F-
Lose Vlätter.
* „Das Neebt zu laeben." Blumenthal kaun's
nlchl lasseu, das Witzigsein; in der Zwischenaktszeitung
der „Freien Volksbühne" bringt er unter der angegebenen
Überschrist wieder einen brillantenreichen Beitrag. Man
lese daraus das Folgende:
„Auf eine Epoche der Verseichtung, in welcher es sich
auf den Brettern nur um ungesalzene Harmlosigkeiteu
handelte, ist eine Epoche der überängstlichen Vertiefung
gefolgt. Kein »handelnder Mensch« mehr, der nicht
Weltanschauung spricht! Kein neues Schauspiel, das nicht
ein Senkblei in die tiefsten Fragen der Gegenwart und
in die schwierigsten Rätsel der Zukunft tauchen ließe. . . .
Zwischen 7 und zo Uhr Abends werden die Kämpfe
des Tages auf dem bretternen Podium weiter gekämpst
— und bis an die Zähne mit dem Sperngucker bewasfnet
(o!), streiten die fehdelustigen Hörer um Probleme uud
Theorien. . . . Wer möchte diese Einberufuug des Theaters
in Reih und Glied, wo es nun um die großen Gegeu
stände der Menschheit nlitringen soll, nicht mit lebhaftem
Beifall begrüßen'? Aber man soll deshalb die Bühne
nur nicht einseitig von unserem kulturgeschichtlichen Pslicht-
eifer unterjochen lassen. . . . Ein schlechter Arzt, der aus
der geistigen Diät das Lachen ausscheiden wollte! . . Das
Lachen ist der hilfreiche Freund der Menscheu, der ihnen
alle Lasten auf die leichte Schulter legt — und das
Lachen hat auch eine berichtigende Kraft, denn es giebt
den endlichen Dingen ihr Maß zurück, das der Ernst
nur allzu gern überschätzen möchte. Es giebt einen lacheuden
Zorn -— und man nennt ihn Witz. Es giebt eiue
lachende Weisheit — und die nennt man Humor. Und
es giebt, aus Beiden gemischt, einen lachenden Spott, deu
man Satire nennt. . . . Darum, Jhr Allzu - Ernsteu,
laßt es Euch von einem lachenden Grübler ins Merkbuch
schreiben:
Wie auch das Loos des Lebens fällt,
Dank denen, die euch heiter machen: —
Nichts ist gesunder aus der Welt,
Als ab und zu sich — krank zu lachen."
Hosfen wir, daß uusere Leser den letzteu Kalauer ohne
ernstliche Beschwerden überstehen -— das Ganze ist doch
gewiß lesenswert. Unser blutiger Oskar als „lachender
Grübler", — der Verfasser der „Großstadtlust" und der
„Orientreise" als Verfechter des Humors als einer „berich-
tigenden Kraft" —- sa freilich, es lebe „das Recht zu lachen"!
* Tveatervorbänge als Anzetgetakeln hab ich im
Ausland schon vor Jahren gesehn, — sie ziehen nun
auch bei uns ein, um es den Zuschauern deutlich in die
Augen zu schrein, daß die Losung der modernen Bühne
Geld, Geld, Geld heißt. Jn den „Dresdner Nachrichten"
fteht eine fette Anzeige dieses Jnhalts:
„Die internationale Unternehmung künstlerisch auszu-
sührender Bühnenvorhänge mit Reklamen, repräsentirt
durch den Patentinhaber M. Stern in Wien, I. Grün-
angergasse Nr. 2, ofserirt den U. D. Theaterdirektionen
künstlerisch ausgeführte Bühnenvorhänge kostensrei und
franko loko Theater sunktionsfähig beigestellt und zahlt
überdies (Varistebühnen ausgenommen) eventuell eine
Pachtsumme für die Benutzung zu Reklamezwecken von
500 bis 2000 Mark jährlich. Das System dieser in
allen Staaten patentirten, im deutschen Reiche mit Gebrauchs-
musterschutz versehenen Bühnenvorhänge, wobei die Reklame
nur in bescheidenster Weise auftritt, indem nur zehn
Prozent des Gesamtumfanges den Reklamen gewidmet
ist, und Annonzen in beschränktem Maße aufgenommen
werdeu, sind bereits eingeführt und erfreuen sich des
ungeteiltesten Beifallcs im k. und k. priv. Karltheater in
Wien, im k. und k. priv. Theater in der Josefstadt in
Wien, im Ausstellungstheater (der letzten Ausstellung) in
Wien, in der Musikhalle (der letzten Ausstelluugl in Wieu,
in Danzers Orpheum iu Wien, im Apollotheater in Berlin,
im Wintergartentheater in Berlin, im Reichshallentheater
in Berliu, im Karl Schulzetheater in Hamburg, im Stadt-
theater in Czernowitz, im Ungarischen Volkstheater in
Budapest, in Felds Sommertheater in Budapest, iiu
Somosys Orpheum iiw Budapest. Jm Residenztheater
in Dresden und im Viktoriasalon in Dresden wird
gegenwärtig an der Herstellung der Vorhänge vom k. k.
