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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0192
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Der Neckarbund.

des Jndividuums verficht, dem er schon vorher, nur nicht auf wissen-
schaftlich-philosophischer Grundlage, gehuldigt hatte. Am Schlusse seiner
Rechtsstudien erklärte er seinem Vater, einem angesehenen Arzte,
er sei europamüde, es verlange ihn sehnlichst nach dem Lande der
Freiheit. Sobald er dessen Zustimmung erlangt hatte, verteilte er
an seine Heidelberger Bekannten Abschiebskarten mit der Aufschrift:
„Ernst P. aus Amerika," und fuhr nach Hause. Hier verschaffte ihm
sein Vater eine wohlhabende Frau und ließ ihn als glücklichen Ehe-
mann in das Land der Verheißung ziehen. Nach einigen Jahren zog
es ihn nach den Weinhngeln des Rheinstroms zurück, er ließ Frau
und Kind im Stich und war wie vorher „Ernst P. aus Europa."

Nicht alle Neckarbündler trieben ihr Schiff in das stürmische
Fahrwasser der badischen Erhebung. Zwei haben es zu Minister-
stellungen gebracht, der liebenswürdigste der Karlsruher Füchse, Lud-
wig Eichrodt, nur zum badischen Amtsrichter. Ueber die Gefahren
der Revolutionsjahre half ihm eine schwere Brustfellentzündung weg,
über die niedrigen Sorgen des Lebens die Muse, seine heitere Freundin
bis zum letzten Atemzuge. Sie umschwebte ihn auf der Gerichtsstube
und wenn er aufs Land fuhr zu gerichtlichem Augenscheine:

„Wohin ich schaue uud waudle
Begegnet mir unversehus,

Zur Poesie verkläret,

Die alte Jurisprudenz."
 
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