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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 18
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0489
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Angewandte

Kunst

Stadtschönheit

enn wir die Häuser Nürnbergs
in Neih und Glied an der Dö-
beritzer Heerstraße aufstellen wnr-
den, so brauchten wir wohl nicht
lange zu warten, bis Stück für
Stück dieser Sehenswürdigkeiten
dem Abbruch zum Opfer fallen
und modernen Miethäusern und
Prachtbauten weichen müßte. Mit
Recht. Ein solches Nürnberg würde
vielleicht verkehrstechnisch und ge-
sundheitlich einwandfreicr sein als
das echte, aber mit seinen ohne
Zusammenhang hingestreuten Glie-
dern würde es peinlich, ja ärmlich
und häßlich wirken, während es doch

sind es so wenig, wie das besondre
Gelände, aber wie beide sich zu-
sammenschmiegen, wie ein Grund-
ton bei aller scheinbaren Unregel-
mäßigkeit immer wieder heraus-
klingt, ein persönlicher Zug immer
wieder durch Betonung und Ge°
gensätze festgelegt ist, auch wie die
Dächer sich neigen, und nicht zum
wenigsten die Einheit des Baumate-
rials, das alles hilft eine Stadt
zum lebendigen Wesen machen. Es
geht ein Leben, gewissermaßen ein
bestimmtes Interesse durch alle
Häuser einer Stadt oder eines
Stadtteils, bald scheinen sie alle
einen Strom zu bewundern, bald

Zeichrnrng von Franz Pocci

als lebender Körper von unantast-
barer Schönheit ist. Gebäude,
Brunnen, Kirchen in beiden Fällen
vollkommen gleich und doch: hier
herzlos kalt aneinandergereihtes
Ausstellungsgut, dort ein Städte-
bild so traulich und stolz zuglcich,
so beredt und inhaltsreich, daß wir
uns wohl selten so tief und warm
als Deutsche fühlen, wie bei den
Meistersingern, wenn Hans Sachs
sein „liebes Nürenberg" preist. Da
fühlen wir, daß es Städte gibt,
die wir mit ganzer Seele lieben
können. Es läßt sich, wie bei
jedem Kunstwerk, schwer sagen, was
diese Schönheit und Innerlichkeit
ausmacht. Die einzelnen Gebäude

sich um eine Burg zu flüchten oder
ein Schloß auf Händen zu tragen,
bald in immerwährender Parade
eincn Fürsten zu bcgrüßen oder in
langer Prozession sich nm einen
Dom zu bewegen. Diescs gemein-
same Wollen gibt die Stimmung
einer Stadt, jedes Gcbäude, jede
Straße ist häßlich, die mit falschem
Tone dazwischenfährt. Nur wer
eine Stadt liebt, kann in ihr
Städtebauer sein, denn erste Be-
dingung ist, daß er den Grundton
einer Stadt empfindet. Die alten
Städtebilder bringen das Verhält-
nis von Volk und Kirche, Fürst
und Untertan zum Ausdruck, die
ncuen Städte wachsen zusammen

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Kunstwart XXIV,
 
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