Hvftheatermaler Burkhart in Wien gearbeitet, und sind
uoch einige Aunonzeuslächen auf denselben zu vergeben.
Reflektanten hieraus belieben an den zur Zeit hier weilenden
Repräsentanten der llnternehmung (M. Stern) im Hotel
Stadt Gotha behufs Bestellung schriftliche Mitteilung zu-
kommen zu lassen."
Das „Künstlerische" der Vorhänge, dereu Lob hier
in so schönem Deutsch gesungen wird, soll darin bestehen,
daß bekannte Plätze der betressenden Stadt aus den Vor-
hang abgebildet werden. Aus den Giebelwänden der
gemalten Häuser usw. sollen dann die Reklameu stehen.
„Deutlicher", meinen die „Grenzboten", „als es durch
diese Auzeige und die darin mitgeteilten Thatsachen geschieht,
kann wohl kaum ausgedrückt werden, wie tief das deutsche
Theaterwesen gegenwärtig gesunkeu ist. Also so weit sind
wir gekommen, daß der Bühnenteil, zu dessen Schmückung
sonst die Kunst eingeladeu wurde, und über den auch oft
genug die größten Küustler das Füllhorn ihrer Phantasie
ausgeschüttet haben: der Theatervorhang, zu einem riesen-
großen Jnseratenblatt herabgewürdigt wird, mit dem sich
das verehrungswürdige Publikum in den Zwischenakten
über die besten Bezugsquellen von Handschuhen, Schokolade,
Seife und Hühneraugenringen belehren soll. Psui! -—
Man sage nicht, der Vorhang sei eine Äußerlichkeit des
Theaters, die mit den Kunstleistungen auf der Bühne
nichts zu thuu habe. Der Theatervorhang als Plakattafel
stimmt vollständig zu dem, was hinterm Vorhang jetzt
geleistet wird. Kunststätten sind ja unsre Theater schon
längst nicht mehr; im besten und harmlosesten Falle sind
es Vergnügungsanstalten, in jedem Falle — Geschäfts-
häuser. Der Theatervorhang als Plakattafel spricht das
endlich unverblümt aus. Es fehlte nur noch, daß statt
der Namen großer Dichter und Musiker, wie sie in
manchen Theatern an Plasonds und Brüstungen ange-
bracht sind, in Zukunft Namen wie Stollwerk, Mey äe
Edlich, Blumenschmidt, Linger äe Kraft, Matheus Müller,
A. Wachsmuth Co. erschienen. Vielleicht kommt das
auch noch."
Ach, wenn sich doch unsre gutc Theaterzensur auch solchcr
Zeiterscheinungen annehmen könute, wir nähmen's hin, selbst
wenn sie dafür ihren Geist anderswo etwas entlasten müßte!
/Ibustkaltscver Dumor. Illundscvau. Dichtung. Schöne Literatur XVI. Die Aufbrütesamen.
Theater. Schriften zur Bühnen-Reform. Wichtigere Schauspielaufführungen XI.II. — Musik. Musik-
Literatur VIII.
Wichtigere MusikauMhrungen XII. — Bildende Künste. Öffentliche Denkmäler.
Schriften über Ästhetik III. Lose Mattcr.
Vermischtes.
