Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

DOI issue:
Heft 14 (2. Aprilheft 1909)
DOI article:
Rundschau
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0147
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Hier könnte die Schule sehr gut
wirkeu, indem sic einmal die Kin-
der auf das Schädliche dieses Sam-
melunfugs aufmerksam macht, dann
aber auch durch Anlage zweck-
mäßig eingerichteter Aquarien und
Tcrrarien in den Schulen, wie es
hier uud da schon geschieht; auch
die Aquarien- und Terrarienver-
eine sollten sich bcmühen, in dicser
Angelegenheit erzieherisch zu wir-
ken. Wird nicht auf irgendeine Art
dem Sammelunfug Einhalt getan,
so bleibt von unsrer ganzen Am-
phibieu- und Rcptilienfaune weiter
nichts übrig als Gras- und Wasser-
frosch, Erdkröte und Krcuzotter.
Auch die Insektensammelei zeitigt
häßliche Auswüchse.

Ieder Vaterlaudsfreund sollte in
seinem Krcise dcr Ausschlachtung
der Tierwelt entgegentreten. Ein
Iäger, der in häßlicher Weise gegen
unsre Vogelwelt frevelt, dürfte nie-
mals ohne hartc Rüge davonkom-
men, uud den weiblichen Weseu,
deren Hutgarnituren Eulenköpfe,
Pirolflügel, ausgestopste Schwal-
ben, Mcisen und Dompfaffen auf-
weisen, sollte man den Gruß ver-
weigern, wenn eiue Aufklärung
nichts hilft.

Wird weiter gehaust, wie es jetzt
geschicht, so wird unsre Landschaft
öde und langwcilig gemacht, und
der Rückschlag auf die Volksseele
wird nicht ausbleiben.

Es gibt Nützlichkeitsfanatiker, die
dcn Storch aus der Wclt haben
wollen, weil er einmal ein Quart-
HLschen oder ein Feldhuhn kröpft; §
sie denken nicht daran, wieviel !
Mäuse und Kreuzottcrn er vertilgt, !
und es wäre verlorene Liebesmüh,
ihnen begreiflich zu machen, daß
Meister Langhals in die deutschc
Landschaft hineingehört.

Von unserm ureigenen Volks-
tum ist so weuig übriggeblieben,
daß wir Lngstlich alles erhalten

sollen, was zu den uralten echt-
deutschen Anschauungen in Be-
ziehung steht. Adebar war unsern
Urahnen der Seelenbringer, der
aus dem Teich das Menschenseel-
chen fischte und es zu dem Hause
trug, in dem ein Kind geboren
war. Diese uralte Anschauung hat
sich, wenn auch verunstaltet, im
Volke erhalten. Der Storch ist ein
so schöner und interessanter Gesell,
er ist nebenbei auch der größte
unsrer heimischen wilden Vögel,
er hat eigentlich auch ohne Be-
, rufung aufs Mhthologische schon
j Anspruch genug auf Schutz.

Ob dieser oder jener sogenannte
nützliche Vogel seltener oder dieser
oder jener sogenannte schädliche
Vogel häufiger ist, das ist im
Grunde Nebensache, denn die Natur
regelt sich schon selbst. Aber man-
nigfaltig muß die Natur sein, reich
an allerlei Gestalten, voll von ver-
schiedenen Stimmen.

Völker, deren Naturcmpfinden
zugrunde ging, weil sie ihre Heimat
veröden ließen, tragen den Todes-
keim in sich, leben nur künstlich
noch als Nationen.

Völker mit stark ausgeprägtem
Naturempfinhen, wic dic Germancn
und Slawen, verwinden selbst die
schlimmsten Schläge und haben eine
unbegrenzte Erneuerungskraft.

Darum handclt cine Regierung,
die dem Volke das Naturempfinden
zu erhalten sucht, klug, und kein
Opfer darf ihr dafür zu groß, kein
Mittel zu klein dafür sein, und
jeder, der ihr dabei hilft, nützt
seinem Volke.

Eins dieser Mittel ist aber die
Erhaltung der einheimischen Tier-
welt.* Hermann Löns

* Wir erinnern nochmals daran,
daß diese Beiträge (in etwas aus-
führlicherer Form) als Dürcrbund-
Flugschrift für (0 Pfg. zu beziehen

2. Aprilheft (909 ((9
 
Annotationen