Versuche dieser zweiten Art empfeh-
len sich naturgemäß Gegenstände,
mit denen sich die zusammenzufas--
senden Fachwissenschaften schon von
sich aus beschäftigt haben und die
zugleich auch Gipfel der allgemeinen
Aufmerksamkeit sind.
Ein solcher Gegenstand ist der
Verbrecher. Mit ihm beschäfti--
gen sich außer der Strafrechtswissen--
schaft die Pshchologie und Physio--
logie, mit ihm die Pshchiatrie, di«
Anthropologie, Statistik, Ethik,
Charakterologie u. a. m. Ia, diese
Wissenschaften sind es erst gewesen,
die den Verbrecher als solchen als
ein Besonderes innerhalb der
Menschheit zu bestimmen und vor-
zustellen und so unserm triebhaften
Grauen vor dem Kainszeichen Ur-
sache und Ziel zu finden versucht
haben, während die eigentliche
Nechtswissenschaft von selber lange
Zeit nicht recht über die Betrachtung
des Verbrechens hinauszuwollen
schien und der Gerichtsgebrauch noch
immer über der Lat den Läter ver-
nachlässigt. Es ist nnn das Ver-
dienst Wulffens, die wichtigsten
Forschungsergebnisse jener Wissen-
schaften und die verschiedenen über
sie entstandencn Ansichten in seiner
Pshchologie des Verbrechers* zu°
sammengefaßt zu haben.
Dieses Buch erfüllt nun freilich
nicht den Wunsch nach einem über-
ragenden Werke, das aus einer
großen und tiefen Anschauung sei--
nes Stoffs das bisher Geleistete im
einzelnen überlegen richtend, sich-
tend und vernichtend abschlösse, im
ganzen aber wissenschaftlich schlich-
tend und künstlerisch dichtend grund-
* Enzhklopädie der modernen
Kriminalistik, Bd. I und II Psycho-
logie des Verbrechcrs und 5H6
Seiten) von E. Wulffen, 25 Mk.,
geb. 30 Mk., bei Qr. P. Langen-
scheidt, Groß-Lichterfelde.
legend objektive Formen für unser
Verhältnis zu Verbrechen und Ver-
brechern schüfe — einmal weil der
eleganten Verwerternatur des Ver-
fassers die dazu erforderliche schöp-
ferische Arkraft doch fehlt, dann aber
auch weil die experimentellen An-
tersuchungsmethoden bezw. Analh-
sen der psychischen Gebilde von der
allgemeinen Pshchologie nur un-
vollkommen gefördert worden sind,
und auch von einer experimentellen
Eharakterologie noch wenig zu spü-
ren ist. Innerhalb dieser persön-
lichen und sachlichen Schranke aber
gibt Wulffen alles, was man zur-
zeit von einem „Handbuch für Iuri-
sten, Ärzte, Pädagogen und Gebil-
dete aller Stände" über die Psycho-
logie des Verbrcchens erwarten
muß. Es ist ein im ganzen gut ge°
schriebenes, recht objektiv gehalte-
nes, sehr inhaltrciches, geschickt
gruppierendes Lese- und Nach-
schlagebnch, das auf die wesentlich-
sten Fragen über das Wesen des
Verbrechers die wichtigsten Antwor-
ten gibt, die die Gegenwart geben
kann, und auch durch eigene Aus-
führungen ergänzt, die nur manch-
mal etwas breit geraten und ge°
legentlich vorbeihauen. Wenn zum
Beispiel „bei einem der Suggestion
ausgesehten Liebhaber von schwa-
chem Verstande die Geliebte leicht
Abermacht gewinnt und selbst eine
bloße Kaprize, die hier das stark-
gewillte Weib als Kraftprobe an
den Tag legt, gefährlich werden
kann", so werden wir hierbei ganz
unü gar nicht an Fräulcin Kuni-
gund und Nitter Delorges denken:
Nur noch sein ritterliches Ehr-
gefühl treibt ihn, den Handschuh
zu holen, die Liebe ist aus
und nichts deutet auf Suggestion.
