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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 3 (Dezemberheft 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0253

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die Rheinwein-Wei'b-Gesang-Fi'lme sol-p^ffwar. Gs war auch damals em unsrhör-
len also von einer gefällkgen „Kritik" ver-f ^ ter Fall, in der Filmkritik mit der gleichen
herrlicht werden — um den Export nichw rücksichtslosen Strenge zu verfahren, die
zu fchädigen. Es ist ein Segen, wenn öie-s seit Iahrzehuten in der Theaterkritik selbst-

ser Export nicht so floriert, wie die Ex- vsrständlich ist, ja dort fast übertrieben

porteure kalkulierten: denn di'ese Filme wird. Unterdessen scheint daö Beispiel der

spielen in keinem „deutschen Milieu", sie Frankfurter Zeitung und einiger weniger

sind die widerlichste Spekulation auf alt- anderen Blätter doch Nachfolge gefunden

jüngfsrlich und schal gewordene Senti- zu haben. Wie es uns dünken will, noch

mentalität, sie sind geeignet, unser morali- immer eine viel zu geringe. Noch immer

sches Ansehen (so etwaö gibt es nämlich!) waltet — und nicht nur in kleinen, wirt-

im Ausland aufs schwerste zu schädigen; schaftlich wehrlosen Zeitungen — eine Ge-

denn sie sind eine Schande für das Land, fälligkeitsschreiberei über den Film, deren

das sie produziert, — eine Schande für Abhängigkeit von den Annoncenaufträ-

Deutschland!

Nicht weniger enthüllend ist es, wie dis
Herren, die an der Spitze unserer na-
tionalen Filmindustrie stehen, den Kampf
gegen eine unbequeme Kritik zu führen
gedenken: durch Denunziation des Kri-
tikers bei seinem Verleger, durch ganz
gemeine wirtschaftliche Prsssion. Oenn
was bedeutet die Forderung, die am
Schlusse der denkwürdigen Sihung (alles
laut Tagungsbericht des Reichsfilmblat-
tes) erhoben wurde: „daß die Theater-
besiHer (!) im Reich die Verlagsanstalten
(!) ersuchen sollten, die Kritik auf Grund
der Anschauung der eigenen (!) Redak-
teure vorzunehmen." Man spekuliert, daß
der angestellte Redakteur vom Verlage
abhängiger ist als der freie Mitarbeiter
und der Provi'nzzeltuxigSverlag vom The-
aterbesi'Her wegsn der Annoncen abhän-
giger als vom Filmproduzenten. So sehen
sie aus: Männer, die „deutsches Milieu"
sagen, wenn sie „Ertragsmöglichkeiten"
meinen und, sobald sich diese verringern,
bedenkenlos durch wirtschaftlichen Druck
„frei Meinung" zu fabrizieren trachten.
Diese restlose Selbstenthüllung ist wahr-
haft erfreulich.

Erfrculich ist auch ihr Anlaß; denn er
beweist, daß es eine unabhängige Film-
kritik in Deutschland gibt und daß sie so-
gar beginnt, spürbar zu werden, dort,
wo allein die Herren der Produktion emp-
findlich sind — an ihrem Geldbeutel. Als
ich vor Iahren für das Stadtblatt der
„FrankfurterZeitung" Filmkritiken schrieb,
erschien eines TageS ein TheaterbcsiHer
(ganz nach angegebenem Rezepte) auf
der Nedaktion, um über meine Tätig-
keit unter Hinweis auf Annoncierung
und Freikarte Beschwerde zu führen. Dsr
Mann hat niemals weder die ideelle noch
die reale Ursache begriffen, wieso er so
rasch wieder auf der Straße angelangt

gen der Lichtspieltheatsr nur allm sicht-
lich ist. Aber der Vorstoß der Branche
ist geeignet, die allgemeine und grund-
sätzliche Wandlung in der Filmkritik, die
sich seit langem vorbereitet, zu beschleu-
nigen.

An dieser Stelle wird die Filmkritikschon
seit langem in einer Weise geübt, die bei
jeder Kritik eigentlich selbstverständlich
sein sollte: ihrem Gegenstande leiden-
schaftlich zugetan, also von den künstle-
rischen Möglichkeiten des Filmes über-
zeugt und im Anblick ihrer Verwirkli-
chung ehrlich begeistert. Am russischen
Filme wurde das artistisch Vorzügliche
und vor allem Lehrreiche aufgezeigt in
deutlichem Abstand zu der parteipoliti-
schen Tendenz. Die Flut deS Amerikanis-
mus auch im Film fand vom deutschen
Standpunkt aus eine besonders kritische
Beobachtung. Das Wenige, was leider
am deutschen Filme der letzten Jahre nur
zu loben war, wurde dankbar anerkannt,
dsr schlimmste blnrat nur gerade gestreift.
Man schaffe doch endlich den guten deut-
schen Film! Die künstlerischen Kräfte sind
da, es liegt allein an den Lsitern der
Produktion. Aber es ist zu befürchten, daß
aus einer geistigen Haltung, wie sie sich
so herrlich in dieser Tagung geoffenbart
hat, niemals ein guter deutscher Film ge-
boren wird. Wolfgang Petzet

Notiz

-^-»-nsere Bilderbeilage dient — außerKu-
Hbin — zur Illnstrierung des Auffatzes
von ErichBrock.Delacroix stammt aus dem
bekannten Werk Meier-GraeseS bei Piper,
Chardin und der Straßburger Frauenkopf
aus dem neuen, fehr empfehlenswerten
Knnstkalender desfelbeu Verlags.
 
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