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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 12 (Septemberheft 1932)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0918
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ren hergestellt, die Waren wurden ver-
kauft, allerdings vielleicht nnr teilweise,
jedenfalls wurde aber im ganzen nicht
so viel eingenommen, wie ausgegeben
wurde. Aber es wurde ausgegeben,
und nicht nur so viel, wie eingenom-
men, sondern darüber hinaus auch, waö
verloren wurde. Verloren werden kann
nur, was schon da ist, und es ist nur
da, was srüher eingenommen wurde.
Der Verlust kommt also aus den blber-
schüssen srüherer Jahre. Wo nichts ist,
kann nichts verloren werden, und wo
etwas verloren wird, ist es vorher schon
dagewesen, sei es auch nur in der Form
des KreditS, der aber auch nur auS
vorhandenen Überschüssen gegeben wer-
den konnte. Nehmen wir diesen lehten
Fall an, daß ein Verlust nicht an vor-
handenen Mitteln entstanden ist, die
aufgezehrt wurden, ohne sich zu ersehen,
und die auch nicht „ersetzt" zu werden
brauchen, da sie dem Verbraucher selber
gehörten, sondern an geliehenem Geld,
das ersetzt werden muß, um auf diese
Weise den Vorgang deutlicher werden
zu lassen. Soweit der Verlust ein Ver-
brauch des eigenen Arbeitsertrages ist,
braucht er nicht ersetzt zu werden und
kann er nicht ersetzt werden, es sei denn
durch neuen Arbeitsertrag. Von Ersatz
des Verlustes kann praktisch nur da die
Rede sein, wo der verbrauchte und da-
mit verlorene Betrag einem andern ge-
hörte, und wo aus Grund eines Ver-
trages die Verpflichtung besteht, ihn zu-
rückzugeben. Das kann etwa geschehen,
indem der Schuldner einen Teil seines
Besitzes, in dem srühere ArbeitSerträge,
vielleicht die Arbeitsertrage seines Vaters
und Großvaters usw. angesammelt sind,
verkaust. Wenn der Besitzer nicht eine
Einzelperson, sondern eine Gesellschast
ist, so kann sich über die Zahlungsver-
pslichtung die Schuld in kleinen Be-
trägen aus Hunderte verteilen, die mit
ihrem ArbeitSertrag nachträglich den
Verbrauch bezahlen müssen. Wenn der
einzelne in dieser Kette sich aus recht-
mäßige oder unrechtmäßige Weise seiner
Verpslichtung entzieht (auf rechtmäßige
Weise nur, wenn er seinen Betrag schon
auf andere Weise bezahlt hat), so kann
daraus der Anschein entstehen, daß ein
Verlust ungedeckt bleiben könnte. Aber
in Wahrheit i st ja der Verlust schon
„gedeckt" und nur die Schuld bleibt un-
bezahlt, so daß also der Gläubiger mit

seinem Arbeitsertrag in Wahrheit den
Verbrauch deS Schuldners bezahlt.

Doch genug davon! Es ergibt sich dar-
aus, daß, wenn man den Verlust und
die private, vertragliche Schuldverpflich-
tung zwischen Schuldner und Gläubiger
nicht vermischt, die sachlich nichts mit-
einander zu tun haben, jeder Verlust
bezahlt werden muß, da Verlust nichts
anderes ist als Verbrauch und nur d a
etwas verbraucht werden kann, wo et-
was vorhanden war. Das Vorhandene
kommt, direkt oder indirekt, ob eS er-
worben oder erspart, geschenkt oder ge-
funden ist, aus eigenem oder
fremdem Arbeitsertrag. Daß
viele es sertig bringen, auf irgend eine
Weise sremden Arbeitsertrag zu ver-
brauchen, verwirrt das Bild bis zu der
Täuschung, daß es in Wirklichkeit auch
andere Verbrauchsquellen gebe, als den
ArbeitSertrag. Daß nichts verbraucht
werden kann, was nicht ausArbeitsertrag
eingenommen wurde, ist das Grundge-
setz der Wirtschast. DaS ist nicht ein
normatives Gesetz, das besolgt werden
muß, seine Strenge beruht auch nicht
auf der Härte Shylocks, sondern
es ist eine Selbstverständlichkeit, die in
der KriegSwirtschaft und in der Jnsla-
tion und Schuldenwirtschast der Nach-
kriegsjahre in Vergessenheit geraten war.
Nicht bloß der einzelne kleine „Schie-
ber" hat es vergessen, sondern auch die
sogenannten Wirtschaftsführer und
Staatsmänner, sonst wäre weder die
Jnflations-, noch die Reparationspolitik
möglich gewesen.

Db man die Bedarssbesriedigung des
isolierten Einzelnen, auch etwa der Sippe,
die ihren ganzen Bedarf und nur den
eigenen Bedars selber herstellt, oder
eines primitiven Urwaldstammes, der
ohne Vorsorge seinen Lebensbedars im
Walde sindet, schon Wirtschast nennen
will, ist eine Frage der Terminologie.
Jmmerhin kann auch hier nur der „Ar-
beitsertrag" verbraucht werden. Jeden-
salls ist aber nicht jede Arbeit als
solche schon wirtschastliche Arbeit. Sie
kann in anderer Hinsicht produktiv sein,
wirtschaftlich produktiv ist sie nur dann,
wenn sie Dinge hervorbringt, die irgend-
einen Bedarf befriedigen und daher ver-
 
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