— Aber meine Stellnng zu eini-
gen grundlegcnden ethischen, so°
zialen und juristischen Anschau-
ungen, die der Verfasser mit der
Kunstwart XXIV, (2
len sich naturgemäß Gegenstände,
mit denen sich die zusammenzufas--
senden Fachwissenschaften schon von
sich aus beschäftigt haben und die
zugleich auch Gipfel der allgemeinen
Aufmerksamkeit sind.
Ein solcher Gegenstand ist der
Verbrecher. Mit ihm beschäfti--
gen sich außer der Strafrechtswissen--
schaft die Pshchologie und Physio--
logie, mit ihm die Pshchiatrie, di«
Anthropologie, Statistik, Ethik,
Charakterologie u. a. m. Ia, diese
Wissenschaften sind es erst gewesen,
die den Verbrecher als solchen als
ein Besonderes innerhalb der
Menschheit zu bestimmen und vor-
zustellen und so unserm triebhaften
Grauen vor dem Kainszeichen Ur-
sache und Ziel zu finden versucht
haben, während die eigentliche
Nechtswissenschaft von selber lange
Zeit nicht recht über die Betrachtung
des Verbrechens hinauszuwollen
schien und der Gerichtsgebrauch noch
immer über der Lat den Läter ver-
nachlässigt. Es ist nnn das Ver-
dienst Wulffens, die wichtigsten
Forschungsergebnisse jener Wissen-
schaften und die verschiedenen über
sie entstandencn Ansichten in seiner
Pshchologie des Verbrechers* zu°
sammengefaßt zu haben.
Dieses Buch erfüllt nun freilich
nicht den Wunsch nach einem über-
ragenden Werke, das aus einer
großen und tiefen Anschauung sei--
nes Stoffs das bisher Geleistete im
einzelnen überlegen richtend, sich-
tend und vernichtend abschlösse, im
ganzen aber wissenschaftlich schlich-
tend und künstlerisch dichtend grund-
* Enzhklopädie der modernen
Kriminalistik, Bd. I und II Psycho-
logie des Verbrechcrs und 5H6
Seiten) von E. Wulffen, 25 Mk.,
geb. 30 Mk., bei Qr. P. Langen-
scheidt, Groß-Lichterfelde.
legend objektive Formen für unser
Verhältnis zu Verbrechen und Ver-
brechern schüfe — einmal weil der
eleganten Verwerternatur des Ver-
fassers die dazu erforderliche schöp-
ferische Arkraft doch fehlt, dann aber
auch weil die experimentellen An-
tersuchungsmethoden bezw. Analh-
sen der psychischen Gebilde von der
allgemeinen Pshchologie nur un-
vollkommen gefördert worden sind,
und auch von einer experimentellen
Eharakterologie noch wenig zu spü-
ren ist. Innerhalb dieser persön-
lichen und sachlichen Schranke aber
gibt Wulffen alles, was man zur-
zeit von einem „Handbuch für Iuri-
sten, Ärzte, Pädagogen und Gebil-
dete aller Stände" über die Psycho-
logie des Verbrcchens erwarten
muß. Es ist ein im ganzen gut ge°
schriebenes, recht objektiv gehalte-
nes, sehr inhaltrciches, geschickt
gruppierendes Lese- und Nach-
schlagebnch, das auf die wesentlich-
sten Fragen über das Wesen des
Verbrechers die wichtigsten Antwor-
ten gibt, die die Gegenwart geben
kann, und auch durch eigene Aus-
führungen ergänzt, die nur manch-
mal etwas breit geraten und ge°
legentlich vorbeihauen. Wenn zum
Beispiel „bei einem der Suggestion
ausgesehten Liebhaber von schwa-
chem Verstande die Geliebte leicht
Abermacht gewinnt und selbst eine
bloße Kaprize, die hier das stark-
gewillte Weib als Kraftprobe an
den Tag legt, gefährlich werden
kann", so werden wir hierbei ganz
unü gar nicht an Fräulcin Kuni-
gund und Nitter Delorges denken:
Nur noch sein ritterliches Ehr-
gefühl treibt ihn, den Handschuh
zu holen, die Liebe ist aus
und nichts deutet auf Suggestion.
— Aber meine Stellnng zu eini-
gen grundlegcnden ethischen, so°
zialen und juristischen Anschau-
ungen, die der Verfasser mit der
Kunstwart XXIV, (2