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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,4.1909

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Heft 19 (1. Juliheft 1909)
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Lux, Joseph August: Kunstgenuß auf Reisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8817#0023
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läßt. Hier ist alles wohl und wohnlich gestellt, die Häuser, das
Rathaus, der Brunrren, mittelalterliche Giebelfronten und die be-
wegteren, reich, aber immerhin maßvoll ornamentierten Fassaden aus
der Barockzeit, bezeichnen die Glanzpunkte einer baukünstlerischen
ortstümlichen Entwicklung, in der da und dort ein Neubau aus den
letzten Iahrzehnten, gewöhnlich als wenig glückliche Stilkopie mit
dem Mietkasernencharakter, wie ein Fremdkörper auffällt. Stadt-
platz und Rathaus, beide monumental entwickelt, charakterisieren die
Stadt als Bürgerstadt. Darin besteht in den meisten Fällen nicht
alleiu die historische Grundlage, die wir aus dem Plan ablesen
können. Nicht immer, oder wenigstens nicht allein hat die Bürger-
schaft die Oberhand gehabt, vielsach haben sich Fürst und Bürger-
schaft in die Macht geteilt, was in dem Baugebilde der Städte wie
in einer steinernen Chronik auf den ersten Blick zu lesen ist. Hier
gibt der Stadtplan eine sehr wichtige Andeutung. Die Großzügig-
keit des Fürsten hatte immer das Auge auf das Ganze gerichtet
und den Bauplan der Stadt, wie es immer anging, seinen Absichten
unterworfen. Er strebte nach Einheit und Zusammenfassung, und
das Schloß sollte der Kulminationspunkt sein. Der Plan von Karls-
ruhe ist vollständig dieser Absicht unterworfen; eine ähnliche zeigt
sich in der Anlage von Schönbrnnn in bezug auf Wien, und Pots-
dam hinsichtlich Berlins, wo indessen die ursprünglich geplante gerade
Verbindung in Form einer riesigen Avenue in den Zeiten des
sinkenden Ruhmessinnes einen mehrfachen Knick bekommen hat. Wo
nicht Raum und die Mittel zu einer ähnlichsn großartigen Bau-
gesinnuug gegeben war, die durch Paris und die Tuilerien vor-
bildlich geworden ist, da bemerken wir in solchen Fürstenstädten, zu
denen die meisten Provinzstädte Süddeutschlands und Österreichs ge-
hören, eine andere, gleichfalls interessante, in das Leben der Stadt
tiefeingreifende Schloßanlage. Hier ist die Regel, daß sich das Schloß
am nördlichen Rand der Stadt erhebt, denn der Fürst will einen
Fuß in der Stadt haben und einen im freien Lande. Beachtens-
wert ist die strategische Ausnutzung des Terrains. Sind Erhebungen
da, so dominiert das Schloß in der Höhe und ist nach dem offenen
Lande hin durch alte Wassergräben geschützt, wenn nicht ein Fluß-
lauf die natürliche Schutzwehr bildet. Es ist gar nicht zu ver-
kennen, daß die altertümliche Befestigungsart, die Burganlage, den
Grund dieser Schlösser gebildet hat. Erst gegen Ende des siebzehnten
und im Anfang des achtzehnten Iahrhunderts, als die burgenhafte
Wehrhaftigkeit als Anachronismus empfunden wnrde, empfingen diese
Schlösser durch die Barockisierung den künstlerischen Lebenszuschnitt
ihrer Zeit. Ursprünglich waren sie Zwingburgen oder Zwingschlösser.
In den kleinen und übersichtlichen Stadtorganismen der Provinz
ist diese Entwicklung ganz klar aus der Lage abzuseheu, aber
wir finden sie auch in den großen Fürstenstädten, wie in Berlin,
Wien, Dresden, um nur einige zu nennen, wenngleich hier die Grund-
linien durch die Neugestaltungen mehr oder weniger verwischt sind.
Wie in Berlin das kaiserliche Schloß, so erhebt sich auch in Wien
„die Burg" am Rande der alten Stadt und ist hier von einer Wasser-
anlage, wo jetzt die Ringstraße steht, geschützt gewesen. In Dresden,

l- Iuliheft WOtz

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