Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1909)
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Die Schauspielerei als Beruf
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0095
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
daß ein Direktor seine Zahlungen einstellt oder seine Verpflichtungen
sonstwie kürzt. Nun erst in den kleinen und kleinsten Städten! Wie
aufreibend ist ferner die Sorge für die nächste Spielzeit! Wo werde
ich im Sommer, wo im künftigen Winter sein? Sncht gar ein Ehe-
paar gemeinsame Nnterkunft, so verringert sich die Aussicht beträcht-
lich; findet es doch ein Engagement, so macht sich der Direktor die
Zwangslage zunutze und zahlt statt zwei Gagen nur anderthalbe.

Ich schalte hier aus, welchen Erniedrigungen der junge und
alte Schauspieler im Verkehr mit Vorgesetzten und Agenten aus-
gesetzt ist, so lange er nicht als Liebling einer ganzen Stadt gilt;
ich rede nicht ausführlich über den Linfluß der Kritiken, deren
Nnfehlbarkeit wohl keiner zum Dogma erhebt — nur der Theater-
leiter schwört auf sie, wo er ein lästiges Mitglied mit ihrer Hilfe
kaltstellen oder wegschicken kann. Ich knüpfe an meinen Lingang
an: Die Bevorzugten, die Genies des Standes finden kein volles
Genügen daran, weil sie ihr Können nicht nach eigenem Gutdünken
äußern dürfen, weil ihnen oft Faktoren entgegenarbeiten, die andere
Ziele verfolgen, und weil sie meist neben innerlich fremden Kollegen
stehen. Die Mittelmäßigen tragen schwer an ihren künstlerischen
Mängeln. Immer und immer wird ihnen von der, von jener Seite
und von ihrem eigenen Nrteil ihre Minderwertigkeit klargemacht
und vorgeworfen; jede größere Aufgabe, jedes größere Theater ver-
schließt sich ihnen, und so ist ihr seelischer Zustand um nichts fröh-
licher als der leibliche ihrer ärmsten Genossen, die nach Palmarum,
dem Schlußsonntag der winterlichen Spielzeiten, die Nnterstützungs-
kassen in Anspruch nehmen. Ferdinand Grcgori

Blätter

Morgen!

„Morgen!" sprach sic, Hand in Hand dem Liebcn,
Ilnd zu scinen Augcn sprach ihr Auge:
„Morgcn!" Und sie sah ihn lächelnd schreiten
Hin durchs Gärtchen, hin die Straßen weiter
Und durch Feld ein Stückchen, nun am Schachte
In die Hütte. And sie schloß die Lider,

Ihn im innern Licht noch jetzt zu sehn,

Wie er niederstieg mit den Genosscn
Immcr tiefer auf den langen Leitcru,

Nun ein Fünkchenträger unter Fünkchen.
„Morgen!" lächclten ihm nach die Lippcn.

Abcr durch der Ticfen schwarze Gänge
Schweifte losgebrochncr Geister Hassens-
Gier nach Menschenglück. Dic trank die Leuchten,
Die vom Tag hcrabgestiegnen, und die
Lüfte trank sie, die hcrabgestiegnen,

Itnd die Leben trank sie, die von drobcn,

Und zusammendonncrnd Fels an Felsen
Wölbte in den Tiefen sie das Grab.

74

Kunstwart XXll, 8
 
Annotationen