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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Servaes, Franz: Die Herbstausstellung der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0363
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DIE HERBSTAUSSTELLUNG DER WIENER SEZESSION

MORGEN AN DER THAYA. ÖLGEMÄLDE

dies einfach selbstverständlich, daß man seine
Sache nicht bloß eigenartig, daß man sie auch
gut machen muß. Denn „gut“ — ich muß
hier ganz nüchtern reden sind die Arbeiten
der Herren Szymanowski und Malczewski wirk-
lich nicht. Ich möchte mich nicht gerade auf
die berühmten Akademieschüler berufen, denen
man „so etwas“ nicht durchgehen lassen würde.
Aber immerhin, hierzulande, und das heißt nicht
bloß an der Spree, sondern selbst auch an der
Donau, legt man auf Sauberkeit, Materialgerecht-
heit, stilistische Rundung ein ganz ungleich
höheres Gewicht. Szymanowski z. B. ist ein
Plastiker, der einige Koketterie darein zu setzen
scheint, so unplastisch als eben möglich zu
arbeiten. Warum soll er als freies souveränes
Individuum, als Pole noch dazu, diese Koketterie
nicht haben dürfen? Ich nehme ihm ja auch
garnicht übel, daß er sie hat. Ich bezweifle
bloß, daß seine Plastiken als Plastiken sich sehr
lange halten werden. Vergänglichkeitsplastik
möchte man sie taufen, während wir doch sonst,
in unserer germanischen Beschränktheit, dazu
geneigt sind, das „wie für die Ewigkeit fest Ge-
gründete“ als den Hauptzug echter Plastik an-
zusprechen.

Sieht man hiervon ab und da Szymanowski
es tut, so können wir ihm ja mal darin folgen
so bleibt freilich genug des Interessanten, des

ANTON NOWAK

Phantasievollen, des Genialischen übrig. Alles
ziemlich literarisch angehaucht, aber das kann
ja nicht wundernehmen. Wo die Qualität gering
ist, da ist die Literatur gewöhnlich stark;
wenigstens bei so geistreichen und phantastischen
Leuten, wie die Polen manchmal sind. So war
gleich die Idee zum sg. „Wawelzug“ ein echter
Literateneinfall; ungemein bestechend und an
alle patriotisch - romantische Empfindungen
machtvoll rührend. Der Wawel ist die alte
Krakauer Königsburg, wahrscheinlich von deut-
schen Meistern erbaut und deshalb polnisches
Nationalheiligtum. Diese im Laufe mehrerer Jahr-
hunderte entstandene, von der Gotik in die
Renaissance fortgewachsene Burg war vom
österreichischen Militärfiskus zu Lazarethzwecken
arg verunstaltet worden. Endlich freigegeben,
wird sie jetzt restituiert und als Kaiserschloß
ausgebaut. Den künstlerischen Mittelpunkt bildet
eine Hofanlage, deren vierte (verschandelte) Seite
jetzt freigelegt wurde, und dort wird nun etwas
ganz Eigentümliches gebaut: eine Art Brücken-
gang, der sich auf hohen Bogen erhebt und
vorn und hinten von je einem tempelartigen
Aufbau abgeschlossen wird. Über diesen Brücken-
gang soll sich nun gewissermaßen ein Geister-
zug bewegen, der sich „wie ein uraltes Per-
gament“ aufrollen soll, in repräsentativen Ge-
stalten ein Stück der Geschichte Polens, geführt

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