4-
iss
Lose Vlätter.
* „Das Neebt zu laeben." Blumenthal kaun's
nlchl lasseu, das Witzigsein; in der Zwischenaktszeitung
der „Freien Volksbühne" bringt er unter der angegebenen
Überschrist wieder einen brillantenreichen Beitrag. Man
lese daraus das Folgende:
„Auf eine Epoche der Verseichtung, in welcher es sich
auf den Brettern nur um ungesalzene Harmlosigkeiteu
handelte, ist eine Epoche der überängstlichen Vertiefung
gefolgt. Kein »handelnder Mensch« mehr, der nicht
Weltanschauung spricht! Kein neues Schauspiel, das nicht
ein Senkblei in die tiefsten Fragen der Gegenwart und
in die schwierigsten Rätsel der Zukunft tauchen ließe. . . .
Zwischen 7 und zo Uhr Abends werden die Kämpfe
des Tages auf dem bretternen Podium weiter gekämpst
— und bis an die Zähne mit dem Sperngucker bewasfnet
(o!), streiten die fehdelustigen Hörer um Probleme uud
Theorien. . . . Wer möchte diese Einberufuug des Theaters
in Reih und Glied, wo es nun um die großen Gegeu
stände der Menschheit nlitringen soll, nicht mit lebhaftem
Beifall begrüßen'? Aber man soll deshalb die Bühne
nur nicht einseitig von unserem kulturgeschichtlichen Pslicht-
eifer unterjochen lassen. . . . Ein schlechter Arzt, der aus
der geistigen Diät das Lachen ausscheiden wollte! . . Das
Lachen ist der hilfreiche Freund der Menscheu, der ihnen
alle Lasten auf die leichte Schulter legt — und das
Lachen hat auch eine berichtigende Kraft, denn es giebt
den endlichen Dingen ihr Maß zurück, das der Ernst
nur allzu gern überschätzen möchte. Es giebt einen lacheuden
Zorn -— und man nennt ihn Witz. Es giebt eiue
lachende Weisheit — und die nennt man Humor. Und
es giebt, aus Beiden gemischt, einen lachenden Spott, deu
man Satire nennt. . . . Darum, Jhr Allzu - Ernsteu,
laßt es Euch von einem lachenden Grübler ins Merkbuch
schreiben:
Wie auch das Loos des Lebens fällt,
Dank denen, die euch heiter machen: —
Nichts ist gesunder aus der Welt,
Als ab und zu sich — krank zu lachen."
Hosfen wir, daß uusere Leser den letzteu Kalauer ohne
ernstliche Beschwerden überstehen -— das Ganze ist doch
gewiß lesenswert. Unser blutiger Oskar als „lachender
Grübler", — der Verfasser der „Großstadtlust" und der
„Orientreise" als Verfechter des Humors als einer „berich-
tigenden Kraft" —- sa freilich, es lebe „das Recht zu lachen"!
* Tveatervorbänge als Anzetgetakeln hab ich im
Ausland schon vor Jahren gesehn, — sie ziehen nun
auch bei uns ein, um es den Zuschauern deutlich in die
Augen zu schrein, daß die Losung der modernen Bühne
Geld, Geld, Geld heißt. Jn den „Dresdner Nachrichten"
fteht eine fette Anzeige dieses Jnhalts:
„Die internationale Unternehmung künstlerisch auszu-
sührender Bühnenvorhänge mit Reklamen, repräsentirt
durch den Patentinhaber M. Stern in Wien, I. Grün-
angergasse Nr. 2, ofserirt den U. D. Theaterdirektionen
künstlerisch ausgeführte Bühnenvorhänge kostensrei und
franko loko Theater sunktionsfähig beigestellt und zahlt
überdies (Varistebühnen ausgenommen) eventuell eine
Pachtsumme für die Benutzung zu Reklamezwecken von
500 bis 2000 Mark jährlich. Das System dieser in
allen Staaten patentirten, im deutschen Reiche mit Gebrauchs-
musterschutz versehenen Bühnenvorhänge, wobei die Reklame
nur in bescheidenster Weise auftritt, indem nur zehn
Prozent des Gesamtumfanges den Reklamen gewidmet
ist, und Annonzen in beschränktem Maße aufgenommen
werdeu, sind bereits eingeführt und erfreuen sich des
ungeteiltesten Beifallcs im k. und k. priv. Karltheater in
Wien, im k. und k. priv. Theater in der Josefstadt in
Wien, im Ausstellungstheater (der letzten Ausstellung) in
Wien, in der Musikhalle (der letzten Ausstelluugl in Wieu,
in Danzers Orpheum iu Wien, im Apollotheater in Berlin,
im Wintergartentheater in Berlin, im Reichshallentheater
in Berliu, im Karl Schulzetheater in Hamburg, im Stadt-
theater in Czernowitz, im Ungarischen Volkstheater in
Budapest, in Felds Sommertheater in Budapest, iiu
Somosys Orpheum iiw Budapest. Jm Residenztheater
in Dresden und im Viktoriasalon in Dresden wird
gegenwärtig an der Herstellung der Vorhänge vom k. k.
