Heimatpflege
Der Ausbau des Petri-
turmes in Kulmbach
iederum ist über eine unuötige
Restauration eincs mittelalter-
lichen Kirchturms zu berichten. Die
protestantische Petrikirche in Kulm-
bach hat einen viereckigen gotischen
Lurm, der sich in fünf Stockwerken
erhebt. Auf diese folgt eine acht-
eckige Glockenstube, die den eben-
falls achteckigen Lurmhelm trägt.
Diese Dreiteilung in Vierecksbau,
Oktogon und achtseitig phramideten
Helm ist durchaus im Geiste des
Mittelalters. Auch das Glocken-
haus, das erst aus der Mitte des
f6. Iahrhunderts stammt, ist durch-
aus nicht stillos, sondern in ein-
fachen gotischen Formen gehalten.
Nur fchlen den Spitzbogenfenstern
die Maßwerke und die reichgeglieder-
ten Leibungen, sie sind mit be°
wußter Beschränkung der Kunst-
formen ausgeführt. Das einzige,
was nicht zum „Stil« paßt, ist die
Nenaissancegalerie, die sich am Fuße
des Oktogons um den Turm hcrum-
zieht. Außerdem sind die oberen
Teile nicht ganz so hoch, wie sie
ursprünglich geplant waren, wenn
auch der Anterschied nicht sehr er°
heblich sein dürfte.
Die veränderte, d. h. vereinfachte
Ausführung der oberen Teile hängt
mit der Gcschichte Kulmbachs im
s6. Iahrhundert zusammen. I55Z
wurde die Stadt belagert, uud bei
dieser Gclegenheit trugen die Kulm-
bacher selbst die oberen Teile des
Turmes ab, um die Stadt von dort
mit eincm Stücklein, das sie durch
eine Brustwehr schützten, gegen den
Feind vertcidigen zu können. Anter
der Regierung des Markgrafen
Georg Fricdrich und mit der opfer-
willigen Beihilfe der Bürgerschaft
wurde l563 der Turm in einfachen
Formen, wie man sie damals für
ein protestantisches Gottcshaus an-
gemessen fand, wieder aufgebaut.
Bei dieser Gelegenheit erhielt er
seine obere Renaissancegalerie, ver-
mutlich durch den Steinmetzen
Georg Matthes, den Schwager des
bekannten Baumeisters Kaspar
Vischer.
Man sollte meinen, hier läge
eigentlich kein Grund zu einer Rc°
stauration vor. Die einfachen For-
men der oberen Teile des Turms
spiegeln die Geschichte der Stadt
in unglücklicher Zeit wider. Die
Architektur ist anspruchslos und
sagt nicht viel, aber sie verdirbt
auch nichts. Sie ist, abgesehen
von der Galerie, noch nicht einmal
„stilwidrig". Was in aller Welt
kann also die Kulmbacher veran-
lassen, Glockenstube und Helm ab-
zureißen und höher und reicher
wieder aufzubauen?
Ein kunstliebender und einsichti-
ger Kulmbacher, Lorenz Reinhart
Spitzenpfeil, hat in einer sehr
lescnswerten Schrift die vorgebrach-
ten Gründe für den Ausbau einer
wie mir scheint überzeugenden Kritik
unterzogen.* Man macht geltend,
der Lurm sei nicht hoch genug und
stehe von oben gesehen in unschönem
Verhältnis zum Dach der Kirche.
Aber „die Petrikirche liegt nicht wie
die mcisten gotischen Kirchen in
engem Häusergewirre, sie steht auf
einem Vorsprung dcs Burgberges,
höher als alle Gebäude der Stadt.
Sie bedarf nicht erst einer hoch-
ragenden Turmspitze, um vor den
übrigen Häusern ausgezeichnet zu
wcrdcn. Man macht gegen den
Turm gcltend, daß er im Stadt-
und Landschaftsbilde zu wenig mit-
spricht. Dafür fügt er sich
der Landschaft sehr gut ein, die
in den welligen Höhenzügen und
* „Zum Bauprojekt des Petri-
turms in Kulmbach«. Kulmbach,
R. Rehm.
Kunstwart XXI, V j
Der Ausbau des Petri-
turmes in Kulmbach
iederum ist über eine unuötige
Restauration eincs mittelalter-
lichen Kirchturms zu berichten. Die
protestantische Petrikirche in Kulm-
bach hat einen viereckigen gotischen
Lurm, der sich in fünf Stockwerken
erhebt. Auf diese folgt eine acht-
eckige Glockenstube, die den eben-
falls achteckigen Lurmhelm trägt.
