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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1928)
DOI Artikel:
Halm, August: Programm-Musik und absolute Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0189
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Programm-Mujik und absoluke Mujrk

Von August Halm

gibt Musik, welche nichk nur Zuhörer habcn, sondern auch sie in eine
^-^bestimmke Verfassung bringen will, sei dies durch ein sanftes Überreden,
eine nnmerkliche Suggestion, sei es durch heftige Miktel, sei es endlich durch
Schmeicheln und Reizen. klnker ihren Aukoren gibk es sowohl solche von
großem Ernst und ganz vornehmer Halkung, als auch solche, welche aus Suchk
nach Einfluß, Machk und Ruhm, also aus kyrannifchen Gelüsten, oder aus
bloßec Eikelkeik, Gefallsuchk, jchließlich gar aus Gewinnsuchk ihre Musik fchrei-
ben. Zn einer Beziehung ist wohl das alles, obfchon bei sehr verfchiedener künst-
lerifcher Moral und sehr verfchiedenem Rang der Schöpfungen und Erzeug-
nisse, eine und dieselbe Ark, vor der Musik zu stehen, ihr Wesen zu sehen.
Rricht dem Wert nach, wie ich ausdrücklich wiederhole, aber insofern, als hier
die Musik geführk, also fchließlich benützk wird, sei es zu einem ganz cdlen,
sci es zu cinem weniger edlen, sei es fchließlich zu cinem unedlen Zweck.

Dic enkgegengeseHLe Ark eignek den Schasfenden, welche nur die Musik selbst
snchen, ihr dienen wollen, indem sie den Bestand an Musik vermehren, Musik
in die Welt bringen, ihre Idee realisieren.

Zch habe früher einmal diese beiden Arken der Halkung und Skellungnahme
bei den Schaffenden unkerfchieden als die des Prcdigers einerseiks, des Priesters
anderersciks. Die erstere Bezeichnung krisfk nur für einzelne Unkerarten der
ersten Ark zu (wobei ich den Redner oder auch den Orakor mik hinzurechne);
doch möchke ich sie der Kürze halber beibehalken, und glaube das insofern tun
zu dürfen, als der Schaffende dieser Art jedenfalls den Menfchen zugewandk
ist. Dagegen fcheink mir für die andere Ark das Bild des Priesters so völlig
zuzukreffen, als dies eben überhaupk ein Gleichnis vermag. Der Priester ist in
seincm Amk von den Menfchen, den bloßen Zeugen der heiligen Handlung, ab-
gewandk; er hak mik dem Jenseits, nichk mik dem Diesseiks zu kun; er übk
etwas wie eine religiöse Magie aus. Bruckner, in welchem sich diescr Typus
des Künstlers am reinsten darstellk, hak seine leHke Symphonie „Dem Lieben Gotk
gcwidmek". Es ist bezeichnend für das Ilnverständnis seiner Zeik, daß der Her-
ausgeber diescr Symphonie die genannke Widmung nichk auf das Tikelblakk
zu seHen wagke; wahrfcheinlich wollke er das von ihm gewiß bestens ver-
standcne und hoch bcwunderke Werk vor dem überlegenen Lächeln bewahren,
das ja durch Bruckners Worke ohne Zweifel reichlich ausgelöst worden wäre.
Die Biographen dürfen fchon eher von der Widmung berichken, weil sie die-
selbe in den ganzen Zusammenhang der religiösen Gesinnung Brnckners stellen
und dabei zeigen können, daß die ekwas gar zu kindliche Ausdrucksweise wirklich
nur der äußere Ausdruck eines kiefen und starken Wesens war. Bruckner häkte
die glcichen Worte überhaupt über sein Lebenswerk zu seHen Grund gehabk.
Mik philosophifchen Begriffen versehen, durfte er sich ekwa so ausdrücken:
Meine Mnsik gilk dem Kosmos; und zwar nicht der Welk, die wir Menfchen
vorfinden, und die wir selber sind, sondern der Welkordnung gilt sie; ich weihe
sie dem absoluken Geist. Und diesem nicht nur so, daß der in der Schöpfung
seine Ankikhese sowohl fchaffende als auch erleidende Geist sich auch in meiner
Musik wieder erkennk, sondern sogar so, daß der veräußerlichke, zerklüftete,

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