Hvftheatermaler Burkhart in Wien gearbeitet, und sind
uoch einige Aunonzeuslächen auf denselben zu vergeben.
Reflektanten hieraus belieben an den zur Zeit hier weilenden
Repräsentanten der llnternehmung (M. Stern) im Hotel
Stadt Gotha behufs Bestellung schriftliche Mitteilung zu-
kommen zu lassen."
Das „Künstlerische" der Vorhänge, dereu Lob hier
in so schönem Deutsch gesungen wird, soll darin bestehen,
daß bekannte Plätze der betressenden Stadt aus den Vor-
hang abgebildet werden. Aus den Giebelwänden der
gemalten Häuser usw. sollen dann die Reklameu stehen.
„Deutlicher", meinen die „Grenzboten", „als es durch
diese Auzeige und die darin mitgeteilten Thatsachen geschieht,
kann wohl kaum ausgedrückt werden, wie tief das deutsche
Theaterwesen gegenwärtig gesunkeu ist. Also so weit sind
wir gekommen, daß der Bühnenteil, zu dessen Schmückung
sonst die Kunst eingeladeu wurde, und über den auch oft
genug die größten Küustler das Füllhorn ihrer Phantasie
ausgeschüttet haben: der Theatervorhang, zu einem riesen-
großen Jnseratenblatt herabgewürdigt wird, mit dem sich
das verehrungswürdige Publikum in den Zwischenakten
über die besten Bezugsquellen von Handschuhen, Schokolade,
Seife und Hühneraugenringen belehren soll. Psui! -—
Man sage nicht, der Vorhang sei eine Äußerlichkeit des
Theaters, die mit den Kunstleistungen auf der Bühne
nichts zu thuu habe. Der Theatervorhang als Plakattafel
stimmt vollständig zu dem, was hinterm Vorhang jetzt
geleistet wird. Kunststätten sind ja unsre Theater schon
längst nicht mehr; im besten und harmlosesten Falle sind
es Vergnügungsanstalten, in jedem Falle — Geschäfts-
häuser. Der Theatervorhang als Plakattafel spricht das
endlich unverblümt aus. Es fehlte nur noch, daß statt
der Namen großer Dichter und Musiker, wie sie in
manchen Theatern an Plasonds und Brüstungen ange-
bracht sind, in Zukunft Namen wie Stollwerk, Mey äe
Edlich, Blumenschmidt, Linger äe Kraft, Matheus Müller,
A. Wachsmuth Co. erschienen. Vielleicht kommt das
auch noch."
Ach, wenn sich doch unsre gutc Theaterzensur auch solchcr
Zeiterscheinungen annehmen könute, wir nähmen's hin, selbst
wenn sie dafür ihren Geist anderswo etwas entlasten müßte!
/Ibustkaltscver Dumor. Illundscvau. Dichtung. Schöne Literatur XVI. Die Aufbrütesamen.
Theater. Schriften zur Bühnen-Reform. Wichtigere Schauspielaufführungen XI.II. — Musik. Musik-
Literatur VIII.
Wichtigere MusikauMhrungen XII. — Bildende Künste. Öffentliche Denkmäler.
Schriften über Ästhetik III. Lose Mattcr.
Vermischtes.
4-
iss