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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 7 (Aprilheft 1932)
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DarstellungSmittel erwarten läßt. Wird
dann daö Spiel noch den ersten Künstlern
Dentschlands übertragen und nichts an
einer erlesenen Ausstattung und üppigen
Komparserie gespart, so müßte sich eigent-
lich der große historische und nationale
Film ganz oon selber einstellen. Er tut
eö nicht. Denn eines tvurde vergessen und,
wie sich zeigt, das Wichtigste: eine neue
geistige Aufsassung des historischen Stof-
fes, die sich im neuen Kunstmittel des Fil-
mes auSzudrücken hätte. Dieser „Aork",
diese „K ö n i g i n L u i s e" sind genau
so, tvie wir sie auü unserem Geschichts-
unterrichte vor dem Kriege in Erinnerung
haben. Die Gattung ist eine dem Stande
der Technik entsprechende Neuauflage je-
ner Erzählungen für die reifere Jugend,
in denen das vaterländifche Gefchehen mit
dem privaten Schicksale irgendeines ju-
gendlichen Helden verknüpft sich so be-
geisternd einfach entfaltet und zum guten
Ende kommt. Es ist zuzugeben, daß die
Verfasser des Manuskriptes zu Königin
Luise auch einige besinnliche Dinge zwi-
schen Paraden, Schlachten, Audienzen und
königliche Kinderzimmer mengten; es gibt
in diesem Filme immerhin einen Frei-
herrn vom Stein, der etwas über Bau-
ernbefreiung sagt, und König und Kö-
nigin machen sich über Wohl und Schick-
sal der Nation, über Fluch und Segen
des KriegeS leidvolle Gedanken. Aber der
Grundfehler ist doch derselbe, wie bei
dem unbekümmert draufgängerischen, auf
weißem Schimmel durch drei Tage und
Nächte reitenden Iork: es waltet jene
alte Gefchichtsauffassung, die nur Husa-
renritte und Hofintrigen kennt, und für
die der eigentliche soziale und kulturelle
Urgrund alleS Geschehens, der gerade vom
Filme in aller Breite und Tiefe erfaßt
werden könnte, unerreichbar ist. Dieser
grundsätzliche Mangel ist wesentlicher als
öie zahllosen schönfärberifchen Entstellun-
gen erwiesener Tatsachen, die hier nicht
im einzelnen erörtert werden können. —
Es ist nun interessant zu beobachten, wie
die Schwäche in der geistigen Erfassung
des Stosfes, die matte Konventionalität
deS Manuskriptes, genau dieselbe Konven--
tionalität der filmischen Ausdrucksmittel
bewirkt. Sowohl Werner Kraus, als
auch Henny Porten, sowohl Forster als
auch GründgenS geben schauspielerische
Leistungen von ungewöhnlichem Rang;
aber beide Filme bleiben in den Haupt-
rollen und in den Episoden ausgespro-

chene Starfilme. Ebenso wie bei ihren
Staatshandlungen beginnt und endet das
künstlerische Jnteresse mit dem Akteur, der
sich in einem toten Raume zu bewegen
scheint. Ja auch in der Aufnahme, in der
Einstellung, in der Montage gibt es
bei aller anzuerkennenden geschmacklichen
Gediegenheit — in beiden Filmen nicht
eine einzige neue filmische Idee. Es hat
Kritiker gegeben, die das Fehlen jeglicher
„Extravaganz" besonders lobten und dem
vaterländischen Stoffe angemessen fan-
den; es ist aber nur angemessen dem Feh-
len jeglicher neueren historischen Einsicht,
wie sie außerhalb dieser Filme längst ge-
wonnen wurde — gewonnen ebenso wie
jener besonöere filmische Stil, der etwas
anderes ist als eine Mischung von Thea-
ter und bildender Kunst.

-t-

Genau dasselbe wie gegen die beiden Fil-
me aus der deutschen Geschichte ist gegen
Conrad Veidts „R a s p u t i n" einzuwen-
den. Der in Paris als Leiter eines Mode-
salons lebende Fürst Jussupoff hat gegen
diese angeblich historisch getreue Verfil
mung einen Prozeß angestrengt, da einige
Einzelheiten des von ihm ausgeführten
Mordeö nicht ganz richtig wiedergegeben
seien. Schlimmer aber, als daß man ent-
gegen der Ankündigung nun doch etwas
Falsches über die von dem Gentleman-
Mörder angewandten Mittel erfährt, ist
es, daß man über die tiefere, schicksal-
hafte Bedeutung des „Heiligen Teufels"
im untergehenden zari'stischen Rußland
überhaupt nichts erfährt. Alles beginnt
und endet in der Dämonie von Conrad
Veidt, der diesmal - und das mit unbe-
streitbarem Takte — den langen Barr
von Väterchen Wüstling trägt.

Bei den deutschen Geschichtsfilmen kommt
aber noch eine Absicht hinzu, die bisher
nicht erwähnt wurde: sie nehmen mit
einer gewissen Tendenz auf unsere heu-
tige außenpolitifche Lage Bezug.
besondere der Ufafilm „Aork" will nicht
einfach durch den vaterländischen Stosf
als solchen wirken, Werner Kraus erhält
auch noch die Aufgabe, aus seiner Lage
im Januar i8iZ heraus in Großaufnah-
me und mit höchster Lautstärke Lehren
für das beginnende Jahr igZ2 zu geben.
Zu der durch eine konventionelle Ge-
fchichtsauffassung gegebenen Seichtheit
gesellt sich eine die Gefchichte bewußt po-

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