das heut in üen
Ausstellungen oft genug sehen kann.
Sein ganzes Leben lang suchte er bei
den Menschen das, was er als Lebens-
luft brauchte: ruhiges inneres Leben,
ernste Heiterkeit, Güte und Vornehm-
heit, Frömmigkeit und Ehrfurcht. Es
ist schön, wie er die Bauern Millets (dsr
stark auch aus ihn gewirkt hat) in seine
Sphäre übertragen hat. Jene sind die
ewigen Ernährer der Menschheit; in
grohen Fernen dehnt sich die ganze
unendliche Erde um sie; die Majestät
und der Ernst der Arbeit prägt sich
in ihnen aus; sie sind die Stützen und
Grundlagen des ganzen Gebäudes der
menschlichen Gesellschaft, Helden eines
urewigen Kampfes. Aber aus kleinem
Raume verrichtet Thomas Bauer sein
Werk, ein srisdlicher Familienvater,
der einen engen Kreis beherrscht, für
seine Kinder pflanzt und sätund fromm
des himmlischen Segens für seine
Arbeit harrt. Millets Bauernbilder
tragen einen heroischen und sozialen,
Thomas einen idyllischen Charakrer;
jene stellen mehr den Kampf des
Menschen mit der Erde, diese ihre
Freundschaft mit ihr dar. Zn vielen
Bildern hat sich Thoma unablässig be-
müht, sein Menschenideal zu gestaltsn;
aber sein letztes und höchstes Wort
hat er vielleicht in einem Mädchen-
bildnisse gegeben, das erst in den
letzten Jahren entstanden ist: ein Müd-
chen im rosa Kleide undStrohhut,einen
Heidestrautz in den Händen, vor einem
Kiefernhügel, über den man in die
Ferne blickt. Jn diesem Antlitze voll
milden Ernstes, voll ruhevollen tiefen
Lebens, voll zarter treuer Liebe und
Wahrhaftigkeit hat er ein Jdeal ge-
schasfen, das den Deutschen und ihrer
Kunst nicht mehr verloren gehen wird.
Und daneben zu sehen, datz Stuck die
Saharet malt und wieder die Saharet
und noch einmal die Saharet ....
Thoma ist eine „unschuldige" Seele,
die Unschuld in diesem besonderen
Sinne fehlt Stuck. Eine beklemmende
Schwüle, ein betüubendes Parfüm
schlägt uns aus Stucks Werken ent-
gegen. Man verstehe mich recht: wenn
ich von Unschuld rede, so meins ich
damit nicht etwa altjungferliche Prü-
derie oder unfruchtbares Asketentum.
Watteau, der Maler der ketes Kk
630
Ruustwart
malerei nicht zu erreichen ist, und eine
Tiefe der Empfindung, die nur aus
dem Erleben hervorgehen kann. Durch
dies Verhältnis zur Natur ragt er
weit über Künstler hinaus, die ihm an
technischem Vermögen überlegen sind.
Wenn Berliner Kritiker jetzt rügen,
rvie mangelhaft hier oder dort auf
seinen Bildern das Wasser gemalt sei,
so ist es richtig, datz viele moderne
Maler die Erscheinung des Wassers
an sich virtuoser wiederzugeben wissen;
nber das Wasser als lebendigen und
notwendigen Bsstandteil einer grotzen
Landschaft zu schildern, es mit andern
NaLurerscheinungen in so sinnvoller
Weise zu umstellen, datz es durch
sie in seiner Bedeutung sür die
Natur und ihr Leben erklärt wird,
darin werden ihm um so wenigere
gleichkommen. Jn seinen Landschaften
lebt jenes Verständnis für die Natur,
das der Liebe entspringt; und das
Bibelwort: „Wenn Jhr mit Engels-
zungen redetet und hättet der Liebe
nicht", — für die Kunst gilt es im
höchsten Matze. So, aus empfäng-
lichem und liebereichem Leben ent-
quollen, entbehren seine Bilder aller
Gewaltsamkeit. Bei Stuck sehe ich
einen Maler, der darauf bedacht ist,
brillante Bilder zu malen; bei Thoma
einen Menschen, der sein Verhältnis
zur Natur durch die Kunst auszu-
drücken wünscht.
Aehnlich ist die Stellung Thomas
zum Menschen. Jmmer hat er in ihm
das Ebenbild Gottes gesehen und ist
ihm mit Ehrfurcht und Liebe nahe ge-
treten. Er wäre nie sähig gewesen,
ein Menschenantlitz als eine schmierige
Masse von grünen und blauen Flecken
darzustellen, wie man das heut in üen
Ausstellungen oft genug sehen kann.
Sein ganzes Leben lang suchte er bei
den Menschen das, was er als Lebens-
luft brauchte: ruhiges inneres Leben,
ernste Heiterkeit, Güte und Vornehm-
heit, Frömmigkeit und Ehrfurcht. Es
ist schön, wie er die Bauern Millets (dsr
stark auch aus ihn gewirkt hat) in seine
Sphäre übertragen hat. Jene sind die
ewigen Ernährer der Menschheit; in
grohen Fernen dehnt sich die ganze
unendliche Erde um sie; die Majestät
und der Ernst der Arbeit prägt sich
in ihnen aus; sie sind die Stützen und
Grundlagen des ganzen Gebäudes der
menschlichen Gesellschaft, Helden eines
urewigen Kampfes. Aber aus kleinem
Raume verrichtet Thomas Bauer sein
Werk, ein srisdlicher Familienvater,
der einen engen Kreis beherrscht, für
seine Kinder pflanzt und sätund fromm
des himmlischen Segens für seine
Arbeit harrt. Millets Bauernbilder
tragen einen heroischen und sozialen,
Thomas einen idyllischen Charakrer;
jene stellen mehr den Kampf des
Menschen mit der Erde, diese ihre
Freundschaft mit ihr dar. Zn vielen
Bildern hat sich Thoma unablässig be-
müht, sein Menschenideal zu gestaltsn;
aber sein letztes und höchstes Wort
hat er vielleicht in einem Mädchen-
bildnisse gegeben, das erst in den
letzten Jahren entstanden ist: ein Müd-
chen im rosa Kleide undStrohhut,einen
Heidestrautz in den Händen, vor einem
Kiefernhügel, über den man in die
Ferne blickt. Jn diesem Antlitze voll
milden Ernstes, voll ruhevollen tiefen
Lebens, voll zarter treuer Liebe und
Wahrhaftigkeit hat er ein Jdeal ge-
schasfen, das den Deutschen und ihrer
Kunst nicht mehr verloren gehen wird.
Und daneben zu sehen, datz Stuck die
Saharet malt und wieder die Saharet
und noch einmal die Saharet ....
Thoma ist eine „unschuldige" Seele,
die Unschuld in diesem besonderen
Sinne fehlt Stuck. Eine beklemmende
Schwüle, ein betüubendes Parfüm
schlägt uns aus Stucks Werken ent-
gegen. Man verstehe mich recht: wenn
ich von Unschuld rede, so meins ich
damit nicht etwa altjungferliche Prü-
derie oder unfruchtbares Asketentum.
Watteau, der Maler der ketes Kk
630
Ruustwart