Diese Dreiteilung in Vierecksbau,
Oktogon und achtseitig phramideten
Helm ist durchaus im Geiste des
Mittelalters. Auch das Glocken-
haus, das erst aus der Mitte des
f6. Iahrhunderts stammt, ist durch-
aus nicht stillos, sondern in ein-
fachen gotischen Formen gehalten.
Nur fchlen den Spitzbogenfenstern
die Maßwerke und die reichgeglieder-
ten Leibungen, sie sind mit be°
wußter Beschränkung der Kunst-
formen ausgeführt. Das einzige,
was nicht zum „Stil« paßt, ist die
Nenaissancegalerie, die sich am Fuße
des Oktogons um den Turm hcrum-
zieht. Außerdem sind die oberen
Teile nicht ganz so hoch, wie sie
ursprünglich geplant waren, wenn
auch der Anterschied nicht sehr er°
heblich sein dürfte.
Die veränderte, d. h. vereinfachte
Ausführung der oberen Teile hängt
mit der Gcschichte Kulmbachs im
s6. Iahrhundert zusammen. I55Z
wurde die Stadt belagert, uud bei
dieser Gclegenheit trugen die Kulm-
bacher selbst die oberen Teile des
Turmes ab, um die Stadt von dort
mit eincm Stücklein, das sie durch
eine Brustwehr schützten, gegen den
Feind vertcidigen zu können. Anter
der Regierung des Markgrafen
Georg Fricdrich und mit der opfer-
willigen Beihilfe der Bürgerschaft
wurde l563 der Turm in einfachen
Formen, wie man sie damals für
ein protestantisches Gottcshaus an-
gemessen fand, wieder aufgebaut.
Bei dieser Gelegenheit erhielt er
seine obere Renaissancegalerie, ver-
mutlich durch den Steinmetzen
Georg Matthes, den Schwager des
bekannten Baumeisters Kaspar
Vischer.
Man sollte meinen, hier läge
eigentlich kein Grund zu einer Rc°
stauration vor. Die einfachen For-
men der oberen Teile des Turms
spiegeln die Geschichte der Stadt
in unglücklicher Zeit wider. Die
Architektur ist anspruchslos und
sagt nicht viel, aber sie verdirbt
auch nichts. Sie ist, abgesehen
von der Galerie, noch nicht einmal
„stilwidrig". Was in aller Welt
kann also die Kulmbacher veran-
lassen, Glockenstube und Helm ab-
zureißen und höher und reicher
wieder aufzubauen?
Ein kunstliebender und einsichti-
ger Kulmbacher, Lorenz Reinhart
Spitzenpfeil, hat in einer sehr
lescnswerten Schrift die vorgebrach-
ten Gründe für den Ausbau einer
wie mir scheint überzeugenden Kritik
unterzogen.* Man macht geltend,
der Lurm sei nicht hoch genug und
stehe von oben gesehen in unschönem
Verhältnis zum Dach der Kirche.
Aber „die Petrikirche liegt nicht wie
die mcisten gotischen Kirchen in
engem Häusergewirre, sie steht auf
einem Vorsprung dcs Burgberges,
höher als alle Gebäude der Stadt.
Sie bedarf nicht erst einer hoch-
ragenden Turmspitze, um vor den
übrigen Häusern ausgezeichnet zu
wcrdcn. Man macht gegen den
Turm gcltend, daß er im Stadt-
und Landschaftsbilde zu wenig mit-
spricht. Dafür fügt er sich
der Landschaft sehr gut ein, die
in den welligen Höhenzügen und
* „Zum Bauprojekt des Petri-
turms in Kulmbach«. Kulmbach,
R. Rehm.
Kunstwart XXI, V j