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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0089
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Das Heidelkrrger Lyceum.

dem Tausch des Mannheimer Lyceums mit dem Heidel-
berger bin ich nicht gut gefahren, aus einer Schule mit idealem
Streben kam ich in eine mit handwerksmäßigem Betriebe. Lehrer
ersten Rangs, wie Nüßlin und Eisenlohr, hatte Heidelberg nicht. Leider
mußte ich hier noch ein halbes Jahr in Quinta und zwei Jahre in
Sexta zubringen, ehe ich znr Universität abgehen konnte.

Jn Quinta herrschte ein böser Geist. Obwohl die Schüler im
Alter von 16—18 Jahren standen, gefielen sich die meisten noch in
Knabenstreichen, wie sie in Mannheim kaum in Quarta vorkamen.
Am schlimmsten trieben es die ältesten; es waren rohe Burschen da-
runter, die man schon aus den unteren Klassen hätte entfernen sollen.
Vergeblich regnete es Mahnungen, Verweise und tagelange Karzer-
strafen. — Mit den Schulstrafen geht es, wie mit manchen Arzeneien,
ihr allzu hüufiger Gebrauch stumpft dagegen ab.

Hauptlehrer der Quinta und alternierender zweiter Direktor
des Lyceums war ein alter pedantischer Herr in weißer Halsbinde,
über das unbewegliche Gesicht mit immer gleicher, würdiger Miene
kam nie ein. flüchtiger Strahl heiteren Lächelns. Und doch war auch
dieses ausgetrocknete Männchen einmal jung gewesen, hatte Romane
geschrieben, sogar erlebt, freilich war es fchon lange her. Wie die
meisten unserer älteren Professoren hatte er Theologie und Philo-
logie studiert; er lehrte Latein und Griechisch und erteilte den evan-
gelischen Schülern den Religionsunterricht. Wir lasen mit ihm
kursorisch das neue Testament im griechischen Urtext und über-
 
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