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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 4 (Januar 1932)
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Mechow, Karl Benno von: Sorgenfrei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0274
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„Erzählen Sie von Jhrer Frau, BarLels!" fuhr der LeuLnant ganz unver-
nnLLelt fort. „Erzählen Sie ein wenig von Ihrer Frau! Gewiß haben Sie
Schönes zu erzählen."

„Iawohl", sagte der SergeanL. Llber es klang, als habe er Hurra gerufen.
„blnd wo liegt Ihr Glück, und wie heißt es?" fragte der LeuLnanL. „GuLes
Essen, Lrene Sorge um den HausraL, oder Kinder?"

„Nein", sagte der Sergeant, „Kinder haben wir nichL. 2luf das Essen gebe
ich nicht so viel. Die Fürsorge macht es nicht. Das Glück — die Sache ift
die, ich kann es mit Worten nicht sagen."

Der SergeanL fchwieg, aber nicht aus Abneigung gegen WorLe. Man sah es,
daß er sie gerne gefunden häLLe, um ein wenig von seinem Glück zu melden.
Der LeuLnanL wollte hören, und er kam ihm zu Hilfe:

„Nmn, vielleicht ift es das, daß Sie beide sich vorzüglich verfiehen? Sie kom-
men müde vom Dienft, haLLen Ärger über Ärger, Sorge, 22oL, wohl auch
mal diese und jene Freude. Ihre Frau wartet auf Sie, sie wartet nur auf
Sie. Ift bereit, Sie zu hören, forfcht Sie nach allem aus, will nicht haben,
daß Sie ihr das Geringfte unterfchlagen. cktnd dann redeL sie, fragt wieder,
und sprichL und LreibL Ihnen znleHL alle Befchwernis zum Tenfel?"

Da lachte der SergeanL: „So ift's nicht. Und doch ift es so. Von meinem
Dienft hat meine Frau keine Llhnung, nie ftellt sie danach eine Fragc. Sie
weiß nichts, sie weiß nichts von Pferden, sie kann keine Remonte von einem
alten Ankaufsgaul unterfcheiden. Sie weiß kanm, was ich den lieben Tag
lang Lue. Manchmal ift's mir, als sei sie eben, vor einer Stunde, aus dem
blauen Himmel gefallen. Von hoch oben herab! Wenn ich ihr sagte, ich hätte
heute miL den RekruLen KinnkeLLen vergoldeL, sie würde nichL weiLer fragen. So
ift sie, weiß GoLL, an was sie denkt. Sie ift da. Und das ift mein Glück."

„2lus dem blauen Himmel gefallen, von hoch oben herab!" wiederholte der
LeuLnanL ftill vor sich hin. Bartels fuhr fort:

„Sie ift da. Ich komme heim und beiße auf meinen Ärger wie auf einen
Stein. Sie fchanL mich an, und es ift guL. Sie erzählL von ihrem kleinen
Leben, von Blumen und von Kindern, aber anch von Hunden und Meisen,
die im WinLer an ihr Fenfter kommen. Sie siehL ihnen zu. Ich sehe sie auch,
aber das, was sie sieht und erzählL, sehe ich nie. Und ich bin doch nichL ölind!
Ich erkenne auf Lausend MeLer, wenn am Waldrand sich eLwas regk. —
Ia nun, es ift ein Wunder mit ihr."

„Ia, BarLels, es gibt solche Wunder. 2luch ich habe eines gesehen, dem
Ihrigen ähnlich. Erft ftuHLe ich und zweifelLe, ich bin nichL an Wunder ge-
wöhnL. Znm Donner, dachLe ich, wie harL und unvermifchbar nebeneinander
diese zwei Menfchenleben, ein Mann und eine Frau! — Was wissen wir
Männer von einer Frau! — BarLels, wir wollen anLraben!"

Des LenLnanLs Ruf lief znr TeLe vor, die 2lbteilung LrabLe an. Die Pferde
fchlugen den Schlamm aus dem Boden. Von Rkordweft fuhr ihnen der
Wind entgegen, er Lrug den Geruch des Meeres und eine KälLe von Eis.
Sie knöpfLen den ManLel zu und zogen den Hals in den Kragen Hinein. Sie
fchwiegen im ReiLen, sie waren einsam, als riLLen sie ins Grab.

Einen Menfchen sahen sie nicht, und auch keine ziehende Kolonne. Sie riLLen
als die LeHLen des flüchtenden Heeres. Sie hörLen nur die Krähen nnd den

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