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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,4.1910

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Heft 19 (1. Juliheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9020#0038
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Pemlich treuen Darstellung, so ent-
steht auch bci großer Begabung
etwas nicht ganz Zulängliches, das
wohl dies eine Mal durch seine kühne
Nenheit fesseln, dnrch künstlerisch
höchst anständige Durchführung auch
einigen Bestand haben inag, das
aber nicht mit Erfolg des öfteren
variiert werden kann.

Bei Mann brancht man ja auch,
ungeachtet seines Romanismns, cine
fortgesctzte Behandlung gleichartiger
Vorwürfe nicht zu fürchten. Bis-
her hat er noch mit jedem neuen
Romanwerk ein anderes Stoffgcbiet
betreten. Anbedcnklich darf man sich
daher an der delikaten Durcharbci-
tung des jüngsten Buches freucn.
Wie eine italienische Kleinstadt lebt,
darbt, eifert, bummelt, liebt und
haßt, das ist ganz vortrefflich wie-
dergegeben, ganz gcwiß so vortreff-
lich, wie es nur je einem (immer-
hin) Deutschen gelang. Wie nnn
in den stillen Sumpf der große
Stein fliegt, in Gcstalt jener Theater-
truppe nämlich, wie damit sofort
die Ruhe vertriebcn wird und Un-
rast, vcrliebt-verfcindctcr Begcgnun-
gen nämlich, immer weitere Kringel
zieht, das ist mit meisterlicher Kunst
durchgeführt. Die angestrengt stei-
gernde Gebärde des Urhebers wird
zwar auch diesmal zuweilen sicht-
bar. Aber ruhige Beherrschung der
polhphoncn Komposition bleibt das
Kennzeichnende, und schlichtes Leben
erhascht Mann hier sicherer als
früher. W. Rath

Kopisch

s war ein sehr glücklicher Ge-

danke des Herausgebers der

kleinen Sammlung „Das Erbe"
(Eoncordia, deutsche Verlagsanstalt),
Ernst Lissauer, ein Bändchen Ko-
pisch erscheinen zu lassen. Es
heißt „Heitere Gedichte" und ent-

hält alles Wesentliche, was von

Kopischs humorvoller Pocsie heute

noch lebendig ist — und vermut-
lich noch sehr lange lebendig blei-
ben wird. Denn dieser Malerdich-
ter ((799—(853), dem neben Miß-
glücktem auch einige wundervolle
ernste Gedichte gelungen sind (von
denen Lissauer zwei im Zusam-
meuhange der Einleitung wieder-
gibt), ist im Leichten, Heiteren
ein ganz außerordentlicher Künst-
ler, der im großen Zusammen-
hange unserer Literatur etwas
durchaus Eigenartiges darstellt* Es
ist eine Welt des Kleincn, die in
seiner heiteren Poesie vor uns
ausgebreitet liegt — aber es ist
eine Welt. Alle die Geister des
mcnschlichen Alltags sind in sei-
nem Wort lebendig geworden: das
hüpft und springt, raschelt und
fließt, wispert und tuschelt durch
seine Verse, die immer lebendig
darstellen, in denen entzückend
kapriziöse Wirkungen sind, wie in
dieser Strophe der „Zwerge in
Pinneberg", die sofort zum lauten
Lesen verlockt:

„Ia! rief das sämtliche Gezwerg,
Nach Pinnebcrg — nach Pinne-
berg!

Mit feinen Stimmchen: Pinne-
berg!

Mit gröberen — nach Pinneberg!

Ia Pinneberg!

Nach Pinneberg!"

Aber auch abgesehen von Zwer-
gen, Heinzelmännchen, Kobolden,
Hexen, Feen, dem berühmten
großen Krebs im Mohriner See
und dem dummen Teufel, der iu
Kopischs Schwänken höchst lustig
bctrogen wird — abgesehen von
dieser märchenhaft bunten Schar
von allcrlei Geistern, die niemand
so beschworen hat wie Kopisch und
die das eigentliche Lcbcn seiner

* Wir erinnern an den ihm ge-
widmetenAufsatz und dieProben auf
den Losen Blättern (Kw. XII, (6).

(. Iuliheft (9(0 25
 
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