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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 8 (2. Januarheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0145
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prickelte, dem Thema von der ver-
lorenen, verscherzten, entweihtcn
oder dnrch Demut und Entsagung
wiedcrgcwonnenen Heimat noch eine
besonders schwermütig-tiefsinnige
Wendung zu geben. Als Melide
plötzlich vor der Gewißheit steht,
daß sie mit dem Geliebten in das
Land ihrer Gebnrt zurück soll, da
erschaucrt sie vor diesem Gedanken:
„Strandkinder sind wir alle. Ver-
schlagen in das Leben, mit der
Sehnsucht nach der Heimat, nach
Rnhe und Frieden . . ." Dies
shmbolistische Appendix in zwölfter
Stunde zu cincm Secränberstück
dieses Schlages, das heißt denn
doch dem Hund die Schelle an
den Schwanz hängen wollen, wenn
er mit dem Braten schon davon-
gesprnngen ist. Auch sonst sollen
wir gewiß noch allerlei Shmboli-
sches, Ewigcs oder Llementares
hinter den äußern Vorgängen
ahnen und wittern — der uralte
kosmische Streit zwischen den un-
gebändigten Naturkräftcn, die cin-
ander fliehen nnd befehden, dann
aber in desto brünstigeren Flam-
men zusammcnschlagen, wird mehr-
mals angerührt —, die Lust dazu
wird uns aber dnrch die an-
spruchsvolle Brutalität dcr äußern
dramatischen Ereignisse gründlich
verdorben. Es gibt Nüsse, dcnen
die Schale ganz und gar den Kern
erstickt hat; das ist das selbst-
bereitete Schicksal dieses verwilder-
ten Sudcrmannschen Heimatschau-
spiels.

Es muß wieder einmal auffallen,
daß Sudermann so gar keinen
Humor hat und, was aufs engste
damit zusammenhängt, gar keine
geistige Liebcnswürdigkeit. Auch
der Komtur, der in seinem Sa-
lomo-Spruch einmal einen Ansatz
dazn zeigt, gleitet aus dem Humo-
ristischen sofort ins Frivole, sobald
wir das Salz seines Wihes gc-

schmeckt haben und an die Folgen
solcher leichtfertig-zhnischen Kup-
pelei denkcn. Die feine Grenz-
schnur, die zwischen Frivolität und
Humor hinläuft, ist für diese Tahen
kein Pfad. Dagegen geht Her-
mann Bahr, der große Iongleur-
und Metamorphosenkünstler, ihn
ohne Balancierstange. Sogar mit
Grazie nnd mit jener gereiftcn
Sicherheit, ja auch mit eincm Teil
jener stillberuhigten Gelassenheit,
die uns Björnsons frühlingshaftcs
Altersstück „Wenn der junge Wcin
blüht" so schön macht. Nicht die
neuen, dem alten Pärchen-Ver-
wechslungsspiel abgewonnenen Va-
riationen sind es, die seinem gleich-
zeitig im Dresdner Hoftheater und
im Berliner Lessingthcater aufge-
führten Lustspiel „Das Konzert"
dcn Reiz geben, nicht das feuille-
tonistische Rankenwerk, das sich um
den launisch verzweigteu Stamm
schlingt, nicht die kecken Pointen,
die er ihm aufpfropft — nein,
diese drei schlanken Akte — die
zudem in Berlin noch auf den
Proben so viel von ihrem Blätter-
werk lassen mußten, daß das
Ganze knapp anderthalb Stunden
dauert —, sie haben Musik in sich
selbst, und diese Musik klingt aus
dem Trutz- und Foppspiel dcr
übermütig hin- nnd her-, neben-
und gegeneinander geschobenen
Paare mit einer Hciterkeit hervor,
der man sich so wenig erwchren
mag wie der Frühlingslüftc, die
im März die zitternden Aste durch-
wehen. Das „Konzert" ist Bahrs
menschlich wertvollstcs und künst-
lerisch gelungenstes Werk, eins der
wenigen Lustspiele von heute, die
die innere Kultur ihrcr Spezies
haben. Friedrich Düsel

Hamburger Theater

obert Walter (Freyr) hat
sich durch seine Verssammlung

2. Ianuarhcft (sW
 
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