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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Constable, John: Gedanken über Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0232
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GEDANKEN UBER KUNST

INNERES DER KAPELLE

WALTER KOEPPEN

schienen. Wir geben einige der bedeutsamsten

Aphorismen Constables hier wieder:

*

Die Kunstkenner meinen, die Kunst sei bereits
zu Ende. *

Auch in der Kunst darf Methode keineswegs
beiseite gesetzt werden. Ohne Methode würde
das Gebiet der Natur eine pfadlose Wildnis
sein. Aber die Methode sollte unserem Streben
dienstbar sein und nicht sein Hauptzweck.

*

Von den größten Malern war keiner exzentrisch
in seinen Werken. Sie waren zu sehr in Über-
einstimmung mit sich selbst, um ein solches Epithet
zu verdienen, sich zu wohl bewußt, was sie dar-
stellen wollten.

*

Wenn ich mich hinsetze, um eine Skizze nach
der Natur zu machen, so ist es mein erstes, daß
ich darnach trachte, zu vergessen, je vorher ein
Gemälde gesehen zu haben.

*

Wie man auch über meine Kunst denken
mag: es ist meine eigene. Und ich wollte lieber
einen freien Besitz haben, wäre es auch nur eine

Hütte, als in einem Palast wohnen, der anderen
gehört. *

Nein, es gibt nichts Häßliches! Ich habe
nie in meinem Leben etwas Häßliches gesehen.
Denn, mag die Form eines Dinges sein wie sie
will: Licht, Schatten und Perspektive werden es
immer schön gestalten.

*

Manier ist immer verführerisch. Sie ist mehr
oder weniger eine Nachahmung von bereits
Dargestelltem und deshalb immer wahrscheinlich,
glaubhaft. Sie verheißt den kürzesten Richtweg
zu gegenwärtigem Ruhm und Vorteil durch Nutz-
barmachung der Arbeit Anderer. Sie führt bei-
nahe unmittelbar zu Ruf und Ansehen, weil sie
für die unwissende Welt ein Wunder bedeutet.
Sie besitzt stets einige glänzende und plausible
Reize, die das Auge auf sich ziehen. Da
Manieriertheit sich stufenweise entwickelt und
durch Erfolg in der Welt, Beifall usw. gefördert
wird, sollten alle Maler, die in ihrer Kunst wirk-
lich Großes leisten wollen, fortwährend gegen sie
auf der Llut sein. Nur innige und beständige
Beobachtung der Natur kann sie vor der Gefahr
bewahren, zu Manieristen zu werden.

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